Abschnitt. 6

Bei Erklärungen habe ich mich immer an die leichteste gehalten, weil ich sie für die natürlichste, und darum wieder für die richtigste hielt, obgleich ich sehr wohl weiss, dass mancher Erklärung schon als Tadel nachgesagt ist: sie sey schon gut, wenn sie nur nicht so leicht wäre. — Folgen vielleicht die Ereignisse in einem künstlichen oder in einem einfachen natürlichen Zusammenhange? Ich habe mich überhaupt bemüht dieser Arbeit das möglichst einfachste Gewand zu geben. — Es werden anderwärts oft eine Menge Diplome nur herbeigezogen, um über deren Ächtheit oder Unächtheit ein Breites und Gelehrtes zu reden, an einer Indictio zu mäkeln, oder am Inhalte zu zweifeln; und solche Erörterungen sind immer wahre Glanzpunkte. — Es wird Niemand; zum Vorwurf gemacht, ein Document, wenn auch ohne allen Grund zu bezweifeln, denn dies zeugt immer von - Scharfsinn; wehe aber dem, der eine Urkunde benutzt, die späer für falsch ausgegeben wird, hic niger est, er ist ein träumender Historiker ohne Kritik! Und das Bezweifeln, — ist es in der That eine so grosse Sache? Wer darauf ausgehen will, Urkunden verdächtig zu befinden, dem werden wenig überhaupt aufstossen, wobei sich gar nichts erinnern liesse. — Um Platz für dem Zweck entsprechendere Untersuchungen zu gewinnen, habe ich solche Diplome, die mir zweifelhaft schienen, ohne sie zu benutzen, stillschweigend übergangen, und nur solche zu Beweisen citirt, bei deren Ächtheit, soviel ich weiss und beurtheilen kaim, überall kein Zweifel obwaltet.

Einzelne Abschnitte, die nicht wohl übergangen werden konnten, z. B. Eintheilungen in Sachsen, namentlich in Gaue, sind anscheinend ein wenig stiefmütterlich behandelt; allein eine gründliche Abhandlung dieserhalb bedarf, wie die ähnliche Wersebe’sche, nicht allein einer Anführung aller Diplome auf welche sich eine definitive Bestimmung stützt, sondern auch einer Widerlegung aller Diplome, welche hiegegen zu sprechen scheinen. Ein Jeder weiss nämlich, dass eine Gau-Geographie des Mittelalters ein so verwickeltes Studium abgiebt, dass man fast allenthalben die widersprechendsten Bestimmungen sorgfältig in Einklang zu bringen hat, und selten so glücklich ist, allein auf positiven Bestimmungen und Quellen die nicht durch andere Angaben wieder absorbirt werden, fortbauen zu können. — Daher genügt es noch nicht, für jeden Gau ein Paar Diplome nur einseitig angeführt zu haben, wie Leutsch in seiner sonst vortrefflichen Arbeit; dergleichen sind leicht zu finden, wenn man nur die Namen jedes Gaues in den bekannten niedersächsischen Werken von Falke, Leibnitz, Lindenbrog, Meibom u. s. w. nachschlägt; dahingegen würde eine solche sorgfältige Abhandlung wie oben angedeutet ist, allein schon den Raum des ganzen Werks für diesen Gegenstand in Anspruch nehmen. — Ich habe diesen anscheinenden Mangel durch die Charten zu ersetzen gesucht; sie sind das Resultat einer solchen sorgfältigen langen Untersuchung. — Es wird speciell p. 232. und vorzüglich not. 21. schon darauf verwiesen, wesshalb ich mich hier enthalte, mehr darüber zu sagen. — Die Diöcesangränzen zugleich auf die Charte der Gaugränzen zu übertragen muss Andern überlassen bleiben, — mir schien es auch unter andern die Angaben der einen Charte ein wenig zu verwickeln. — Es ist ja auch eine kleine unbedeutende Arbeit, die fast schon nach dem blossen Augenschein ausgeführt werden kann. Unter der Bezeichnung: „Mercatorum itinera“ habe ich auf der einen Charte diejenigen öffentlichen Wege angegeben, welche sich urkundlich aus den Quellen für die Zeit von 804—1180 nachweisen lassen. — Die muthmasslichen Verbindungen grösserer Orte, deren ohne Zweifel noch eine Menge Statt fanden, habe ich unberücksichtigt gelassen. —


Eine unbedeutende und oberflächliche Kenntniss der Geschichte jener Jahrhunderte stellt solche leicht her. — Zugleich bemerke ich nur noch, dass meine Charten hauptsächlich Gränz-Charten seyn sollen’, daher sind meistens nur die Punkte angegeben, welche in den Diplomen grade die Gränze gegen einen andern Gau oder eine andere Diöcese bestimmen. — Die inneliegenden Orte sind also auch nicht weiter bezeichnet, für diese giebt es Angaben und Charten ohnehin genug.

Wenn man bedenkt, dass die vorliegende Arbeit direkt seit 1834, — einzelne Punkte daraus seit einer längern Zeit, — mich beschäftigt, so wird man mir es nicht verdenken, wenn ich Einzelnes, was sich übereinstimmend in andern seitdem erschienenen Werken findet, nichts desto weniger als von mir unabhängig gefunden, habe stehn lassen, und kein Citat aus solchen Werken untergesetzt habe; ich nenne unter andern hier nur Gaupp’s neuestes Werk über die Lex Saxonum, und das frühere kleinere von Hildebrand, de veterum Saxonum republica. — Namentlich in diesem „Werkchen hat mich manche Übereinstimmung der Resultate gefreut, z. B. Zweifel an der Todesstrafe bei den Heirathen zweierlei Stände, unerschwingliche Höhe des Wehrgeldes u. a. m. — Doch ich hätte auch diesen Punkt eben so gut ganz übergehn können, denn wenn meine Arbeit selbst darüber mich nicht rechtfertigt, dass ich jeden Punkt selbstständig untersucht und so meine Resultate gefunden habe, so wird es eine weitausgeführte Versicherung dieserhalb wahrhaftig auch nicht thun.

Ob eine Fortsetzung dieser Arbeit, die für die folgende Zeit schon bei weitem vollständiger ausfallen müsste, wünschenswerth sey, darüber mögen zuvor die Gelehrten ihr Urtheil abgeben. — So ohne weiteres eine solche zu übernehmen und zu vollenden wage ich nicht, denn ich möchte nicht gern zu denen gezählt werden, die die Masse der Bücher mit Produkten vermehren, deren Existenz oder Nicht-Existenz nicht allein gleichgültig ist, sondern wovon die letztere sogar am wünschenswerthesten wäre.

Die übriggebliebenen einzelnen kleineren Druckfehler wird der Leser bei der Durchsicht am besten und leichter verbessern, als wenn er danach erst nach Angabe eines Direktorii suchen müssten.