Abschnitt. 1

Indem ich die nachfolgenden Bogen, deren Inhalt schon einmal bei Gelegenheit der Göttinger Jubilarfeier besprochen ist, dem Publikum übergebe, könnte ich mich fast versucht fühlen, eine Vorrede dazu zu liefern, die dem Buche selbst im Umfange nicht nachstände, so mancherlei ist das, was ich bei einer neuen Beurtheilung für mich zu erbitten habe.

Schon der Titel würde vielleicht richtiger lauten: Niedersächsische Fragmente, oder: Beiträge zur niedersächsischen Geschichte, — doch ist dies das wenigste. — Den Gesichtspunkt, von welchem aus die Begebnisse aufgefasst und dargestellt seyn sollen, ergiebt schon die Aufforderung zur Concurrenz in den Göttinger gelehrten Anzeigen vom 8. Mai 1834 und daselbst Stück 74, auf die ich hier lediglich verweise, und dieses genaue Vorschreiben, wie der Stoff behandelt werden müsste, enthält zugleich die Rechtfertigung, warum den Kapiteln, welche vorzüglich die chronikonartige Darstellung der einzelnen Begebenheiten enthalten, nur ein kleiner Raum gewährt werden konnte.


In voraus jedoch muss ich bemerken, dass die vorliegende Arbeit weder wie ein Hand- noch wie ein Lehrbuch angesehn werden solle. — Ich rechtfertige die Art meiner Bearbeitung in Folgendem.

Die bis in’s Einzelne gehende innere Geschichte eines Volksstamms wird niemals in die Hände des grossen Publikums gerathen; dies hält sich an die äussere Geschichte, erfreut sich an einer Beschreibung von Kriegen, Schilderung von Helden u.s.w. — Nur das kleine Publikum historisch Ausgebildeter will eine andere Auffassung. Wer nun dies vor Augen habend in diesem Sinne schreibt, hat dafür auch in mancher Hinsicht einen grossen Vorzug, — namentlich bei der Special - Geschichte. — Man darf einmal die ganze äussere Geschichte als bekannt voraussetzen, und wo man weiter zur Geschichte der einzelnen Institute eines besondern Volksstamms übergeht, braucht man wiederum aus eben dem Grunde nicht erst einen Einleitungs - Paragraphen welcher: „hierüber im Allgemeinen“ handelte, vorauszuschicken.— So gewinnt man Raum für das wirklich Specielle. — Ganz streng freilich habe ich diesen Grundsatz bei den deutschen Historikern noch nicht in Anwendung bringen sehn, sondern man muss allenthalben unendlich viel des Allgemeinen mit in den Kauf nehmen. — Ich wage, eben des Mangels an Vorgängern wegen, auch nicht, zu bestimmen, ob die Art und Weise, wie ich innere Special-Geschichte aufgefasst wünsche 1), die einzig richtige sey; nur das bitte ich zu bedenken, dass ich für meine Darstellung keine andere Form wählen konnte, indem schon das Thema, welches dafür bis ins Einzelne genau vorgeschrieben war, dies so verlangte. — Denn Alles das sollte ausgeschlossen bleiben, was die Sachsen als Beitrag zur allgemeinen deutschen Geschichte liefern; dies konnte unmöglich anders aufgefasst werden, als dass Alles das zurückbleiben solle, was als vom Allgemeinen nicht verschieden, in diesem verschwindet, und wofür schon eine allgemeine deutsche Geschichte die Darstellung übernommen hat, oder dies wenigstens gethan haben müsste.

Ich habe mich demnach darauf beschränkt, nur solche Data abzuhandeln, welche ganz speciell Niedersachsen angehn. — Wo es unvermeidlich war, an der allgemeinen deutschen Geschichte etwas näher herzustreifen, habe ich mich nur da verführen lassen, auf deren Gebiet überzutreten, wo ich eine andere Ansicht der Ereignisse und Begebenheiten habe, als diejenige, welche im Allgemeinen im Schwunge ist. — Dahingegen habe ich selbst von der sächsischen Geschichte aus meiner Darstellung da alles fortgelassen, wo ich den Resultaten, welche unsre bewährtesten Geschichtsforscher gefunden, nichts Neues hinzuzusetzen wusste. — Ich durfte dies thun, da es mir fern lag, ein systematisches Hand- oder Lehrbuch zu liefern, wie ich schon oben bemerkte. — So z. B. hielt ich es überflüssig, viel über Cerocensualen zu sagen, einmal, weil sich solche mehr einem allgemeinen Institut, der Kirche, anschliessen, und dann, weil das, was Sachsen dieserhalb Eigenes zu liefern hat, schon von der westphälischen Schule, der ältern so wie der neuern, zur Genüge und auf’s Schönste in’s Licht gestellt ist. Ähnlich ist mit andern Instituten verfahren.

Nur niedersächsische Geschichte 2), und solche nur bis zum Jahr 1180 wollte ich bearbeiten; das Einzige, was ich bei meinen Bemühungen dieserhalb in Anspruch nehme, und es mit vollem Rechte darf, ist Selbstständigkeit der Untersuchung.



1) Nur bei der Specialgeschichte eines einzelnen Instituts muss ein allgemeiner Paragraph vorangehn, weil dies Institut in seiner Ausbildung bei verschiedenen Völkern oder Stämmen verfolgt wird. — Eine Specialgeschichte der Grafenverfassung muss z.B. einen allgemeinen einleitenden Paragraphen haben; eine Specialgeschichte der Sachsen, wenn sie zu den Grafen kommt, kann einen Einleitungs-Paragraphen: ,,über Grafen-Verfassung im allgemeinen“ recht wohl entbehren. — Dies ist etwas, was für allgemeine deutsche Geschichte gehört.
2) Diesem Grundsatz gemäss ist das zu beurtheilen, was ich über den sächsischen Krieg unter Heinrich IV. gesagt habe. — Die übrigen Verzweigungen und Zwecke jenes ausserhalb Sachsens lagen mir fern. — So bei andern Gegenständen.