Abschnitt 9

Postwesen 1785-1842-Landespost-1785-1837


Die einzelnen Ober-Postämter hatten monatlich über ihre Wahrnehmungen beim Briefverkehr Bericht zu erstatten; auf die regelmäßige Einsendung der Berichte wurde strenge geachtet und mancher Postdirektor, dem das Ueberwachungssystem zu seinen politischen Anschauungen nicht paßte und der sich in dieser Beziehung Nachlässigkeit zu Schulden kommen ließ, zog sich ernste Rügen zu. Als dann die ersten dunklen Gerüchte von den Mißerfolgen der großen Armee nach Meklenburg drangen, hob der Herzog durch Verordnung vom 3. Oktober 1812 das Ueberwachungssystem auf, befahl aber, die durch die Ungewißheit der neuen Lage gebotenen Vorsichtsmaßregeln nicht außer Acht zu lassen. Verdächtige Briefe fanden sich fortan nicht mehr vor.


Weniger erniedrigend, aber um so lästiger war für die meklenburgische Postverwaltung die Befriedigung eines anderen Bedürfnisses der französischen Machthaber, die Regelung und der Betrieb des außerordentlich lebhaften Estaffettenverkehrs der französischen Behörden innerhalb des Landes und über die Grenzen desselben hinaus. Die vorhandenen Postverbindungen genügten der allzeit argwöhnischen, aber thatkräftigen französischen Verwaltung nicht. Sie hatte ihr Ziel in Deutschland erreicht, weil sie wie ein Sturmwetter über das Land hergefallen war und hier die alten, morschen Verhältnisse über den Haufen geworfen hatte. In der Schnelligkeit, mit der die Franzosen alles anfaßten, lag der Kern ihrer Uebermacht. Deshalb reichten auch die langsamen Postverbindungen an keinem Orte für ihre Zwecke aus.

Zur Herstellung einer gesicherten und geschwinden Verbindung zwischen Paris und den unterworfenen Ländern hatte Napoleon die Anlegung großer Kurier- und Estaffettenkurse angeordnet. Der durch Meklenburg verlaufende Kurs war in nachfolgendem kaiserlichen Dekret angeordnet:

au Palais des Tuileries, le 5. avril 1811.

Napoleon etc.

Nous avons décrété et décrétons ce qui suit: Il sera établi une Estaffette de Hanibourg à Stettin et de Stettin à Dantzig. Cette Estaffette correspondra pour l'arrivée et le départ avec l'Estaffette établie de Paris à Hambourg par Wezel. Elle partira trois fois par semaine. Nos ministres des finances et de la guerre sont chargés de l'exécution du present décret.

gez. Napoléon.

Bald darauf theilte die Kammer dem französischen Postdirektor Gonze in Hamburg mit, daß der Kurierkurs auf meklenburgischem Gebiet angelegt sei und über die Städte Gadebusch, Schwerin, Güstrow, Laage und Demmin verlaufe - der uralte Hamburg - Danziger Botenkurs war damit, allerdings aus anderer Ursache und nur zufällig auf derselben Straße, wieder in alter Ausdehnung ins Leben gerufen. Die französische Verwaltung zahlte die Rittgebühren mit 1 fr. 50 cts. pro Meile. Die Vergütung wurde grundsätzlich immer nur für ein Pferd gezahlt, auch wenn für einen Ritt mehr Pferde eingestellt werden mußten. Die Postämter an den Stationsorten erhielten Weisung, ständig ein Pferd und einen berittenen Begleiter, der das Kurierpferd zurückbringen mußte, bereit zu halten und bei Ausübung des Kurierdienstes die äußerste Betriebsamkeit und Schnelligkeit zu bezeigen. Da den Franzosen die Beförderung aber nicht schnell genug von Statten zu gehen schien, schrieb der Prinz von Eckmühl am 29. April 1811 an Herzog Friedrich Franz: "J'avais prescrit au Directeur des postes françoises de se concerter avec celui du Duché de Votre Altesse Sérénissime, afin de convenir ensemble des arrangements à prendre pour que l'estaffette puisse courir sans avoir de guide, ainsi que cela se pratique en France. Je viens d'être informé que l'office des postes a refusé de se prêter à l'introduction dans les Etats de V. A. du mode de service proposé. J'ai tarit lieu de croire que ce refus ne provient que d'un malentendu du directeur des postes de Mecklenbourg qui n'aura pas compris, que l'on demandait de lui, et je ne doute pas, que cette difficulté ne soit levée aussitôt que V. A. S. en anra connaissance. Je charge un officier de mon état majeur de se rendre dans le Mecklenbourg pour reconnaître la route qu'il conviendra de tracer pour la marche de cette estaffette et pour placer dans chaque station un soldat de sauvegarde chez chaque maître de poste, afin de veiller à ce qu'il ne leur soit point fait de demande injuste et à ce que l'estaffette soit promptement, service de jour ou de nuit. Je prie V. A. S. de donner des ordres sur la ligne que parcourt l'estaffette, afin de prévenir toute discussion et lever tous les obstacles."

Nun ergingen schärfere Verordnungen, und die bei den Postmeistern einquartierten Soldaten sorgten dafür, daß Versäumnisse nicht vorkamen; in Güstrow wollte trotzdem die erforderliche Pünktlichkeit nicht eintreten, weshalb der französische Wachsoldat hier die gemessene Instruktion erhielt: "En cas de mauvaise volonté dans le service de la poste soit de la part du maître ou des postillons, le soldat de planton m'adressera sa plainte, afin que sur le champ j'envoie une forte exécution militaire chez le contrevenant.

Au quartier général à Rostock, le 24. Decbr. 1811.
gez. Baron F. Gallifet."

Derartige Maßregeln rnochten jedenfalls erforderlich sein, denn für die Postämter stellte sich bald die Unmöglichkeit heraus, die erforderlichen Pferde bereit zu halten, da Niemand seine Pferde dem anstrengenden, zeitraubenden Kurierdienst aussetzen wollte, Außerdem war kein Fuhrmann geneigt, seine Pferde zu dem Satz von 1 fr. 50 cts. - 18 ß. pro Meile herzugeben; es blieb also nur übrig, da von den Franzosen ein höherer Satz nicht zu erlangen war, das Mehrerforderliche aus der Postkasse zuzuschießen. Wie sich nun die Kosten vertheilten, Lehrt ein Beispiel. In Güstrow waren im Oktober 1811 34 Kuriere abzufertigen; die französischen Behörden zahlten hierfür 30 Rthlr. 36 ß., aus der Postkasse wurde der Rest und der Betrag für das zweite Kurierpferd mit 61 Rthlr. 28 ß. gezahlt. Aehnlich lagen die Verhältnisse an allen übrigen Orten, und eine Aenderung trat auch nicht ein, als der Kurs über Lübeck, Dassow, Grevesmühlen, Wismar, Bukow, Kröpelin, Doberan, Rostock und Ribnitz verlegt wurde. Die Schwierigkeiten mehrten sich nur, Pferde zu erlangen. Jetzt betrug die von den Franzosen für die Kurierpferde gezahlte Entschädigung allerdings schon 20 ß, die wirklichen Kosten aber auch schon 32 ß. pro Pferd und Meile. Gleiche Kurse waren über Boizenburg und Lübtheen nach Lenzen eingerichtet. Wie umfänglich der Kurierdienst war, ist daraus zu entnehmen, daß das Postamt in Dassow im Februar und März 1812 125, das Postamt in Wismar 80 Kuriere abfertigte, und daß in der Zeit vom Juni bis Oktober 1812 für 245 Kuriere in Lübtheen ein Zuschuß von 620 Rthlr., für 245 Kuriere in Boizenburg ein Zuschuß von 480 Rtlhr. aus der Postkasse gezahlt werden mußte.

Zu einem so lebhaften Dienst reichten natürlich die Pferdebestände der kleinen Landorte nicht aus, die Postämter hatten daher die geheime Instruktion, für die Postverwaltung Pferde aufzukaufen und mit diesen die Ritte besorgen zu lassen. An den Orten, wo auch das nicht angängig war, suchte Lehsten die Verbindlichkeit zur Pferdelieferung auf die Kommünen abzuwälzen, da es sich um eine militärische Maßregel handelte; schließlich aber mußte Lehsten doch immer eingreifen, da die Städte ohnehin schon mit den zahllosen Einquartierungen überlastet waren. Der Schaden, welcher der Postkasse aus dem Kurierdienst erwuchs, ist für die Jahre 1811 und 1812 auf mindestens 20000 Rthlr. Zu veranschlagen, denn zuletzt waren nur noch Pferde gegen Rittgebühren von 40 ß. oder 1 Rthlr. für die Meile zu haben. Der Kurierdienst hörte auf dem nördlichen Kurse im April 1812 auf, während er auf der Strecke Boizenburg - Lenzen noch bis zum Februar 1813 in Betrieb war.

Lehsten hatte unter solchen Umständen eine aufreibende Thätigkeit zu entfalten, die ihm das Amt eines Generalpostmeisters hinlänglich verleiden mochte. Seine Stellung wurde aber noch schwieriger, als die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1813 die kaum aus dem Lande verscheuchten Franzosen unter dem Prinzen von Eckmühl, Davoust, und dem noch heute in Meklenburg besonders verhaßten General Loison zurückbrachten. Wie bei ihrer früheren Anwesenheit belegten sie sofort nach ihrem Eintreffen in einem Orte die Postkassen und die Korrespondenz mit Beschlag. Zahlreich waren die Klagen, welche jetzt wieder bei der Generalpostdirektion einliefen. Die Stellung der Postoffizianten war damals eine besonders gefährdete, denn in den Postmeistern sahen die Franzosen allzeit Spione, die im Interesse der verbündeten Mächte thätig waren. Manchem Postmeister bekam dieser Verdacht schlecht. Postrath Wildfang wurde im September 1813 in Boizenburg von den Franzosen aufgehoben und mit anderen angesehenen Bürgern der Stadt nach Lauenburg und später nach Hamburg geschafft, wo sie bis Ende Oktober in strenger Haft gehalten wurden und einem schlimmeren Schicksal nur durch den eiligen Abzug der Franzosen entgingen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens