Abschnitt 2

Die Reformation.


Außerdem wurde bei dieser Visitation die Einrichtung getroffen, daß die „Schulgesellen“ fortan, was bisher nicht geschehen war, eine feste Besoldung aus der Oekonomie erhalten sollten. Bezüglich der Höhe derselben war man anfangs schwankend. Die vorgängige „Disposition“, wie sie bei Lisch S. 298 abgedruckt ist, faßte in’s Auge:


Dem Rectori Scholae 50 fl
Dem Conrectori 30 fl

zu geben. Dagegen besagt eine anscheinend zu Anfang der Visitation ergangene provisorische Verordnung:

25 fl dem Schulmeister
16 fl seinem gesellen.

Zu welchem Endergebniß die Visitation gelangt ist, ersehen wir daraus, daß die Register der Sternberger Oekonomie vom Jahre 1572/73 an bis auf weiteres unter den jährlichen Ausgaben verzeichnen:

52 Mk 8 ß [also 35 fl] dem Schulmeister
52 Mk 8 ß dem Cantor.

Die Visitation fand also als bestehende Einrichtung vor, daß die Sternberger Schule von zwei Lehrern verwaltet wurde, dem „Schulmeister“ oder „Rektor“ und „seinem Gesellen“, dem „Cantor“ oder „Conrektor“. 13) Welch ein Fortschritt gegenüber dem Einen „ungelehrten Schulmeister“ des Jahres 1541! Wir werden nicht irren, wenn wir das Verdienst dieser Neugestaltung dem ersten rückhaltlos evangelisch gesinnten Pfarrer von Sternberg zuschreiben, jenem Nikolaus Gisenhagen, welcher vermuthlich gleich nach dem Tode des Pfarrers Sperling 1552 das Pfarramt überkommen und bis an seinen Tod 1568 mit rühmlichem Eifer verwaltet hat. Wie es ihm möglich geworden ist, die Schule so zu heben, daß nunmehr zwei ständige Lehrer ohne feste Besoldung ihren Unterhalt finden konnten, darüber können wir nur Vermuthungen aufstellen.

In erster Linie werden sie auf das Schulgeld angewiesen gewesen sein, und wir müssen schließen, daß die Frequenz der Schule in dieser Zeit sich erheblich wieder gesteigert hatte. Allerdings scheint es, als ob bis 1572, da noch kein fester Schulgeldsatz bestand, die Lehrer ziemlich hohe Forderungen gestellt haben, da die Visitatoren sich veranlaßt sahen, ermäßigende Bestimmung zu treffen. Ferner enthält das Visitationsprotokoll von 1572 im unmittelbaren Anschluß an den angeführten Passus über die Schulgesellen die Bestimmung: „Von den Leichen soll den Reichen und vermögenden frei stehen ihres gefallens den Kirchendienern, doch nicht weniger denn VIII ß zu geben. Der gemeine man IIII geben. Die gar armen do nichts vorhanden ein par ß oder umb gottes willen zu begraben.“ Ohne Zweifel bezieht sich dies auf die den Schulgesellen für Leichenbegleitung zustehenden Gebühren; und wir werden anzunehmen haben, daß dieselben, wie es auch späterhin der Fall war, einen Theil ihres Einkommens aus Kirchendiensten bezogen. Auch die für spätere Zeit als altherkömmlich bezeugte Einrichtung der mensa cursoria - Herumspeisen der Lehrer in den Bürgerhäusern - wird in diese frühe Zeit zurückreichen. Und freie Wohnung hatten sie beide in dem von Alters her bestehenden Schulhause.

Wenn aber mit alledem doch sicherlich nicht ein auskömmliches Einkommen geboten war, da die Visitation von 1572 die so erhebliche Summe von 35 fl für jeden als Fixum aus der Oekonomie anzusetzen sich entschloß, so drängt sich weiter folgende Annahme auf. Es ist bekannt, daß die Sternberger Kirche in vorreformatorischer Zeit mit einer überaus großen Zahl von Lehen bewidmet war, welche zur Unterhaltung ständiger Vikarien bestimmt waren. Es hat sich auch das Vikarienwesen in Sternberg verhältnißmäßig lange in die reformatorische Zeit hinein gehalten. Allmählich aber nahm die Zahl der Vikarien ab. Von den Lehen nun mögen zwar einige in der Zeit der Verwirrung seitens der Zahlungspflichtigen zurückbehalten worden sein; doch habe ich Grund zu glauben, daß die weitaus meisten dieser Einkünfte für Sternberg erhalten geblieben sind.

Wahrscheinlich im Jahre 1572 wurden die noch vorhandenen Lehen, mit Ausnahme einiger, welche als Schülerstipendien für sich weiter bestanden, mit der Sternberger Kirchenökonomie zur Aufbesserung derselben vereinigt, welche dadurch in den Stand gesetzt wurde, unter Anderm auch wie erwähnt den beiden Lehrern ein festes Jahrgehalt zu reichen. Fragen wir nun, wozu diese Lehen vor 1572 verwendet worden sind, so liegt die Vermuthung nahe, daß sie, außer zu Schülerstipendien, zum Theil auch dazu gedient haben werden, eben diesen Lehrern einen allerdings immer nur prekären Unterhalt zu gewähren. Die Visitation von 1572 hat dann dies Provisorium in ein Definitivum umgewandelt und dabei vermuthlich das Einkommen etwas erhöht.

Zum Theil sind aber diese Lehen, als sich keine Meßpriester mehr fanden, die damit belehnt werden konnten, in Schülerstipendien umgewandelt worden, und es sind dadurch nicht unerhebliche Mittel zur Beförderung höheren Bildungsstrebens nutzbar gemacht. Zwei solcher Stipendien sind schon von Lisch S. 247 erwähnt worden: im Jahre 1558 verlieh der Pfarrer Nikolaus Gisenhagen seinem Sohne Johannes, damaligem Schüler, als Stipendium ein Lehen, welches früher zur Unterhaltung einer Vikarie an der Sternberger Kirche gestiftet war (sacerdotium beato Martino in cathedrali Ecclesia Sternbergensi dicatum), und über welches dem jedesmaligen Pfarrer die Lehnwahr (Patronat) zustand. Und eben demselben Johannes Gisenhagen verlieh 10 Jahre später, 1568, Reimar von Plesse ein zweites, von seinen Vorfahren ebenfalls als Vikariatslehen gestiftetes Stipendium, welches schon der Vater von 1556 an bis zu seinem Tode innegehabt hatte. Nachdem die meisten der ehemaligen Meßpriesterstiftungen zur Oekonomie gelegt waren, wurden doch noch längere Zeit aus derselben Schülerstipendien gereicht. So finden wir, daß der spätere Sternberger Prediger Bernhard Caloander, ein gebürtiger Sternberger, 5 Jahre lang, von 1584-89, während er in Braunschweig die Schule und dann in Rostock die Universität besuchte, jährlich ein Stipendium von 19 Mk. aus der Oekonomie bezog, welches er 1589 zur Fortsetzung seiner Studien noch über die eigentlich bestimmte Zeit hinaus genießen zu dürfen erbat. Ebenfalls von 1584 an auf 5 Jahre wurde ein Stipendium von 12 Mk. aus der Oekonomie an Michael Jordan verliehen, welcher Anfang des 17. Jahrhunderts in Sternberg Cantor, dann Rektor war. Beide Stipendien hatte bis 1584 Joachim Divack, ein Sternberger, damals Conrektor in Schwerin, genossen. Im Jahre 1612 wird auf Vorschlag der Prediger zum Cantor berufen „der gute arme geselle Jochimmus Kramber, unser kirchen stipendiarius, civis Sternbergensis, welcher in theologia et artibus humanioribus rühmlich studiert und 6 Jahre lang das Stipendium genossen hat.“




13) Den Titel „Conrektor“ finde ich nur in der oben angeführten „Disposition“, dagegen sonst immer den Titel „Cantor“, welcher auch bis zur Aufhebung dieser zweiten Lehrerstelle im Jahre 1758 durchgängig in Anwendung geblieben ist. Aus dem Jahre 1653 findet sich bezeugt, daß dieser zweite Lehrer den gesammten, ein wesentliches Stück der Schulunterweisung bildenden Singunterricht zu ertheilen hatte. Wahrscheinlich ist dies von Anfang so gewesen, und daraus erklärt sich die Wahl des Titels „Cantor“. Dagegen lag die Gesangleitung bei den Gottesdiensten beiden Lehrern gleichmäßig ob, indem dieselben damit wochweise abwechselten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens