Abschnitt 4

Postwesen 1701-1785-Landespost-1756-1785


"Der ohnendlichen Verdrießlichkeiten mit den Postfahrern, wann sich der Taxpreis ändert und der unausbleiblichen Beschwerden und Klagelieder über die grundlosen Wege, welchen sich der Pächter exponirt, will ich nur obenhin gedenken. Noch eines Umstandes muß ich Erwähnung thun, warum ich die Verpachtung der Posten für impracticable halte. Die Karten der Postdistrikte sind so durch einander verwickelt, daß man nicht akkurat bestimmen kann, welcher Ertrag eigentlich zum Schwerin'schen oder Güstrow'schen Distrikt gehört. Ich will dieses durch ein paar Exempel aus vielen deutlich machen."


"Auf der Tour von Schwerin über Ratzeburg nach Hamburg et v. v. sollen keine Beiwagen statuirt werden. Kommen nun entweder von Schwerin oder auch in Hamburg so viele Päckereien zur Post, daß Sie nicht alle fortgeschafft werden können, so bleiben sie auf den folgenden Tag, da die Post von Schwerin über Boizenburg nach Hamburg oder von Hamburg über Boizenburg nach Schwerin geht, beliegen. In der Karte von Schwerin über Ratzeburg nach Hamburg et v. v. werden sie notirt mit der Beischrift: "Folgen morgen", und in der von Hamburg über Boizenburg nach Schwerin wird beigeschrieben "Zur gestrigen Post". Der Rächter des Schwerin'schen Distrikts wird sich die Aufkünfte zueignen wollen, weil sie zu seiner Karte gehören, und der Pächter des Güstrow'schen Distrikts wird den Ertrag nicht fahren lassen wollen, weil sie mit der von ihm gepachteten Post fortgebracht sind."

"Mit der Post von Schwerin über Bützow nach Rostock und über Güstrow nach Rostock geht es ebenso. sind mehrere Päckereien vorhanden, als bei Abgang der Post über Bützow fortgebracht werden können, so werden sie zwar zur Karte geschrieben, aber den folgenden Tag erst über Güstrow nachgesandt."

"Der Lübeck'sche Postmeister bekommt nach der Konvention octavam partem der ganzen Kollektur in Lübeck, deswegen auch in der Karte von Lübeck auf Schwerin das volle Franko und Portogeld eingeschrieben wird. In den von Schwerin mit diesen Päckereien und Briefen abgehenden Karten wird, wenn sie franko gewesen sind, nur beigeschrieben: "de Lübeck", und wenn Sie nicht frankirt werden, die Auslagen ante lineam notirt, mit der Beischrift "de Lübeck". Aus den aus Lübeck auf Schwerin abgehenden Karten ist ersichtlich, wieviel selbige getragen hat und hiernach wird die octava von dem Schwerin'schen Kontor bezahlt. Wird der Pächter, welcher die Lübecker Briefe und Packereien weiter transportirt, selbige ohne Entgelt fortschaffen? Kann er nicht vielmehr de jure verlangen, Antheil an dem Franko und Portogelde zu haben?"

"Gesetzt, die herzogliche Kammer, deren Kognition und Erkenntniß die Pächter unterworfen bleiben sollen, wollte im Voraus festsetzen, daß derjenige, welcher die Briefe und Päckereien gefahren, auch das porto oder frankogeld haben sollte, so würden nothwendig das Schwerin'sche Kontor, welches die Post nach dem ohngefähren Anschlage, was selbige bisher getragen hat, gepachtet, offenbar Schaden leiden und der Güstrow'sche Postpächter lucriren. Des ewigen Streitens gegen einander nicht zu gedenken, ob der Ertrag der Posten durch die Verpachtung werde vergroßert werden können? Dieses ist eine Frage, welche die Zukunft beantworten muß. Der Ertrag derselben ist seit zehn Jahren so geringfügig nicht gewesen. Die in der Kammerregistratur vorhandenen Abmachungen erweisen, daß die Posten in den nächst verflossenen zehn Jahren wenigstens noch mal so viel getragen haben als in den vorhergehenden zehn Jahren. Ich glaube auch gewiß, daß bei nunmehr Gottlob! ruhigen Zeiten der Ertrag sich noch verbessern werde, wenn nur die gehörigen Mittel angewandt werden und ein Jeder seiner Schuldigkeit Genüge leistet. Daß aber durch die Verpachtung der Ertrag schlechterdings werde vergrößert werden, solches bezweifle ich gar sehr. Ein Pächter, welcher das Innere des Postwesens kennt, wird sich schon vorsehen, daß er nicht zu hoch hineingehet. Ein gewisser Anschlag läßt sich nicht machen, und über die Aufkünfte läßt sich keine eviction prästiren, sowie man selbiges bei Verpachtung der Güter über die Quadratruthenzahl thun kann. Wer aber ohne Kenntniß auf ein Gerathewohl pachtet, der wird nach Verlauf von ein paar Jahren entweder bettelarm werden oder auch um Remission schreien."

"Mein stärkster Grund aber, warum ich die Verpachtung der Posten nicht für vortheilhaft halte, ist der: das preußische Postwesen ist zu der Höhe gestiegen, dahin wir es so leicht nicht bringen werden. Soviel mir aber bekannt, sind bei ihnen die Posten nicht verpachtet, sondern sie werden alle berechnet."

"Ich glaube noch eher, daß die Postaufkünfte dadurch verbessert werden könnten, wenn man den Postmeistern certam partem von den Einkünften accordirte, als wenn nmn sie verpachtet. Sie werden alsdann allen Fleiß und alle Mühe verwenden, selbige ergiebiger zu machen, auch besser auf die defraudationes und Unterschläge der Wagenmeister und Postillons vigiliren."

Da dieses Gutachten mit den eigenen Ansichten der Kammer zusammentraf, so wurde an die Regierung ein fast gleichlautender Bericht eingereicht; zur Erhöhung der Postaufkünste regte die Kammer aber noch an, künftighin mit der Ausgabe der bedenklich vermehrten Postfreipässe an Offiziere, Bediente u. s. w. sparsamer umzugehen und zur Ueberwachung der Posten unterwegs berittene Visitatoren anzustellen.

Trotz der mannigfachen Gegengründe des Kammerberichts glaubte die Regierung, daß aus der Verpachtung der Posten höhere Aufkünfte erzielt werden könnten. Die Kammer beharrte wieder ihrerseits bei ihrer Ansicht, ordnete sich schließlich aber, wenn auch mit Widerstreben, der höheren Beurtheilung willig unter, sodaß sie im März 1764 bereits melden konnte, daß vor Ablauf des Kammerrechnungsjahres (Ende Juni) der Verpachtung der Posten nichts mehr im Wege stehe.

Bei der Regierung war man aber inzwischen doch anderen Sinnes geworden. Sie verfügte am 17. April 1764 an die Kammer, daß ihre Willensmeinung nicht durchaus auf eine Verpachtung der Posten gerichtet sei, sondern daß sie nur beabsichtige, den Ertrag der Posten so hoch zu treiben, als es ohne Bedrückung des Publikums möglich sei; sobald nur dieses Ziel erreicht wäre, sei es gleichgültig, ob die Verpachtung oder Berechnung der Posten zum Ziele gefuhrt hätte. Die Kammer sollte jetzt aber unverzüglich zweckdienliche, vor allen Dingen nicht mit neuen Ausgaben verbundene Vorschläge zur Hebung der Postaufkünfte abgeben.

Um der Regierung jeden Gedanken an die Nützlichkeit der Verpachtung zu benehmen, kam die Kammer im April 1764 nochmals mit überzeugenden Gründen auf ihre Ansicht zurück: ein Pächter werde die Posten nur auf Lebenszeit pachten wollen, wodurch der Regierung behufs Rücknahme der Posten in Selbstverwaltung beim Eintritt günstiger Jahre die Hände gebunden seien; der Pächter werde schon in seinem Interesse bestrebt sein, die zum Theil kostbaren Postoffizianten durch billigere Arbeitskräfte nicht zum Vortheil des Publikums zu ersetzen, und werde auch Portofreiheiten für herzogliche Sachen nicht gestatten. Schließlich kam sie mit ihren Vorschlägen zur Verbesserung des Postwesens hervor. In erster Linie seien "muntere und zuverlässige Subjekte" zur Beaufsichtigung der Posten zu bestellen; im Weiteren sei das Post-Rechnungswesen besser zu organisiren und schließlich die Postfreiheit gänzlich abzustellen, da mit derselben mancherlei Unfug und Mißbrauch geschehe. Die Verordnung vom Jahre 1750, welche die Postfreiheit aufhob, war nämlich in der Zwischenzeit durch die politischen Verhältnisse vollständig in Vergessenheit gerathen. Außerdem hielt die Kammer die Einrichtung einer ihr unmittelbar untergeordneten Behörde, welche die nächste Aufsicht über das Postwesen zu üben hatte, für ersprießlich genug, um wesentliche Vortheile von ihrem Wirken in sichere Aussicht stellen zu können.

Die Regierung war nunmehr überzeugt und ordnete die sofortige Ausführung der Kammervorschläge an. Durch Reskript vom 30. April 1764 wurde die Haupt-Postkommission eingerichtet und in dieselbe der Kammersekretär Livonius und der Postsekretär Hennemann berufen. Beide waren für ihr neues Amt in jeder Beziehung geeignet; jener hatte, wie schon sein oben mitgetheiltes Gutachten erkennen läßt, für Fragen wirthschaftlicher Art einen klaren, ungetrübten Blick, Hennemann dagegen, dem schon die Anwartschaft auf den Vorsteherposten des Schweriner Hauptkontors ertheilt war, besaß ausreichende Erfahrung in Dingen posttechnischer Natur. Ihr Hauptaugenmerk sollte die neue Behörde, wie ihr von der Regierung besonders eindringlich empfohlen war, dahin richten, daß das Einkommen einer ganzen Reihe von Postbeamten wegen ihrer inzwischen gesteigerten Nebenbezüge beträchtlich ermäßigt werden könnte. Die Vorschläge der Kammer wegen Aufhebung der Portofreiheit fanden allerhöchste Billigung, doch bedang sich der Herzog für das Aufgeben derselben die Zahlung einer jährlichen Pauschalsumme an die fürstliche Chatulle aus.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens