Abschnitt 8

Lehsten hatte mit Julliac vereinbart, daß die französischen Posten zu derselben Zeit wie früher unter meklenburgischer Verwaltung von Hamburg abgehen, daß die früheren Taxen, sowie die bisherige Expeditionsweise beibehalten werden sollten. Man kümmerte sich aber französischerseits um die Konvention sehr wenig, von der man gleich anfangs behauptete, daß sie in Paris nicht bestätigt sei.

Im April 1811 wurden bereits die Güstrower und Ludwigluster Posten nach Hamburg ganz mit dem Hamburg - Lenzener Kurse verschmolzen. Eine große Zahl von Sendungen nach Meklenburg wurden demnächst mit dieser Post bis Lübtheen befördert und hier erst der Landespost ausgehändigt. Die nach Meklenburg bestimmten politischen Zeitungen mußten von dem französischen Ober-Postamte in Hamburg bezogen werden, welches für jede Nummer 5 Cts. Aufschlag berechnete. Ueber die Anwendung der Taxen bestanden zwischen französischen und meklenburgischen Postämtern von Anfang an Schwierigkeiten, da die französische Verwaltung vielfach willkürliche Gebühren erhob. Die Ausgleichung aus den gegenseitigen Abrechnungen kam von vornherein ins Stocken, und die Reklamation der meklenburgischen Postämter wurde unter dem naiven Einwande zurückgewiesen, daß nach den bestehenden Gesetzen Baarschaften nicht aus dem Lande geschafft werden dürften.


Die Unzufriedenheit über die französische Mißwirthschaft und die Eingriffe in Gesetz und Ordnung waren nach kurzer Zeit allgemein geworden. Von allen Seiten liefen bei der General-Postdirektion Klagen der meklenburgischen Postämter über immer neue Rücksichtslosigkeiten der französischen Behörden ein, und doch mußte Meklenburg alles vermeiden, was Mißfallen bei den französischen Behörden zu erwecken vermochte.

Der Zwang der Zugehörigkeit zum Rheinbunde machte sich überall lästig bemerkbar und lähmte die Thätigkett der Regierung um so mehr, als seit dem Jahre 1810 auch wieder französische Truppen im Lande waren, die angeblich als Douanetruppen den Vertehr mit England und Schweden unterdrücken sollten. Trotz der Anwesenheit der französischen Truppen war die Unsicherheit im Lande aufs Höchste gestiegen. Besonders in dem Grenzdistrikt Boizenburg trieb sich allerlei Gesindel umher und schrak auch vor Beraubung der Posten nicht zurück. Den Posten, welche häufig kostbare Ladungen hatten, wurden daher Begleiter mitgegeben; die Postillone und Wagenmeister wurden mit Seitengewehren und Pistolen versehen, häufig eskortirten auch Soldaten die Posten. Die Postämter mußten monatlich die Ueberschüsse abliefern, sodaß bet den einzelnen Kassen nie erhebliche Bestände beruhten. Nur diesen Maßregeln war es zuzuschreiben, wenn die Posten bei der allgemeinen Unsicherheit im Lande vor empfindlicheren Schäden bewahrt wurden. Um so größer war aber der unabwendbare Nachtheil, der den Posten aus dem gänzlichen Darniederliegen von Handel und Verkehr erwuchs.

Unter solchen Umständen brachte dem Generalpostmeister von Lehsten sein Amt nur schwere Verantwortung und endlose Mühe. Aber es traten an die Post in dieser bewegten Zeit auch von Tag zu Tag wachsende Aufgaben heran, deren Lösung dem Generalpostmeister ersichtlich Schwierigketten bereitete, zumal da ihm eine schnelle Initiative nicht eigen war. Er suchte zunächst immer durch Lavieren ans Ziel zu kommen, und wenn er ja etwas erreichte, so hatte er von den hochfahrenden, beweglichen französischen Beamten manche Demüthigung anzunehmen.

Trotzdem bemühte er sich, seinem Amte größere Selbständigkeit zu verschaffen, und machte die Abhängigkeit seiner Stellung des öfteren zum Gegenstand der Erörterung im Kammerkollegium. Die Kammermitglieder neigten auch der Ansicht zu, daß die Zeitläufte dem Generalpostmeister größere Freiheit gewähren müßten. Nur der Erbprinz war entschieden anderer Anschauung, da er als Präsident der Kammer selbst die Leitung des Postwesens in Händen behalten wollte. Dennoch suchte von Lehsten auch dem Erbprinzen gegenüber seine Stellung zu wahren, und die Akten bringen den Beweis dafür, daß er den meistens außerordentlich treffenden und geistreichen Exposes des Erbprinzen zahlreiche durchsichtige Bedenklichkeiten hinzufügte und den Anregungen des Erbprinzen nur vereinzelt rückhaltlose Anerkennung zollte. Nichtsdestoweniger nahm das Amt Lehstens von Tag zu Tag an Selbstständigkeit zu, da der Erbprinz häufig abwesend war. Jedenfalls stand von Lehsten schon im Jahre 1811 so selbstständig da, daß jeder seiner Vorschläge die ungetheilte Zustimmung der Kammer fand.

Seitdem die Verbindung mit Hamburg zerschnitten war, hatte der Wirkungskreis des Generalpostmeisters erheblich an Bedeutung eingebüßt, da der Betrieb der meklenburgischen Postverwaltung sich jetzt gleichsam auf einen Rumpf ohne Kopf beschränkte. Der von dem Generalpostmeister ziemlich oberflächlich geschätzte Nachtheil war doch größer, als er erwartet hatte. Denn die Franzosen gaben den Betrieb des wichtigen Postkurses Hamburg - Lenzen und der vormaligen Hamburger Stadtreitpost nicht frei, sodaß dem Verlust kein Aequivalent gegenüberstand. Der Rückgang der Einnahmen zeigte am klarsten, wie unzutreffend Lehstens Urtheil gewesen war - die Ueberschüsse waren von rund 38600 Rthlr. im Jahre 1810/11 auf 22300 Rthlr. im Jahre 1811/12, also fast um die Hälfte, gefallen, wahrend vom Jahre 1807 ab die Ueberschüsse ständig gestiegen waren.

Aber auch in dem wesentlich geschmälerten Wirkungskreise fand Lehsten hinreichend Arbeit vor. Zunächst galt es die zahlreichen Wünsche und Bedürfnisse der Franzosen zu befriedigen. Die Kontinentalsperre war im Jahre 1811 in der drückendsten Weise verschärft worden. Jeder Briefverkehr nach England und Schweden war verboten und da nun naturgemaß die heimliche Beförderung der nach diesen Ländern gerichteten Korrespondenz begann, so mußte die Regierung sich bemühen, um bei den französischen Behörden jedes Mißfallen zu unterdrücken, die Korrespondenz auf verdächtige Sendungen hin zu kontroliren. Mehr als ein Meklenburger stand damals im Verdacht, den Austausch verdächtiger Korrespondenz zu vermittetn, und hatte deshalb unter harter polizeilicher Ueberwachung zu leiden.

Bei der Post war ein vollständiges Ueberwachungssystem schon früher eingerichtet. Seit April 1811 begann eine lästigere, schärfere Kontrole aller Korrespondenz nach und vom Auslande. Die Verordnung vom 18. April 1811 bezeichnete als verdächtige Briefe diejenigen, welche aus Ländern kamen, oder dahin bestimmt waren, nach welchen zufolge des kaiserlichen Dekrets alle Kommunikation verboten war, ebenso Briefe, welche irgendwie auf eine Beziehung zu einem verbotenen Handel schließen ließen, endlich auch Briefe an übel berüchtigte oder verdächtige Personen.

Dieselbe Verordnung schrieb auch genau vor, wie verdächtige Briefe behandelt werden sollten: "Mit den Briefen ist von den Postoffizianten dergestalt zu verfahren, daß die Eröffnung soviel thunlich in der Art geschiehet, um die Briefe, wenn sich der Verdacht nicht bestätigt, möglichst unmerklich, sonst aber (wie bei durchgescheuerten Briefen) mit dem Postsiegel versiegelt, wieder zuzumachen und mit derselben oder doch der nächsten Post weiter zu senden." In jedem Fall war bei Eröffnung von Briefen ein Offizier der Garnison zuzuziehen. Briefe verdächtigen Inhalts waren der Regierung vorzulegen. Die Regierung erließ jene Verordnung nur im Zwang der Umstände und, um jedem Mißbrauch vorzubeugen, verfügte sie, daß das Verfahren mit der möglichsten Rücksicht ausgeübt werde. Sie konnte aber nicht verhindern, daß hie und da dennoch Mißbräuche vorkamen, hervorgerufen durch Neugierde oder Uebereifer vereinzelter Postoffizianten. Im Großen und Ganzen befleißigten sich alle Postmeister strengster Diskretion, aber das Vertrauen zur Post schwand im Publikum doch sichtbar, nachdem über die Verordnung Gerüchte im Umlauf waren. Erheblich dürften die Resultate, welche die französische Regierung von diesem Spionensystem erzielte, nicht gewesen sein, denn Ende des Jahres 1811 und im Jahre 1812 waren von der argwöhnischen französischen Regierung Offiziere beauftragt, schon bei Ankunft der Posten die Korrespondenz zu beaufsichtigen. Nun wuchs die Zahl der angehaltenen Briefe erheblich, besonders in Rostock, wo französische Offiziere die Briefe von der Fahrpost von Demmin einer strengen Revision unterzogen, um die Korrespondenz mit Preußen und Rußland kontroliren zu können. Im Juni 1811 mußte das Postamt einmal 13 englische Briefe an die Regierung einsenden, wo Sie geöffnet wurden; "ihr Inhalt," heißt es in den Akten, "war zwar interessant, kompromittirte aber Niemanden im Lande; er könnte indeß doch viele auswärtige mit Namen genannte Personen ins Unglück bringen." Die Briefe wurden daher bei Seite gelegt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens