Abschnitt 3

Postwesen 1785-1842-Landespost-1785-1837


Als Pauly von dieser Sachlage nach Schwerin berichtete, äußerte der Kanzleirath Bouchholtz sich ebenso derb als richtig: "jetzt wird es mir sehr klar, daß Hannover im Trüben fischen und sich auf Kosten seiner Nachbarn, besonders Meklenburgs und Preußens, bereichern will."


Ueber die bisher bloß mündlich getroffenen Verabredungen war nun endlich am 4. April ein förmlicher Vertrag zwischen Hinüber und Dupreil zu Stande gekommen, auf Grund dessen Hannover die Expedition der meklenburgischen Fahrposten zu übernehmen hatte. Diese Bestimmung kam aber aus unbekanntem Grunde nicht zur Ausführung, und das meklenburgische Postamt in Hamburg setzte seinen Dienst als Fahrpostexpedition im alten Hause und mit dem bisherigen Personal in alter Weise fort; das Personal trug sogar herzogliche Montirung. Vielleicht lag der Grund für das auffallend nachgiebige Verhalten der hannoverschen Verwaltung in dem Umstande, daß das hannoversche Fuhramt in Hamburg bereits die Beförderung der bisherigen preußischen Posten zwischen Lenzen und Hamburg übernommen hatte, ohne daß in Schwerin die Erlaubniß zur Durchführung der neuen Kurse durch Meklenburg nachgesucht worden wäre. Um kein Aufsehen zu erregen, mußten die Postillone sogar zwischen Lenzen und Boizenburg preußische Montirung tragen.

Auch ein im Dezember 1807 wiederholter Versuch der französischen Behörde in Hamburg, die herzogliche Fahrpostexpedition daselbst aufzuheben, hatte keine andere Wirkung. Um diese Zeit theilte Dupreil nämlich nach Schwerin mit, daß der Senat zu Hamburg dem Großherzog von Berg das Postregal in Hamburg ausschließlich überlassen habe. Es bestände jetzt die Absicht, in Hamburg das Postwesen auf einheitlicher Grundlage zu organisiren. Wohin diese Bemerkung zielte, dessen war sich die meklenburgische Regierung woht bewußt. Inzwischen hatte aber Erbprinz Friedrich Ludwig gelegentlich seiner Anwesenheit in Paris dem Großherzog von Berg gegenüber die Postangelegenheit zur Sprache gebracht und von demselben die Zusicherung erhalten, daß er eine Schädigung der herzoglich meklenburgischen Postgerechtsame in Hamburg nicht beabsichtige.

Trotzdem standen die Sachen für Meklenburg mißlich genug, denn man durfte sich nicht verhehlen, daß gegen die französische Regierung doch nichts auszurichten sein würde, wenn sie die Beseitigung des für Meklenburg unentbehrlichen Postamts in Hamburg fordern sollte. Früher oder später müßten die Hamburger Posten jedenfalls eingehen, weil die Konvention wegen des Transits derselben durch Lauenburg kaum anerkannt werden würde und das Recht, Briefe in Hamburg zu sammeln und zu vertheilen, von der Stadt selbst immer bestritten worden war. Nichtsdestoweniger ließ man in Schwerin die Hoffnung auf Erhaltung des Bestehenden nicht schwinden. Die Regierung hegte sogar noch die Erwartung, daß man an die etwaige Ausgabe der meklenburgischen Postrechte in Hamburg die Bedingung knüpfen könnte, daß alle fremden Posten im Lande aufgehoben würden. Das wäre wenigstens für den sicheren Verlust auf der einen Seite ein bei Berücksichtigung der politischen Verhältnisse immeichin beachtenswerthes Aequivalent gewesen.

Auf dieser Grundlage beschloß die meklenburgische Regierung denn auch, mit der französischen Verwaltung in Hamburg, die zu Anfang des Jahres 1808 wieder schwierig geworden war, ins Benehmen zu treten. Als Kommissar wurde der Landdrost von Lehsten am 23. Februar 1808 abgeordnet. Bei seiner Ankunft daselbst war Dupreil abwesend.

Der bergische Postdirektor Gonze behauptete aber, instruirt zu sein, und mit Dupreil in regelmäßigem Briefwechsel zu stehen. Der Aufnahme der Verhandlungen stand somit nichts im Wege. Lehsten suchte aber zunächst das Terrain zu sondiren; hierzu verhalf ihm auch in ausgiebigster Weise der hannoversche Legationsrath von Hinüber, welcher sich im Jahre vorher der meklenburgischen Interessen so wenig angenommen hatte. Diesem war kaum von Lehstens Anwesenheit in Hamburg Nachricht zugekommen, als er auch schon Argwohn schöpfte, daß ihm die errungenen Vortheile entrissen werden könnten. Er machte sich an Lehsten heran, um denselben über seine Pläne auszuhorchen. Er wies dabei auf seinen Einfluß bei den französischen Behjörden hin, und ließ einfließen, daß Lehsten am Meisten durch seine Vermittlung bei der bergischen Regierung erreichen würde. Er üerhieß auch Alles mitzutheilen, was man bergischer Seits gegen ihn äußern würde, kurz im reinsten Interesse Meklenburgs zu wirken. Lehsten verlangte indessen, ohne sich mit Hinüber in Einzelheiten einzulassen, zunächst Mittheilung der zwischen Hinüber und Dupreil geschlossenen Konvention. Hinüber lieferte dieselbe auch unter der Versicherung aus, daß die hannoversche Regierung auf die Beförderung der früheren preußischen Posten zwischen Hamburg und Lenzen keinen größeren Werth lege, zumal da sie damit umgehe, den großen Postkurs vön Leipzig nach Halle über Salzwedel und Lüneburg statt über Lenzen nach Hamburg zu leiten.

Aus der Konvention ergab sich die überraschende Thatsache, daß das in derselben angezogene kaiserliche Dekret dem Großherzog von Berg keineswegs ein ausschließliches Postregal in den Hansestädten übertragen, sondern ihm nur neben der Verleihung der vormaligen Thurn und Taxis'schen Postgerechtsame die Leitung und Beförderung der Korrespondenz nach den occupirten Ländern zur Pflicht gemacht hatte. Aus diesem Grunde hatte man denn bergischerseits nicht allein die dänische und amerikanische Postexpedition in Hamburg gelassen, sondern auch nicht gewagt, das eigene Postrecht der Stadt Hamburg abzuschaffen, vielmehr sich damit begnügt, sich das Postprivileg von der Stadt Hamburg auf gewisse Jahre gegen eine bedeutende jährliche Rekognition abtreten zu lassen.

Ebenso hatte die bergische Verwaltung die hannoversche Administration sehr schonend behandelt und von der letzteren die Briefpost durch Vertrag übernommen, während sie an Hannover zum Ausgleich das ganze Fahrpostwesen abgetreten hatte.

Die bergische Post hatte demnach einen nur sehr schwächlich gestützten Rechtsboden. Dazu kam noch, daß der König von Westfalen wegen Braunschweigs und des ihm zugefallenen Theils von Hannover das Postregal in Hamburg zurückzufordern Miene machte, sodaß auch von dieser Seite dem Regal des Großherzogs von Berg eine ernste Gefahr drohte. Auch finanztell war es um die bergischen Posten schlecht bestellt, denn die für den äußerst lebhaften Estaffettendienst verausgabten großen Geldsummen erschöpften unaufhörlich die bergischen Postkassen.

Das waren die Wahrnehmungen, welche sich dem Landdrost von Lehsten bald nach seiner Ankunft in Hamburg aufdrängten. Hannoversche Intriguen brauchte er nicht zu fürchten, denn auch Hannover hatte ernste Sorge um das Seinige. Preußen war in Hamburg nur der Gewalt gewichen; daß es aber, sobald die Zeitläufte nur irgend günstig waren, seine alten Verbindungen mit Hamburg wieder herstellen würde, bewies schon der Umstand, daß seit dem Aufhören der preußischen Postbefugnisse in Hamburg die Miethe für das preußische Posthaus daselbst pünktlich bezahlt wurde. Die preußischen Pläne waren in Hannover bekannt, weshalb man auch den Postkurs von Hamburg über Lenzen nach Magdeburg und Leipzig über Lüneburg durch das Hannöversche umzulegen suchte, damit Preußen bei einer Wendung des Kriegsglücks vor der vollzogenen Thatsache stände und sie anerkennen müßte.

Unter solchen Umständen hatte Hinuber für die Regelung der hannoverschen Postfragen genug zu thun, sodaß von Lehsten sich von seiner Unterstützung keinen Erfolg versprechen konnte.

Lehsten trat daher mit dem bergischen Postdirektor Gonze in Verbindung. Gonze forderte von Meklenburg das Zugeständniß, daß durch das bergische Postamt alle meklenburgischen Briefe mit der Stadtreitpost versandt und die nicht nach Wismar oder Rostock oder darüber hinaus bestimmten Briefe in Gadebusch abgegeben werden könnten. Im Uebrigen sollte der Kombinations-Rezeß von 1716 von Bestand bleiben. Von Gadebusch sollten die Felleisen dann durch meklenburgische Posten abgeholt werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens