Abschnitt 3

Die Reformation.


Außerdem blieben, wie schon erwähnt, noch mehrere ehemalige Lehen neben der Oekonomie gesondert bei Bestand und wurden als Schülerstipendien verliehen. Im Jahre 1617 waren es nach einem Bericht der Prediger noch folgende vier:


1) ein fürstliches Lehen, im Mühlenkamp fundirt, mit 18 fl jährlicher Rente, derzeit dem Sohn des Bürgermeisters Reich verliehen;

2) „Raths- und Crammonen-Lehn“ mit 20 fl Lüb. aus Rostock .;

3) ein „vom Rath und den Vikarien“ gestiftetes Lehn im Betrage von 5 Mk. Lüb., dessen Lehnwahr „vor langen Jahren den Predigern vom Rath abgetreten“ war;

4) das sog, „Schultzen- oder Schünemanns-Lehn“, im Betrage von 12 fl.

Endlich war seit 1584 noch hinzugekommen:

5) das Stipendium von 15 Mk. „aus St. Jörgens hebung und einkommen“, über welches ich schon in der Geschichte der Hofpitalien (Jahrb. LV, S. 174) Näheres mitgetheilt habe.

Verliehen wurden diese Stipendien zum Theil, wie wir sahen, nicht blos für die Zeit des Studiums, sondern noch darüber hinaus, auch wenn der Inhaber schon im Dienst der Schule oder Kirche stand, mitunter sogar auf Lebenszeit. Es ist dies noch eine Nachwirkung der vorreformatorischen Bestimmung dieser Stiftungen und war von großem Werte, solange in der Zeit des Ueberganges nach der Reformation die Einkünfte der Kirchen- und Schuldiener noch weniger fixirt waren. Mit der Zeit beschränkte sich die Verleihung auf die Zeit des Studiums, worunter aber nicht blos der Besuch der Universität, sondern auch der Besuch der auf dieselbe vorbereitenden gelehrten Schulen zu verstehen ist.

Man wird urtheilen dürfen, daß diese Umwandlung der Meßpriesterstiftungen in Schülerlehen eine durchaus angemessene Maßregel war, und daß die Reformation in diesem Punkte den alten Stiftungen erst zu wahrhaft segenbringender Verwendung verholfen hat. Was Sternberg betrifft, so ergiebt sich aus Obigem, daß hier namentlich seit 1584 solche Stipendien in verhältnißmäßig reichlichem Maße zur Verfügung standen, und es ist ohne Weiteres einleuchtend, daß dies auf die Aufnahme des Studiums und indirekt dann auch auf die hiesige Schule günstig einwirken mußte.

Welcher Art nun in hiesiger Schule seit der Reformation der Unterricht gewesen ist, darüber haben wir aus dem 16. Jahrhundert keine genauere Nachricht. Im Wesentlichen wird die innere Einrichtung der Schule, wenigstens seitdem sie mit zwei Lehrern versehen war, derjenigen gleich gewesen sein, welche für das 17. Jahrhundert bezeugt ist, und darf ich daher auf den nächsten Abschnitt dieser Darstellung verweisen. Im Allgemeinen ist zu beachten, daß im Unterschiede von der vorreformatorischen Zeit die Reformation dahin geführt hat, daß in den Schulunterricht die Unterweisung in der Religion als neuer und wesentlicher Gegenstand eingeführt wurde. Der oben angeführte Passus des Visitationsprotokolls von 1572 setzt als Aufgabe der Lehrer voraus, in erster Linie „die Jugend in gottes furcht nach Lehr des Catechismi auffzuerziehen“. Im Uebrigen ist bekannt, daß auch nach der Reformation die Schulen, auch in kleineren Städten, vornehmlich dazu dienen sollten, für gelehrte Bildung den Grund zu legen, weshalb der Unterricht im Lateinischen, auf Grund der melanchthonisch-humanistischen Unterrichtsreform, überwog. Auch in Sternberg wird es nicht anders gewesen sein. Doch wird der nächste Abschnitt zeigen, daß daneben die Unterweisung der nicht zum Studium bestimmten Jugend doch nicht vernachlässigt wurde.

Wie sehr die Sternberger Geistlichen, als Leiter des Schulwesens, auf die Unterweisung der gesammten Jugend bedacht waren, ergiebt sich daraus, daß sie auch - ein früher in Sternberg unbekanntes Novum! - eine Mädchenschule in’s Leben riefen. Im Schweriner Archiv findet sich von der Hand des Pastors Michael Gutzmer ein umfängliches Promemoria, überschrieben: „Gravamina, daruff von E. F. G. eine richtige dispositio oder Visitatio gebethen wirth.“ Es enthält in der Hauptsache Vorschläge bezüglich der Juraten der Kirche und der Hospitäler und ist die Grundlage für die in meiner Geschichte der Hospitalien (Jahrb. LV, S. 155 ff.) mitgetheilte „Ordnung“ von 1614, wird also kurz vor diesem Jahre abgefaßt sein. Einer der letzten Abschnitte dieses Schriftstückes nun bezieht sich auf die Mädchenschule und lautet: „33. Weilen wir auch mit großer Moye eine Megdekens Schole langerichtet, sintemal die Megdekens biß daher ohne Scholmeister gewesen, undt dieser Scholmeister ohne Besoldung nicht leben kann: daß Große gotteshauß aber eine zimliche einkunfft jerliches hatt, so wird gebeten, ob es nicht billich, daß darauß Jehrliches dem Megdekens Scholmeister 5 Mk besoldunge müege gegeben werden, welches ein geringer abgank, dem armen Manne aber eine große zusteuer ist, damit die megdekens müegen christlich erzogen werden.“ Wann diese Mädchenschule begründet wurde, ist nicht nachzuweisen, doch war sie im Jahre 1597 schon in vollem Bestand. Es ergiebt sich dies aus einem Schreiben des damaligen Pastors Werner Orestes an den Superintendenten zu Parchim, worin er empfiehlt den Thüringer Martin Noisser, welcher nebst seiner Frau die Mädchenschule in Sternberg mit sehr gutem Erfolge geleitet, nun aber wegen schlechten Einkommens eine bessere Stelle an der Knaben- und Mädchenschule zu Parchim sucht. Er erwähnt dabei, daß diese Mädchenschule die Zahl von 40 bis 50 Schülerinnen habe, und daß der Unterricht in „Lesen, Schreiben, Beten und andrer gottseligen Uebung“ bestanden habe. Nach dem Visitationsprotokoll von 1623 war der Unterricht in der Mädchenschule damals mit dem Organistendienste verbunden; die Prediger hatten „propria autoritate, ohne fürstlichen Consens und ratification“ 5 Mk. dem Organisten zur Mädchenschule aus der Oekonomie zugelegt; auch wurde jährlich etwas an dieser Schule auf Kosten der Oekonomie gebaut. Die Visitatoren waren mit dieser ganzen Einrichtung nicht zufrieden, sondern meinten, es wäre besser, wenn „die Megdekens Schule von einer Frauens-Person in der Stadt, wie in allen andern Städten gebräuchlich, bestellet und gehalten würde.“ Wir sehen aber, wie ernstlich seitens der Pastoren dahin gestrebt war, die Unterweisung auch der Mädchen zu organisiren, und können daraus schließen, daß sie nichts versäumt haben werden, um auch der nicht studierenden männlichen Jugend eine den damaligen Bedürfnissen entsprechende Schulbildung zu gewähren.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens