Abschnitt 4

Die Reformation.


Immerhin legte jene Zeit das Hauptgewicht auf die nur der Minderzahl der Schüler zu gute kommende Vorbereitung zum Studium, und wollen wir die Leistungsfähigkeit der Schule nach dem Maßstabe der damaligen Zeit prüfen, so müssen wir fragen, in welchem Maße und Umfange es ihr gelungen ist, solcher Anforderung zu genügen.


Daß nun die Sternberger Schule in der That, nach der Zeit des Verfalles, durch die Reformation zu einer tüchtigen Vorschule für das akademische Studium erhoben worden ist, davon legt wiederum die Rostocker Universitätsmatrikel Zeugniß ab.

Eine andere Frage ist, ob die hiesige Schule im Stande und darauf angelegt war, die Knaben soweit zu fördern, daß sie unmittelbar von hier aus zur Universität übergehen konnten. Im Mittelalter, wo die Universität die oberen Stufen der späteren Gymnasien in sich schloß, und die Immatrikulation durchschnittlich in früherem Lebensalter erfolgte, wird auch die hiesige Schule gleich den meisten Trivialschulen ihre Schüler zur Universität entlassen haben. Doch das war, wie bekannt, inzwischen anders geworden. Die unmittelbare Vorbereitung zur Akademie lag jetzt den Gymnasien bezw. den mit den Universitäten verbundenen Pädagogien ob, und die Schulen der kleineren Städte genügten ihrer Aufgabe, wenn sie die Knaben so weit brachten, im Alter von durchschnittlich etwa 16 Jahren in die oberen Abtheilungen eines Gymnasiums einzutreten. So auch die Sternberger Schule. Es folgt dies schon daraus, daß man so eifrig bemüht war, Schülerstipendien zu schaffen, welche ja nicht erst für die Zeit des Universitätsbesuches verliehen wurden, sondern zunächst bestimmt waren, den Besuch auswärtiger höherer Schulen zu ermöglichen. Sie wurden in der Regel auf 5 Jahre verliehen, wovon, wie es scheint, die ersten 2 Jahre auf den Besuch eines Gymnasiums berechnet waren. Ein Beispiel finde ich in Lisch’ Mittheilung über Nikolaus Duncker (Jahrb. XXI, S. 74), geboren 1548, welcher die hiesige Schule verließ, um, bevor er zur Universität ging, die Schweriner höhere Schule zu frequentiren; die auf ihn gehaltene Leichenrede spendet der Sternberger Schule Anerkennung, daß sie diesen ihren Zögling zum Eintritt in die Schweriner Schule wohl vorbereitet habe. 17) Hier mag noch eine Notiz aus dem Jahre 1609 erwähnt werden. In einem Bericht der Prediger an den Herzog über den damaligen Cantor Johann Polchow beschuldigen sie denselben, daß er die Schule schlecht verwaltet habe; in den 7 Jahren seiner Thätigkeit habe er das kleine compendium grammaticae von Nathan Chyträus (4-5 Bogen stark) kaum zu Ende gebracht, während doch etliche Knaben von 14-17 Jahren seien, die bereits ein lateinisches Scriptum syntactice sollten verfertigen können, aber nicht mehr könnten als die bloßen paradigmata musa, magister, scamnum, amo, doceo, lego, audio. Das Schulziel war darnach etwa dies, die drei unteren Stufen des Gymnasialunterrichtes zu absolviren.

Zum Beschluß dieses Abschnittes notire ich, was ich an Personalnotizen über hiesige Lehrer aus der Zeit bis 1610 habe finden können. Es ist wenig genug.

Aus dem oben (S. 9) angeführten Bericht der Prediger entnehmen wir, daß um 1550 hier ein (ungenannter) Schulmeister war, welcher später Pastor zu Prestin bei Sternberg geworden ist. - Um 1565 war Schulmeister Andreas Sasse, welcher jedoch zu bürgerlichem Gewerbebetriebe griff und aus dem Schuldienst ausschied. - 1572: einer der beiden Schulgesellen war Johann Werchentin, ein Sternberger. - Um 1575 war Rector scholae Jochim Orthmann, welcher im Jahre 1609 Kämmerer und Rathsverwandter in Parchim war. - Zur Zeit der Visitation von 1584 war Petrus Grube Rektor und Nikolaus Gisenhagen Cantor. 19) Ersterer wird schon in dem Oekonomieregister von 1582/83 genannt („petrus der Scholmester“), letzterer schon in demjenigen von 1581/82 („Nichlawes der cantor“); über letzteren siehe bei Lisch Jahrb. XII, S. 248. - Die Oekonomieregister von 1596/97 bis 1602/3 nennen als Rektor Henricus Sulstorpius, als Cantor Michael Jordan. Letzterer, Sohn des „Meister Hans Jordan“, also aus der angesehenen Sternberger Familie dieses Namens, ist schon oben als Stipendienempfänger genannt; im Jahre 1603 wurde er Rektor, bis er 1610 „seiner weitläufigen Haushaltung wegen freiwillig resignirte“. - Cantor wurde 1603 der schon erwähnte Johann Polchow, von dem berichtet wird, daß er „seines Unterrichts wenig gewartet habe, weil er sich verehelicht, die Schule verlassen und sich zum bürgerlichen Leben begeben habe“. 20) Im Jahre 1609 wurde er abgesetzt und an seiner Stelle Johann Mester, Sohn des Pastors Daniel Mester zu Witzin, berufen. - Außer diesen mit Namen genannten spricht der Bericht der Prediger von 1609 noch von mehreren andern, welche während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hier die Schule bedient hätten, und „welche theils noch leben und in Pommern und anderswo die Kirche Gottes bedienen“.

Wir sehen, der Lehrerwechsel war ein ziemlich rascher. Für die meisten war der Schuldienst schon damals ein Durchgang zum Pfarramt. Aber manche auch traten in bürgerliche Stellung und in Communalämter über. Eine Verbindung des Schuldienstes mit bürgerlichem Haushalt und ehelichem Leben wurde als eigentlich unzulässig angesehen, und ließ man es dem Rektor noch hingehen, so verlangte man doch von dem Cantor entschieden, daß er unverheirathet sei und in der Schule wohne, um die Schuljugend besser beaufsichtigen zu können.




17) Hier sei erwähnt, was Schildt in seiner Geschichte des Bisthums Schwerin in der evangelischen Zeit (Jahrbb. XLIX, 1884, S. 258) notiert, daß um 1593 in Warnow ein Prediger Joh. Klodt sich vorfand, der gar keine Universität besucht, sondern seine ganze Ausbildung anfangs in der Schule zu Wismar, wo er geboren war, und darauf in der Stadtschule zu Sternberg erhalten hatte.
19) Franck nennt, wohl durch ein Versehen, Justus Gisenhagen (ebenso Cleemann).
20) Weiter beschuldigten ihn die Pastoren, daß er in den sieben Jahren seines Schuldienstes nur viermal zum Tisch des Herrn gekommen sei und zur Kirche nie anders, als wenn er - alle vierzehn Tage - des Singens wegen mußte. Auch sei er unpünktlich und aufsässig. „Kommt nach der Schule nicht mit einem Mantel, wie ihm Ambts halber gebührte, sondern im kurzen Zeuge alß ein Landsknecht mit einem Handtbeil daß ehr uff der gassen in den henden umbher geworffen.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens