Abschnitt 5

Postwesen 1785-1842-Landespost-1785-1837


Der große Umfang der Geschäfte des Cammercollegii gestattet nicht, eine so anhaltende Aufmerksamkeit und Wirkung auf einzelne Fächer in blos collegialischem Wege zu ordnen. Das Postwesen bedarf aber derselben vorzüglich und genießt auch solche in fast allen Staaten. Diese Ansicht der Sache hat mich zu dem Entschlusse gebracht, dem Herzoge in diesen Tagen vorzuschlagen: Einen der würklichen Räthe des Cammercollegii nach höchsteigener Wahl zum beständigen Referenten in Postsachen zu ernennen und ihm die Würksamkeit eines Chefs oder Generaldirectors im Postfache anzuvertrauen bei übrigens unveränderten Verhältnissen. Damit jedoch dieser mein Vorschlag zu keiner meinen Absichten entgegenen Interpretation Anlaß geben möchte, so sey es mir verstattet, ein Wenig mehr ins Detail zu gehen:


• Derjenige Rath des Cammercollegii erhält mit dem Titel eines General-Postdirectors die specielle Aufsicht über das Postfach, das Referat und erste Votum im Collegio in allen Postangelegenheiten,
• dieses Mitglied ist unmittelbar Vorgesetzter oder Chef aller Postoffizianten in dem Maße wie der Ober-Jägermeister Chef und persönlicher Vorgesetzter aller Jagd- und Forstbedienten ist, unabbrüchlich ihrer Verhältnisse zum Forstcollegio, also hier dem Kammercollegio;
• vermöge dieses Verhältnisses hat der General-Postdirector nicht nur Recht und Befugniß, sondern auch die Pflicht und Verbindlichkeit, persönliches Einsehen bei allen Haupt- und Postkontoirs zu thun, und zu verfügen oder beim Collegio in Vorschlag zu bringen, was dringend nöthig oder nützlich und beförderlich ist;
• er kann zu diesem Behufe Berichte und Anzeigen, Tabellen und Nachweisungen von allen Postoffizianten einfordern, obgleich im Uebrigen die gewöhnlichen Berichte, zumal diejenigen, die auf das pecuniarium Bezug haben, zur Cammer erstattet, auch die Ausfertigungen nach wie vor von derselben erlassen werden;
• die Cammerrescripta an die Postoffizianten werden jedoch allemal neben dem Director oder jedesmal Vorsitzenden im Csammer-Collegio auch von dem General-Postdirector unterschrieben, in eben dem Maaße, wie die Ausfertigungen der Forstbediente von einem der Oberforstalen unterschrieben werden müssen;
• bemerke ich schließlich, daß nach meiner Ansicht dem zu ernennenden General-Postdirector weder eine andere Stelle oder Vorzug als diejenige, welche er anjetzo im Collegio einnimmt, noch eine Remuneration für seine Bemühung zuzugeben ist.

Ehe und bevor ich meinen Vortrag am Herzoge mache, wünsche ich erst die Ansicht des verehrlichen Collegii zu kennen, bitte darum und empfehle mich dessen beständigem Wohlwollen" u. s. w.

Da bei den Kammermitgliedern über den Vorschlag getheilte Meinungen bestanden, ergänzte Friedrich Ludwig seinen Plan in mehrfacher Hinsicht: "Obgleich es mir sehr lieb sein sollte, wenn auch die Posten ohne zu große Belästigung des Publicums zu einem höheren Ertrage gebracht werden könnten, so ist dies doch dieses Mal nicht mein Hauptzweck gewesen, sondern vielmehr nur, durch eine schnellere und schärfere Disciplin bei den Posten das Beste des Publicums zu befördern. Daß eine ins Detail gehende Aufsicht eine schleunige augenblickliche Bescheidung und Abhülfe einer mündlichen oder schriftlichen Anfrage oder Beschwerde nicht die Frucht und Wirkung eines kollegialischen Geschäftsbetriebes ist, wird wohl jeder von uns zugeben, weil es die Erfahrung bestätigt. Diesem, nur diesem abzuhelfen, halte ich es für angemessen, einem Mitgliede des Collegii und zwar nach höchsteigener Wahl des Herzogs die Aufsicht über die Postoffizianten, die summarische sofortige Abfertigung aller leichteren Dienstsachen, die keine förmliche Untersuchung von Rechts wegen erfordern, die Schlichtung aller zwischen den Reisenden und Postoffizianten und Postfahrern entstehenden Streitigkeiten, salva querela et salvo recursu an das Cammer-Collegium, wo denn dieses nach der Wichtigkeit der Sache die querel annehmen oder gleich abweisen kann, und das zum General-Postdirector delegirte Mitglied kein weiteres Votum habe, wenn es schon entschieden hatte und vor seiner Entscheidung querelirt war - zu übertragen und ihm dabei zur Pflicht zu machen:

• Alle Mängel und Unvollkommenheiten, welche er in der Organisation des Postwesens entdecken würde, dem Cammer-Collegio anzuzeigen und
• alle Verbesserungen, wozu die Erfahrung ihm die Ideen liefern würde, dem Cammer-Collegio vorzuschlagen und auch
• überhaupt in allen wichtigen bei der Verwaltung der Posten vorkommenden Angelegenheiten, die ihrer Natur nach oder nach seiner Instruction von ihm allein nicht abgemacht werden können, dem Collegio cum Voto zu referiren.

Daß alles dies nicht einem Cammerrath als Nebengeschäft übertragen werden könne, kann ich nicht begreifen, denn die Erfahrung hat uns ja belehret, daß Männer im Collegio ihren Strang gewissenhaft und in Ehren ziehen und dabei Nebengeschäfte verwalten können."

Der Erbprinz glaubte am Schluß seines Schreibens, der Kammer nicht vorenhalten zu sollen, wie er in seiner Eigenschaft als Finanzminister die neue Einrichtung beim Herzoge kurzer Hand hätte anregen können, daß er aber vorgezogen habe, erst nach einer kollegialischen Berathung des Gegenstandes für das Projekt durch Vortrag zur Regierung die Genehmigung des Herzogs herbeizuführen.

Darauf ging ein im Sinne des Memorials gefaßter Vortrag an den Herzog ab. Dieser genehmigte unter dem 6. Januar 1810 in allen Stücken die Vorschläge der Kammer. Die Einrichtung des General-Postdirectoriums erfolgte auf Grund der Verordnung vom 4. März 1810. Zum General-Postmeister wurde der Geh. Kammerrath und Landdrost von Lehsten ernannt. Der Erbprinz als Kammerpräsident führte den neuen Chef der Postverwaltung sofort in sein Amt ein, nachdem ihm eine Bestallung ertheilt war, die sich eng an das Memorial des Erbprinzen anschloß.

In demseIben Jahre wurden durch Edict vom 4. Dezember 1810 die bisherigen Hauptpostämter in Schwerin, Güstrow und Rostock zu Ober-Postämtern, das Postamt in Wismar zum Hauptpostamt und die übrigen Postkontore zu Postämtern erhoben. Die Postwärtereien hatten diese Bezeichnung auch weiter zu führen.

An sich bedeutete die neue Organisation der Postverwaltung gegen früher einen wesentlichen Fortschritt, da jetzt die Postverwaltung in gewisser Beziehung centralisirt war, aber die neue Einrichtung krankte von vornherein an einem schweren Gebrechen: die Selbständigkeit des neuen Generalpostmeisters hatte nur relativen Werth, da der Herzog selbst häufig Dinge geringerer Bedeutung seiner unmittelbaren Entscheidung vorbehielt, und auch künftig wichtigere Sachen der Beschlußfassung des Kammerkollegiums unterlagen. Und gerade jetzt wären die Zeitverhältnisse danach angethan gewesen, daß ein fester Wille mit ausgedehnten Vollmachten an der Spitze der Verwaltung gestanden hätte; aber sobald der persönlich liebenswürbige, geschäftsgewandte Generalpostmeister wichtigere Angelegenheiten selbständig zu erledigen versuchte, erhob sich nicht selten ein lebhafter Widerstreit der Ansichten im Kollegium, der der Sache wenig Nutzen brachte und sicher hier und da sogar geschadet hätte, wenn der Erbprinz nicht selbständig handelnd eingeschritten wäre. so lag die Entscheidung in der Regel beim Erbprinzen und das Amt des Generalpostmeisters war für den Inhaber eine dornenvolle Bürde. Vielleicht hat das Schwankende seiner Stellung und das fortdauernde Bemühen, seinem Amte großeres Gewicht und freieres Feld zu verschaffen, mit dazu beigetragen, daß der Generalpostmeister von Lehsten sich häufig in lebhafter Auseinandersetzung mit den übrigen Kammermitgliedern befand, und selbst dem durchlauchtigsten Kammerpräsidenten gegenüber seine Ansichten hier und da mit größerem Eifer verfocht, als seinem verbindlichen Wesen sonst entsprechen mochte.

Wie dem auch sein mag, bald nach Uebernahme seines Amts traten Aufgaben schwerwiegender Art an den Generalpostmeister von Lehsten heran.

Es handelte sich zunächst auch wieder um die Aufrechterhaltung der Postgerechtsame in Hamburg. Die französische Postadministration beabsichtigte nämlich, in Lauenburg ein Postbüreau einzurichten, und machte nun Miene, die Laden der fremden Durchgangsposten zu öffnen, Briefe und Güter zu Stempeln und nach dem Verhältniß der Meilen bei Beförderung der Sachen durch Lauenburg mit einer besonderen Taxe zu belegen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens