Abschnitt 1

Die Reformation.


Von Seiten des Kirchherrn, welcher in erster Linie für die Gestaltung der Schule zuständig war, war auch im Jahre 1541 noch keine Mitwirkung zur Umgestaltung derselben zu erwarten. Kirchherr war damals seit dem Jahre 1538 Johann Sperling, ein Mann, welcher zwar nicht mehr durchaus ein Anhänger des Alten gewesen zu sein scheint, aber auch nicht gewillt war, zur Beförderung der evangelischen Sache thätig zu werden. Als 1541 die vom Herzog Heinrich angeordnete Visitation stattfand, zog er es vor, zu verreisen: die Visitatoren berichteten, er sei „nicht inheimisch gewesen“. Faustinus Labes, nachdem er lange vergeblich auf eine Aenderung gewartet hatte, verzagte schließlich und begehrte, von Sternberg versetzt zu werden. Da waren es Fürst und Magistrat, welche aus eigener Initiative und auf ihre Kosten die Schule zu erneuern planten. Bei Gelegenheit persönlicher Anwesenheit des Herzogs in Sternberg im Jahre 1540 wurde, anscheinend auf Anregung des Herzogs, ins Auge gefaßt, zur Hälfte aus fürstlichen, zur Hälfte aus städtischen Mitteln eine Summe von jährlich 20 Gulden (= 30 Mark) als feste Besoldung für den Schulmeister auszuwerfen. Fraglich könnte erscheinen, ob nicht die Absicht war, einen zweiten Lehrer neben dem vorhandenen zu berufen; doch ist entschieden wahrscheinlicher, daß der zu Berufende an die Stelle des letzteren treten sollte. Der Kirchherr, über dessen Kopf hinweg dies geschehen sollte, scheint gewillt gewesen zu sein, keinen Widerspruch zu erheben.


Wenn dieser Plan zur Ausführung gekommen wäre, so würde freilich die Schule mit einem Schlage gründlich umgestaltet worden sein. Sie wäre aus einer lediglich vom Kirchherrn geleiteten eine städtisch subventionirte landesherrliche Einrichtung geworden. Neu war auch das Prinzip einer festen Besoldung des Schulmeisters aus öffentlichen Mitteln. Daß man sich genöthigt sah, dazu zu greifen, um der Schule wieder aufzuhelfen, erklärt sich hinreichend bei der Erwägung, daß inzwischen manche kirchlichen Nebeneinnahmen in Wegfall gekommen sein werden. Uebrigens war die genannte Summe in der That für damalige Zeit hoch genug, um zu der Hoffnung zu berechtigen, daß man „daruff wol einen gelerten gesellen vberkomen“ könnte.

Daß aber dieser Plan nicht zur Ausführung gekommen ist, glaube ich mit Wahrscheinlichkeit annehmen zu dürfen. Wenigstens war im darauf folgenden Jahre 1541 die Sache noch nicht einen Schritt weiter gerückt, und Faustinus Labes hatte offenbar gar keine Hoffnung mehr, daß sie zur Ausführung kommen möchte. Vor Allem aber spricht Folgendes dagegen.

Im Jahre 1609, anläßlich eines weiterhin zu besprechenden Falles, berufen sich die damaligen Sternberger Geistlichen, Caloander und Gutzmer, darauf, es sei „von undencklichen Jahren her, solange zum Sterneberge Schole gehalten worden, alhie gebreuchlich gewesen“, daß die Geistlichen allein, ohne irgend welche Betheiligung der fürstlich bestellten Superintendenten, die Lehrer an der Schule berufen, bestätigt und eingeführt hätten; es würden dies alle diejenigen bezeugen, „welche hier die Schole bedient, welche theils noch leben und in Pommern und anderswo die kirche Gottes bedienen“; insbesondere machen sie drei Zeugen hiefür namhaft: „1) Ein alter abgelebter Prediger zu Pressentin, so ungefehr für 60 Jahren [also um 1550] die Sternebergische Schole bedienet, bekennt, daß er von den Sternebergischen Predigern zum Scholamte bestellet worden; 2) Jochimmus Orthmann, kemmerer und rathsverwanter zu Parchim, der für etzliche dreissich Jahren [also in den 70er Jahren] Rector scholae nostrae gewesen; 3) Nicolaus Gisenhagen, fürstlicher Wittwen zu Grabouw hoffprediger, der für 26 Jahren Cantor alhie gewesen.“ 10) Es ist kein Grund, diese Tradition anzufechten; sie reicht zurück bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts, also bis nahe an die Zeit, wo die fragliche Einrichtung getroffen sein müßte; wäre diese in’s Leben getreten, also der Schulmeister ein vom Fürsten Besoldeter gewesen, so wäre in der That unbegreiflich, daß nicht bei seiner Berufung eine entscheidende Mitwirkung des Superintendenten stattfand. 11)

Man wird also annehmen müssen, daß der in Rede stehende Plan - unbekannt aus welchen Ursachen - nicht zur Ausführung gekommen ist, sondern daß es auch nach 1541 wie seit Alters vorläufig dabei geblieben ist, daß die Oberleitung der Schule und insbesondere die Berufung der Lehrer durchaus in der Hand des Pfarrherrn lag. Was also in den nächsten Jahrzehnten zur Hebung der Schule geschehen ist, wird in erster Linie auf die Geistlichen zurückzuführen sein.

Im Jahre 1572 fand in Sternberg die erste durchgreifende Kirchenvisitation statt. Sie erstreckte sich auch auf die Schule, hatte hier aber in der Hauptsache nur zu constatiren, daß die Reorganisation der Schule schon durchgeführt war. Es heißt in dem Visitationsprotokoll:

20 März 1572.


„Die Schulgesellen seind auch für erfordert und mit vleiß ermahnet, das sie nicht allein für sich selbst in ihren studiis embsig verfahren, sondern auch die Jugend, so ihnen bevohlen in gottes furcht nach Lehr des Catechismi und in guten freyen künsten und erbarn sitten auffzuerziehen, und Ihnen mit gutem exempel vorzugehen auch sonsten sich für ergerlichem Leben, das sie desselben nicht beschuldigt werden mögen zu hüten. Auch von den armen knaben nichts, von vermügenden ein ziemblichs, ungevehr 2 ß alle quartahl nemen. Sollen ihr supplicacion, darin sie Ihr mengel fürgebracht, Lateinisch.

Haben sich darauff zu aller billigkeit und gebührendem gehorsam erboten, das über sie kein klag kommen soll. Die supplicacion haben sie deudsch übergeben, weil sie gewähnet solchs die gewohnheit sein.“




10) In der That wird „Nichlawes der cantor“ in den Oekonomie-Registern von 1581/82 und 1582/83 erwähnt.
11) Wollte man entgegenhalten, daß etwa der Herzog seinen Beitrag zum Gehalt des Schulmeisters auf die Sternberger Kirchenökonomie gelegt haben möchte, so steht dem entgegen, daß die Register derselben erst vom Jahre 1572 an, auf Grund eines Beschlusses der Visitation von 1572, eine Ausgabe für Lehrergehälter verzeichnen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Sternberger Schulwesens