Abschnitt 5

Postwesen 1701-1785-Landespost-1713-1735


Dieses Ergebniß übertraf sogar noch die Befürchtungen der Exekutionshöfe. Sie verhielten sich aber zunächst noch abwartend; die Exekutionskasse verwies die Postanstalten lediglich auf die strikte Befolgung der bisher erlassenen herzoglichen Verordnungen und Taxen. Wegen der von den beiden Revisoren gemachten Vorschläge zur Abstellung der Unterschleife des Fuhrgewerbes suchte die Exekutionskasse zunächst die Ritterschaft auszuhorchen, um vor der Einleitung bestimmter Maßnahmen deren Ansicht kennen zu lernen; denn die Verordnungen des Herzogs Friedrich Wilhelm aus dem Jahre 1710, deren Erneuerung nur erforderlich geworden wäre, bestanden wohl noch unverändert zu Recht, aber bei ihrem Erlaß hatte die Ritterschaft nicht mitgewirkt, und bei einer Erneuerung dieser Verordnungen, welche, wie schon im Jahre 1710, so auch jetzt wieder laute Klagen des Fuhrgewerbes hervorrufen würde, waren unliebsame Erörterungen der Ritterschaft zu besorgen. Und in der That - auf eine direkte Anfrage der Exekutionskasse bei dem Engeren Ausschuß in Rostock verwahrte dieser auch jetzt noch sein Recht, bei der Publikation von Verordnungen, welche wie die genannten in einschneidender Weise öffentliche und privatrechtliche Interessen berührten, berathend mitzuwirken. Unter solchen Verhältnissen sahen die Exekutionshöfe von einer Renovirung der Verordnungen von 1710 überhaupt ab.


Bei der eigenartigen Gestaltung der inneren Verhältnisse Meklenburgs - der Einfluß des Herzogs Carl Leopold auf gewisse Bevölkerungskreise hatte noch nicht an Gewicht verloren - erwies sich das Postwesen im Besitz der Exekutionshöfe immer mehr als ein schwieriges, mühevolles Arbeitsfeld, auf dessen Boden unter den damaligen Verhältnissen keine Früchte reifen konnten. Die Postbeamten waren durchweg gut herzoglich gesinnt und zeigten den von Boizenburg herrührenden Anregungen gegenüber nicht gerade großes Entgegenkommen, und wie bei den Beamten, so fand die Exkekutionskasse auch sonst manche Ablehnung bei der Bevölkerung. Tief eingreifende Aenderungen vorzunehmen, wie Busekist und Zeller vorschlugen, hielt die Exekutionskasse daher nicht am Platze. Sie beschränkte sich bei Ausführung der Vorschläge vielmehr auf vereinzelte Anordnungen, deren Wahl allerdings keine glückliche war: am Ende des Jahres 1723 hob sie die dritte Hamburger Post wieder auf, so daß die schwedische Post konkurrenzlos ihren Betrieb jetzt nach Belieben einrichten konnte, und ermäßigte die den Posthaltern gezahlten Fuhrgelder mit Rücksicht auf die gute Ernte des Jahres 1723 ganz beträchtlich, um hierdurch die in Folge der andauernden Mißwirthschaft entstandenen Ausfälle der Einnahmen in gewissem Umfange auszugleichen. Die Folge war natürlich, daß das an sich schon mangelhafte Pferdematerial der Posten sich noch mehr verschlechterte und, hierdurch veranlaßt, der pünktliche Betrieb auf den Kursen fast ganz zur Unmöglichkeit wurde.

Weitere Aenderungen aber wurden bis zum Eintritt besserer Zeiten verschoben. Vor der Hand blieben die sichtbaren Zeichen inneren Verfalls das hervortretende Gepräge des Postwesens unter der Verwaltung der Kommissionshöfe.

Es ist nicht ohne Interesse, hier die Worte eines einwandfreien Beobachters wiederzugeben, nämlich des Amtmanns und Postmeisters Haltfuß in Boizenburg, welcher mit eigenen Augen die Thätigkeit der Exekutionsregierung und das Thun und Treiben der Hannoverschen und Wolfenbütteler Beamten wahrzunehmen Gelegenheit hatte. Er schrieb in einem nach Danzig gerichteten Briefe: "Unser hiesiger Zustand steht noch so hin. Der hiesige Erste (d. h. Direktor der Exekutionskasse) hat als Tit. Geheimber Rath in Hannover 1200 Rthlr., der andere in Wolffenbüttel 3 - 400 Rthlr., wäre dieser nicht ein Vetter von Bernst. (d. h. Graf Bernstorff, hannöverscher Premierminister), er wurde gewiß nicht das Direktorat erhalten haben. Allein es war Noth und Schuldt woll die raison, daß er es sein mußte, um auch hiervon zu profitiren. Wie sie denn woll alle wünschen, daß es noch lange wehren möge. Die Postkarten können auch Zeugniß geben, wie den Beamten und Pensionarien gelernt wird, düchtig in bie Küche zu senden. Der Liebe Gott gebe, daß mein gn. Herzog bald in sein Land kommt, so werden viele den Trauermantel umnehmen, denn viele der Kerls haben schon Weiber darauff genommen und stellen sich an, als ob sie ewig so leben wollten. Sobald nur ein Dienst aufkommt, so sind von Hannoverscher Seite gleich zehn im Vorschlage, denn wie sie endlich den Küchenmeister in Güstrow hingeärgert hatten, da waren so viel, daß es nicht zu sagen. Wolfenbüttel aber recommendirt keinen einzigen, es hätte auch der Director wohl nicht sein dürfen, wenn er nicht bey Gumpel Moses und sonst nicht darein gesessen wäre."

Diese Beschreibung der damaligen Zustände im Lande klingt fast übertrieben, zumal sie aus dem Munde eines auf herzoglicher Seite stehenden Beamten stammt - aber die Geschichte erzählt noch trübere Bilder aus der Zeit der Exekution. Auch in der Postverwaltung wußte bald ein Stellenjäger zweifelhaften Schlages einen einträglichen, angesehenen Posten zu erringen. Im Jahre 1724 bewarb sich der württembergische Hofrath Hans Albrecht von Schütz, vermuthlich ein Verwandter des zweiten (Wolffenbüttelschen) Kassendirektors M. von Schütz in Boizenburg um Beschäftigung im Postdienste.

Von Schütz war entblößt von Allem und steckte tief in Schulden, wie man bei der Exekutionskasse in Boizenburg sich als offenes Geheimniß erzählte. Ob er für den Postdienst besondere Vorkenntnisse mitbrachte, wie man nach den Akten annehmen möchte, interessirt hier weniger zu wissen. Aber seine Persönlichkeit mußte doch empfehlend gewesen sein, ober er vermochte für sich das Gewicht warmer Fürsprache von dritter Seite geltend zu machen, denn die Kassendirektoren gingen auf sein Gesuch ein und beauftragten ihn, eine eingehende Inspektion des Postwesens vorzunehmen.

Schütz machte sich alsbald mit Eifer an die Arbeit. Gleich bei seiner ersten Inspektionsreise fand er aber noch mehr zu tadeln als zwei Jahre vor ihm die Postmeister Busekist und Zeller. Auf höhere Veranlassung hin begann er mit der Besichtigung des Postkontors in Rostock. Hier waltete seines Amts der schon mehrerwähnte Postmeister Babst, ein entschiedener Anhänger des Herzogs, gewaltthätig und brutal in seinem Auftreten gegen Beamte und Publikum, Vorgesetzte und Untergebene, dabei in jeder Weise auf seinen Vortheil bedacht. Er stand bei den subdelegirten Räthen in Rostock in besonders schlechtem Ansehen, denn er schaltete und waltete unter ihren Augen ungescheut nach eigenem Gutdünken, und die Räthe hatten ihn im Verdacht, daß er trotz aller Warnungen immer noch für den Herzog thätig war. Der hannoversche Subdelegirte, Ober-Appellationsrath von Alvensleben, schrieb wörtlich über ihn an die Exekutionskasse am 15. November 1723: " Il a obtenu ce poste pour avoir été un des 100 Männer, qui ont trahi cette ville; 1 ) c'est une créature dévouée entièrement á la cour, c'est aussi la raison pourquoi uous n'avons pas osé confier nos lettres à son bureau . . . "

Bei dem Rostocker Kontor stellte von Schütz eine Mißwirthschaft sonder Gleichen fest und faßte sein Endurtheil dahin zusammen, daß bei dem Kontor ein allgemein gültiges Postreglement überhaupt nicht vorhanden sei, die Taxen willkürlich erhoben würden, zeitweilig auch, wenn es vortheilhaft wäre, die Taxe von Güstrow in Anwendung käme. Im Kontor herrschte die größte Unordnung. Dem Postmeister stände als Kontroleur (zur besseren Ueberwachung richtiger Rechnungslegung über die Aufkünfte) sein Sohn zur Seite, und beide wirthschafteten fast nur für die eigene Kasse. Niemand wollte mit Babst zu thun haben, da er in rohester Weise sachliche Erörterungen mit Thätlichkeiten zu beenden pflegte, wie von Schütz selbst an sich hätte erfahren müssen. Verordnungen der Regierung fänden überhaupt keine Beachtung.

Dieser Befund bildet ein trübes Zeugniß für die früheren Verkehrsverhältnisse der wichtigsten Stadt des Landes, deren Erwerbsleben unter den mangelhaften Verkehrsanlagen empfindlich leiden mußte. so begreift es sich auch, daß der schwedischen Post, welche Babst allerdings auch besorgte, für die aber feste Normen erlassen waren, welche selbst Babst nicht zu verletzen wagte, fast der ganze Brief- und Personenverkehr der betriebsamen Stadt zufloß. Schütz fand denn auch zuletzt noch zu rügen, daß die schwedische Post den Postaufkünften schweren Schaden zufügte, und regte bei der Exekutionskasse an, die im Interesse der Postintraden nöthige Beschränkung der schwedischen Post herbeizuführen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens