Abschnitt 7

Postwesen 1701-1785-Landespost-1713-1735


Unter derartigen unerquicklichen Verhältnissen war die dringend wünschenswerthe Besserung der Posten beinahe völlig in Frage gestellt, nicht zuletzt auch aus dem Grunde, weil der Hofrath von Schütz mit seinem Uebereifer durchaus nicht selbstlose Absichten verband; denn für ihn war, wie Jebermann wußte, die Besserung seiner eigenen derangirten Verhältnisse das Ziel aller Arbeit. Das kam bald an's Licht. Gegen das Ende des Jahres 1725 legte er nämlich den Exekutionshöfen ein längeres Memorial vor, um zu beweisen, in welchem Maße das meklenburgische Postwesen während seiner bald zweijährigen Verwaltungsthätigkeit sich gehoben haben sollte. Er wies in der Denkschrift vor Allem auf die angeblichen Erfolge seiner eigenen Thätigkeit hin und ließ mehrfach einfließen, daß der jetzige günstige Zustand des meklenburgischen Postwesens lediglich das Verdienst seiner Arbeit sei. Wenn auch nicht in Abrede genommen werben soll, daß von Schütz sich manche Verbienste wirklich erworben hatte, so entsprach der Zustand des Postwesens doch bei Weitem nicht seiner Schilderung; denn wenn auch mehrfach offen zu Tage liegende Mißstände von ihm beseitigt worden waren, so nahm auch im Postwesen die innere Zersetzung ungestört ihren Fortgang.


Darüber waren selbst die Kassendirektoren durchaus nicht im Zweifel. Von Schütz schloß sein Memorial mit dem Gesuch, ihm alle meklenburgischen Posten in Pacht zu geben und zwar unter folgenden Bedingungen: Die Pacht sollte 2800 Rthlr. jährlich betragen, die Dauer des Vertrages zunächst 12 Jahre umfassen, da in der ersten Zeit sicher eine Unterbilance zu erwarten sei. Die von ihm zu verhängenden Geldstrafen sollten zur Hälfte ihm, zur anderen Hälfte der Exekutionskasse zufließen; die Kautionen der Beamten wären ihm zu überweisen. Ueberdies forderte er energischen Schutz und Beistand für seine Verwaltung und hielt es für geboten, daß die Ersatzverbindlichkeit für casus fortuiti ("so weder von ihm noch von den Postmeistern, Wagenmeistern und Postillonen verschuldet") von der Exekutionskasse getragen werden müßte. Uebrigens würde er, wie er besonders glaubte hervorheben zu müssen, nach wie vor der Exekutionskasse in Eid und Pflicht zugethan bleiben.

In Boizenburg fühlte man sofort das Abenteuerliche in den Plänen des Postdirektors von Schütz heraus. Immerhin konnte das scheinbare nähere Eingehen auf seine Vorschläge dazu verhelfen, einen tieferen Blick in den wirklichen Zustand des Postwesens zu thun und vor Allem die finanzielle Seite kennen zu lernen. Die Kasse ließ daher in ihrer Erwiderung durchblicken, daß der angebotene Jahreskanon von 2800 Rthlr. viel zu gering bemessen sei, da die Posten des Bezirks Wittenförden allein schon einen rechnungsmäßigen Ueberschuß von 1700 Rthlr. gewährten. Der Form wegen ging auch, noch bevor von Schütz zurückberichten konnte, ein Bericht an die Exekutionshöfe ab; die Kasse verfehlte nicht, die sonderbare Verwaltungsthätigkeit des Postdirectors von Schütz ins rechte Licht zu setzen, und kam am Schluß ihrer Darlegung mit ihrer eigenen Ansicht über den eigenartigen Antrag heraus, indem sie sich dafür aussprach, daß die Posten überhaupt nicht verpachtet werden dürften, am Wenigsten an den Postdirektor von Schütz, dessen mißliche Lage und sein unschickliches Gebahren nur sehr geringe Garantie für die Aufrechterhaltung des Pachtvertrages bieten könnten. Von seiner Thätigkeit im Postdienste sei auch fernerhin nicht viel Ersprießliches zu erwarten, da er in seinem Auftreten auch der vorgesetzten Exekutionskasse gegenüber zu schroff und unlenksam sei und gegen zahlreiche Beamte gar unzeitige Animositäten gezeigt habe, sodaß man täglich mit Querelen behelligt werde, die um so unverständlicher wären, als die Hauptkontors in zuverlässigen Händen wären. Die Kassendirektoren glaubten überdies sicher versprechen zu können, daß der vom Postdirektor von Schütz angebotene Pachtbetrag - sobald nur Handel und Wandel sich wieder heben und die Kreditverhältnisse sich bessern würden - auch unter ihrer Verwaltung voraussichtlich bald erzielt werden würde.

Eine in der Zwischenzeit in Boizenburg eingelaufene neuerliche Eingabe des Hofraths von Schütz fand keine Beachtung mehr, nachdem die Exekutionshöfe, ohne weitere Erhebungen zur Sache vorzunehmen, das Anerbieten des Postdirektors rundweg abgelehnt hatten.

Dadurch ließ von Schütz sich jedoch nicht sehr beirren, sondern wirkte ruhig in der bisherigen Art weiter. Aber seine amtliche Stellung war jettzt wesentlich verschlechtert; denn bei den Kassendirektoren fand er nur noch selten den gewünschten Rückhalt, sodaß ihm sein Amt täglich mehr zur schweren Bürde wurde. Kam es doch vor, daß die Direktoren den Postkontoren direkt Befehle zufertigten, von denen er erst Kenntniß erhielt, wenn er bei den Kontoren dienstlich zu thun hatte. Dennoch ließ er es an dem gewohnten Eifer nicht fehlen, aber wirkliche Erfolge erzielte er auch später nicht, und dem meklenburgischen Postwesen vermochte er daher zu besserem Gedeihen nicht zu verhelfen.

Die Ursache seiner Mißerfolge war aber nur zum Theil ihm persönlich zur Last zu schreiben, in wesentlich höherem Grade den im Lande noch immer andauernden politischen Wirren, denn seit dem Jahre 1727 herrschte völlige Anarchie im Lande. Herzog Carl Leopold übte von Danzig aus seinen gewohnten, unheilvollen Einfluß aus, und die Exekutionshöfe konnten zwar das offene Feuer im Lande dämpfen, nicht aber die versteckte Glut löschen, die überall im Geheimen fortglimmte und die Wiederkehr der Ruhe erschwerte.

In dieser Noth schritt der Kaiser wieber ein. Er suspendirte im Jahre 1728 den Herzog Carl Leopold gänzlich von der Regierung und ernannte dessen Bruder, Herzog Christian Ludwig, zum Administrator des Landes. Dieser Gewaltakt machte das Uebel aber nur noch ärger; denn von keiner Seite wurde diese kaiserliche Verfügung anerkannt. Die anarchischen, regellosen Zustände dauerten bis zum Jahre 1730 fort; aber offener Aufruhr brach im ganzen Lande aus, als Herzog Carl Leopold in diesem Jahre wieder in Meklenburg erschien und die Regierung, soweit sein Einfluß reichte, wieder ausübte. Unerträgliche Zeiten kamen jetzt über Meklenburg. Ueberall streiften im Lande bewaffnete Banden umher und vernichteten die geringen Ueberbleibsel des Verkehrs vollständig. Für die Posten war jetzt eine neue Krise eingetreten; die Postkurse stockten vollständig, denn auf Befehl des Herzogs Carl Leopold mußten seine Reiter die Fahrposten, deren sie habhaft werden konnten, anhalten und mit der vorgefundenen Ladung nach Schwerin bringen, wo er sich aufhielt. Die Pferde wurden zur Verstärkung seiner Kavallerie verwendet. Unter solchen Verhältnissen getraute sich kein Posthalter mehr, Pferde zu den Posttransporten herzugeben. Die Postkontore mußten daher feiern, da Niemand mehr Sendungen einlieferte und von auswärts keine Posten mehr ankamen. Das Postkontor in Wittenförden stellte für geraume Zeit seinen Betrieb ganz ein. Da der Unwille des Herzogs Carl Leopold über diese Schöpfung der "Lüneburger" besonders groß war, so hatte der Postmeister vor der Annäherung des Herzogs rechtzeitig seine Haut in Sicherheit gebracht. Der bei dem Postkontor beschäftigt gewesene Postschreiber war von herzoglichen Reitern aufgegriffen und gefangen gesetzt worden.

Mehrere Jahre dauerten diese schlimmen Zustände in Meklenburg fort. Besserung trat erst ein, als Herzog Carl Leopold im Jahre 1735 von den Exekutionstruppen geschlagen war und darauf, aller Macht entblößt, in Wismar Zuflucht suchen mußte. Sein Bruder, Herzog Christian Ludwig, trat jetzt die kaiserliche Administration über Meklenburg in vollem Umfang an, ohne daß von dritter Seite Einspruch erhoben worden wäre. Jetzt konnte endlich das Land nach fast zwanzigjähriger Kriegsnoth wieder aufathmen. Die fremden Truppen wurden aus Meklenburg zurückgezogen, und die Exekutionshöfe England - Hannover und Preußen, auf welches seit 1728 das Konservatorium über Meklenburg mit ausgedehnt war, stellten ihre Thätigkeit ein, nicht ohne indeß ihre Exekutionskosten vorher liquidirt zu haben. Da das Land zur Bezahlung dieser Kosten bei seinen völlig zerrütteten Verhältnissen außer Stande war, so mußten an Kurhannover acht Aemter im westlichen, an Preußen vier Aemter im südlichen Meklenburg als Pfandobject überlassen werden. Die zwölf Aemter, die sog. Hypothekämter, machten ungefähr den vierten Theil des Landes aus.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens