Abschnitt 6

Postwesen 1701-1785-Landespost-1713-1735


Nachdem von Schütz dann noch den Bezirk des Postkontors in Wittenförden inspicirt und hier die Geschäfte in Ordnung gefunden hatte, trat er mit Vorschlägen zur Besserung des Postwesens hervor. Wie Busekist und Zeller schon zwei Jahre früher hielt auch von Schütz den Erlaß eines Generalreglements und einer festen Taxe für das ganze Land für vornehmlich erforderlich, weiterhin noch die strengste Beaufsichtigung der Beamten, durchgreifende Wegebesserungen, weitere Ermäßigungen der Fuhrgelder und Anderes mehr. Auch über die finanzielle Seite der Sache ließ er sich- wenn auch nur vorsichtig und mit mehr allgemeinen als positiven Verheißungen - aus; für die Bezirke Rostock und Wittenförden glaubte er eine Nettoaufkunft von zusammen 1150 Thlr., für das ganze Land eine solche von annähernd 2000 Thlr. in Aussicht stellen zu können. Noch vor kaum 20 Jahren hatten die Posten schon 6000 Thlr. und darüber an Reineinnahmen aufgebracht! Auch das Verhältniß der schwedischen Post zur Landespost machte von Schütz zum Gegenstande längerer Auseinandersetzungen, die in lauten Klagen über die Uebergriffe der fremden Posten gipfelten.


Auch bei den kleineren Kontoren hatte von Schütz Revisionen abgehalten. Dabei kam dann allerdings Manches zu Tage, was auf die postalischen Zustände jener Zeit, und ebenso auch auf die Geduld und Bedürfnißlosigkeit unserer Voreltern ein seltsames Licht wirft. Der Postmeister in Wittenburg expedirte unordentlich, ließ seine Dienstgeschäfte bald von diesem, bald von jenem, nicht selten auch von Schulknaben verrichten. Er "übersetzte" das Porto, hielt schlechte Pferde und war brutal gegen das Publikum, wie er denn "das Dienstmädchen des Amtmanns daselbst, welches die für ihre Herrschaft eingelaufenen Briefe abzuholen pflegte, ohne Grund zu prügeln beliebte." In Malchin hielt der Postmeister ganz besonders schlechte Pferde, trotzdem er höhere Stationsgelder bezog als sonst ein Postmeister im Lande (für 8 Meilen von Güstrow bis Neubrandenburg 680 Thlr.); für seine Pferde bezahlte er beim Ankauf selten mehr als 4 Thlr., auch ließ er sie in der Regel ohne Zaum und Gebiß mit bloßem Reifhalter fahren. Die Pferde waren "sonst auch Hungers ganz entkräftet, dahero auf solche 8 Meilen fast allemahl 26 Stunden zugebracht werden."

Solcher Thatsachen führte von Schütz noch eine ganze Reihe auf - übergenug aber, um der Exekutionskasse endlich die Augen zu öffnen und sie zu größerer Energie anzuspornen. Aber sie that auch jetzt nur halbe Arbeit. Da von Schütz nach seinen bisherigen Leistungen die geeignetste Persönlichkeit zu sein schien, um Ordnung in die verfahrenen Verhältnisse der Postverwaltung zu bringen, so ernannten auf Vorschlag der Exekutionskasse die Exekutionshöfe den Hofrath von Schütz noch im Jahre 1724 in Anerkennung seiner bisher bewiesenen Thätigkeit zum Postdirektor dergestalt, daß er vom Tage seiner Ernennung ab die Specialleitung des gesammten Postwesens in Meklenburg-Schwerin auszuführen hatte. Die obere Leitung verblieb der Exekutionskasse in Boizenburg. Wichtigere Sachen waren der unmittelbaren Entscheidung der Höfe vorbehalten. Als Wohnsitz wurde dem neuen Postdirector Rostock angewiesen, wo die subdelegirten Räthe residirten; sein Gehalt betrug 500 Rthlr. jährlich, außerdem bezog er Futter für vier Pferde, deren er wegen seiner häufigen Inspektionsreisen im Lande bedurfte.

Trotzdem die Exekutionshöfe das Richtige in den Vorschlägen des Postdirektors von Schütz wohl erkannten, konnten sie sich doch nicht dazu aufraffen, postgesetzliche Bestimmungen zu erlassen, oder Neuerungen von einiger Wichtigkeit vorzunehmen, denn die Furcht, mit der Ritterschaft des Landes auch über postalische Fragen in Berathungen eintreten zu müssen, wobei dann sicher Differenzen entstehen würden, bildete auch jetzt noch das Hinderniß, an dem eine durchgreifende Reformthätigkeit erlahmen mußte. Alle Vorschläge des Postdirektors gingen daher ohne Weiteres als schätzenswerthes MateriaI zu den Akten.

Eine von dem Hofrath von Schütz im Entwurf vörgelegte Postordnung, enthaltend postgesetzliche Bestimmungen für den Verkehr zwischen Post und Publikum, war in ihrer Art recht brauchbar und übersichtlich und hätte bei Berücksichtigung der Zeitverhältnisse immerhin Anerkennung verdient; sie blieb aber nur Entwurf, weil Dinge postgesetzlicher Natur von den Berathungen mit der Ritterschaft grundsätzlich ausgeschlossen wurden.

Es erweckt nach den Akten fast den Anschein, als hätten die Exekutionshöfe bei ihrem passiven Verhalten den an sich richtigen Nebengedanken gehabt, daß der Postdirektor von Schütz - übereifrig und interessirt, wie er war - sich schon durch eigenes Streben und ohne den Erlaß eingehender Verordnungen seine Position schaffen und den meklenburgischen Postkursen zu besserer Entwicklung verhelfen würde, denn es gehörte zu seiner Dienstpflicht, möglichst oft durch persönliche Einwirkung bei den Postkontoren nach dem Rechten zu sehen und die Postkurse, sobald sich Zeit und Gelegenheit fand, zu bereisen und zu inspiciren.

Diesen Erwartungen entsprach von Schütz allerdings in mehr als wünschenswerthem Maße. Zunächst suchte er zu erreichen, daß die von ihm angeregten Verbesserungen thatsächlich eingeführt würden, aber ohne eigentlichen Erfolg. Das Einzige, was er zu erreichen vermochte, war, daß feine Anregungen wegen der Wegebesserungen wenigstens bis an den Landtag kamen. Aber das von ihm eingereichte Verzeichniß der besonders schlechten Wege war so umfangreich geworden, daß außerordentliche Mittel dazu gehört hätten, die Wege in einigermaßen erträglichen Stand zu bringen; die schlechte finanzielle Lage des Landes verbot derartige kostspielige Operationen. Die Sache blieb also, wie Sie war.

Innerhalb des engen Kreises der Postverwaltung machte sich der Einfluß des Postdirektors wn Schütz aber bald bemerkbar. Er war fast ununterbrochen auf Inspektionsreisen unterwegs und erschien unerwartet bei den Postkontoren, wo er in rücksichtslosester Weise durchgriff und aufgefundene Mißstände sofort abstellte oder zur höheren Kenntnißnahme nach Boizenburg berichtete. Die Postmeister, die bis dahin bei den fortdauernden Wirren im Lande ohne jede Aufsicht von oben nur immer in ihre Tasche gewirthschaftet hatten, geriethen jetzt in die größte Erregung und warfen allen Haß, den sie als Anhänger des Herzogs Carl Leopold gegen das "Lüneburger Regiment" im Lande offen zur Schau trugen, gegen den Schützling der Lüneburger, den Hofrath von Schütz. Zunächst beschwerten sie sich beim Herzoge über die jetzt im Postwesen vor sich gehenden ungesetzlichen Neuerungen, aber da von Danzig keine Abhülfe erfolgen konnte, so wandten sie sich in zahllosen Eingaben an die Exekutionskasse, ja selbstan die Exekutionshöfe mit der Bitte, sie vor den Gewaltthätigkeiten des Postdirektors in Schutz zu nehmen. Waren schon diese Bitten in wenig schmeichelhaften Ausdrücken abgefaßt, so führten die Berichte und Erwiderungen des Hofraths von Schütz meist eine noch schärfere Sprache und paßten wenig zu seiner Stellung und der Politik der Exekutionsregierung, die sich bemühte, nach Kräften zu laviren und jeden lauten Zwist zu vermeiden. Selbst den Kassendirektoren gegenüber war von Schütz durchaus nicht wählerisch in seinen Berichtsausführungen. Mancher herbe Tadel floß ihm daher von dieser Seite zu, ohne indessen auf das Verhalten des Postdirektors nachhaltig zu wirken. Den Kassendirektoren war der Hofrath von Schütz, der um jede Kleinigkeit jederzeit Aufhebens machte und sobald ihm nicht Jeder sofort zu Willen war, mit direkten Berichten an die Kommissionshöfe drohte, bald ein ebenso unwillkommener Gast wie den Postmeistern im Lande, zumal seine zahllosen Berichte, Vorstellungen, Klagen und Verbesserungsvorschläge der Kasse und den Kassendirektoren eine nicht unerhebliche Mehrarbeit verursachten. Schon nach einjähriger Wirksamkeit im Postwesen hatte von Schütz seine Stellung nach oben wie nach unten vollständig verdorben. Die Postkontore waren widerwilliger als je und setzten allen seinen Anordnungen passiven Widerstand entgegen, und bei der Exekutionskasse fand er wegen seines wenig taktvollen Verhaltens immer geringere Beachtung und Unterstützung.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens