Abschnitt 4

Postwesen 1785-1842-Landespost-1785-1837


Lehsten nahm diese mündlichen Vorschläge nicht an, sondern forderte von Gonze die schriftliche Mittheilung derselben. Nach längerem Zögern erklärte Gonze darauf, nicht ausreichend von seiner Behörde instruirt zu sein, um definitiv abschließen zu können. Als Lehsten dann dringlicher wurde, räumte Gonze schriftlich ein, überhaupt nicht zur Ausnahme von Verhandlungen ermächtigt zu sein. Das war für den Augenblick die günstigste Wendung, denn nun blieb es vor der Hand wenigstens hinsichtlich der meklenburgischen Postverhältnisse beim Alten. Lehsten gewann die Ueberzeugung, daß die bergische Regierung bei der ganzen Angelegenheit ein bestimmtes Ziel überhaupt nicht zu verfolgen schien. Auch hatte er den Eindruck, daß es bei der bergischen Postverwaltung an der nöthigen Aufsicht und Ordnung bedenklich mangelte. Deshalb konnte auch das herzogliche Postamt daselbst, vollkommen ungestört von dritter Seite, ruhig seinen Betrieb fortsetzen; ja es hatte sogar den Briefverkehr in altem Umfange wieder aufgenommen.


Lehsten kehrte daher unverrichteter Dinge wieder nach Schwerin zurück.

Hier erhielt er im Juni von dem französischen Vice-Konsul Desbordes zu Rostock den Entwurf zu einer Konvention über die Regelung der beiderseitigen Postverhältnisse in Hamburg, aber die Bedingungen des Entwurfs entsprachen in keiner Weise den Erwartungen der meklenburgischen Regierung. Eine Erwiderung in diesem Sinne war kaum an Desbordes abgesandt, als aus Düsseldorf eine Mittheilung 3) des Staatsraths Dupreil vom 1. August 1808 einlief, des Inhalts, daß der Kaiser soeben von allen Ländern und Rechten des Großherzogs von Berg, jetzigen Königs beider Sizilien, in Deutschland Besitz ergriffen hätte, und daß vom 1. August ab diese Länder im Namen des französischen Reichs regiert und für kaiserliche Rechnung verwaltet werden sollten.

Infolge dieses Schreibens wurde dem Postamte in Hamburg und allen mit diesem in Verbindung stehenden inländischen Postanstalten sofort bekannt gegeben, daß das bergische Postamt in Hamburg aufgehört habe und fortan keine besonderen Briefkarten mehr auf dasselbe zu fertigen wären. Der Postmeister Pauly erhielt von Schwerin die Weisung, "an das bergische oder jetzt französische Postamt keine meklenburgischen Briefe mehr auszuliefern, sondern dieselben dort unmittelbar zu vertheilen und folglich ganz auf dem vormaligen Fuße zu verfahren, mithin alle Benachtheiligung des herzoglichen aerarii und Regals besten Fleißes zu verhüten." (3. August 1808.)

Ende des Jahres 1808 verlangte der französische Minister Bourienne in Hamburg über Veränderungen im dortigen Postwesen mit einem Abgeordneten der meklenburgischen Regierung zu verhandeln.

Lehsten begab sich daher am 30. Dezember nochmals nach Hamburg. Die Verhandlungen führten aber auch zu keinem Resultat, da Lehsten von den meklenburgischen Postgerechtsamen nichts fahren lassen wollte. Um die Sache aber nicht auf die Spitze zu treiben, gab er am 10. März 1809 die Erklärung ab, daß Meklenburg einer Uebertragung seines Postrechts in den freien Hansestädten an Frankreich zwar nicht entgegentreten wollte, wenn anders "der Kaiser, über die Natur dieses Postrechts instruirt, noch beabsichtigen sollte, anderweitig darüber zu verfügen, daß Meklenburg aber wünschen müsse, die alt überkommenen Postbüreaux zu Hamburg und Lübeck, deren Einkünfte nicht unwesentlich wären, zu erhalten, zumal da dieselben weder dem bergischen Postamt geschadet hätten, noch dem einheitlichen Postdienste entgegenständen und sich lediglich mit der Beförderung der für das Innere Meklenburgs bestimmten Frachtsendungen befaßten. Der Transit durch Meklenburg sei den Hamburgischen und Lübecker Posten, sowie den Posten und Kurieren zwischen Hamburg und Lenzen bisher nur reciproce zugestanden worden, und dieses Zugeständniß würde aufgerufen werden, sobald die herzoglichen Postämter in Hamburg und Lübeck unterdrückt würden. 4)

Auch jetzt wurden keine ernstlichen Schritte von der französischen Verwaltung unternommen, und das herzogliche Postamt setzte unbehelligt seinen Betrieb in alter Weise fort.

Ueber den Bemühungen zur Aufrechterhaltung des alten Besitzstandes in Hamburg und des Fortbestandes der ertragreichen Postkurse nach Hamburg verlor die Regierung die Sorge für das Postwesen innerhalb des Landes nicht aus den Augen; denn gerade jetzt waren, wenn man sich auf den fiskalischen Standpunkt der Regierung stellt, die Zeitverhältnisse günstig für das Gedeihen der Landespost. Trotz der Zugehörigkeit zum Rheinbunde und trotz der drückenden Kontinentalsperre hatte Meklenburg sich ein gewisses Maß von Selbständigkeit bewahrt, was keinem der Nachbarstaaten gelungen war. Die Berlin - Hamburger Posten kursirten nur bis Lenzen; die schwedischen KursSe hatten überhaupt ihre Thätigkeit eingestellt und die Regierung hatte auch ohnedies energischer gegen dieselben vorgehen können, da der Mittelpunkt des bisherigen schwedischen Kurses, die Stadt Wismar, wieder in meklenburgischen Besitz gelangt war. Die Hamburger und Lübecker Posten konnten jetzt wegen ihrer geringen Bedeutung überhaupt nicht in Frage kommen.

So hatte die meklenburgische Postverwaltung im Innern wie nach Außen die Hände frei und brauchte nur zuzugreifen, um eine reiche Ernte zu halten. Um aber dieses Ziel ganz zu erreichen, war zunächst eine rege Reformarbeit innerhalb der Postverwaltung selbst erforderlich, die das in langer Friedenszeit Versäumte nachholte. Es war kein Geringerer als der Erbprinz Friedrich Ludwig, der Sohn des Herzogs, welcher die Aufmerksamkeit des Letzteren auf das über die Gebühr vernachlässigte Postwesen lenkte. Als Kammerpräsident und somit als Chef der Postverwaltung hatte er Gelegenheit, die zahlreichen Mängel wahrzunehmen, die, einem unkundigen Auge verborgen, dem Organismus des Postwesens anhafteten. Durch weite Reisen und einen längeren Aufenthalt am Pariser Hofe war er besser als sonst Jemand geeignet, die politische Lage zu übersehen und nach dem jeweiligen Stande derselben die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Nicht immer fand er allerdings bei den Mitgliedern der Regierung und Kammer Verständniß und Unterstützung für seine Pläne, weil Sie zum Theil noch in den Anschauungen der Zeit Herzogs Friedrich lebten und in die neuen Verhältnisse sich nicht so leicht einzuleben vermochten; dennoch fanden seine Anregungen ständig beim Herzoge Anerkennung und Gehör.

Besonders für das Postwesen besaß er ein hohes Interesse, das ihn bis zu seinem letzten Lebenstage erfüllte. Manche eigenhändige Niederschriften über die verschiedensten Gegenstände der Postverwaltung sind noch in den Akten enthalten und zeugen von der ungewöhnlichen Reife des Urtheils und der Schaffenskraft des Erbprinzen.

Unter dem 7. November 1809 legte er dem Kammerkollegium ein eigenhändig verfaßtes Memorial über das Postwesen vor, welches hier wörtlich folgen mag:

"Schon öfter ist das Postwesen in Mecklenburg ein Gegenstand unserer Berathungen gewesen und Wir alle, glaube ich, sind der Meinung, daß in diesem Fache noch Manches zur Bequemlichkeit des Publikums und zum Besten des herrschaftlichen Interesses zu bewürken stehet.




3) Sa Majesté l'Empereur et Roi vient de faire prendre possession des pays et de tous les droits en Allemagne de S. A. J. et. R. le Grand Duc de Berg aujourd'hui Roi des deux Siciles, pour ces pays être régis et ces droits être exercés à comptc de ce jour 1. août au nom et pour comte de l'Empire françois. L'office des postes du Grand Duché de Berg confirmé dans son existence, ses droits et usages continuera, Messieurs, à correspondre avec Vous. Je m'empresse de Vous prévenir du changement, qui vient de s'opérer et de Vous assurer en même temps que je serai tonjours jaloux sous les lois de S. M. l'Empereur et Roi, comme je l'ai été sous celles de S. A. J. et R. le Grand Duc de Berg, de conserver Vos rélations et de ménager tous les rapports de bon voisinage.
Düsseldorf, le 1. août 1808. Dupreil.
4) Vgl. Flügge, Meklenburg - Hamburgische Postkurse

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens