Abschnitt 4

Postwesen 1701-1785-Landespost-1713-1735


Wie zu erwarten stand, berichtete Walter über die Ereignisse in Schwerin sofort an den Herzog in Danzig und bat um Verhaltungsmaßregeln. Herzog Carl Leopold verfügte alsbald nach Schwerin, daß die Schweriner Postbeamten die mit dem Postwesen daselbst vorgenommene Veränderung bei der allerschwersten Verantwortung nicht allein in keiner Weise zu verstatten hätten, vielmehr "den von Uns angeordneten Postkurs nach wie vor unveränderlich zu continuiren, sondern auch den Postfahrern bei harter Gefängniß-, auch dem Befinden nach peinlicher Leibesstrafe in Unserem Namen zu gebieten, daß sie auf der Lüneburger Zumuthen sich mit ihnen wegen eines veränderten Postweges überall zu nichts einlassen, sondern bei entstehendem Zwang und gewaltsamem Verfahren mit Wagen und Sachen nach dortigem Postkontor sich zurückbegeben." Die Postbeamten sollten in vorkommenden Fällen weitere Befehle von dem Ober-Postdirektor Walter und dem Kommandanten von Wenckstern einholen. Irgend ein Erfolg war aber nach Lage der Verhältnisse auch von dieser Verordnung nicht zu erwarten.


Die Exekutionskasse, welche nun das Heft einmal in Händen hatte, nutzte auch ihre Macht nach Kräften aus. Sie citirte bie Vorsteher der drei Hauptkontore in Schwerin, Rostock und Güstrow, sowie den Postmeister le Plat in Hamburg nach Boizenburg und schärfte ihnen strenge ein, daß fortan die Posten nicht mehr über Schwerin, sondern über Wittenförden zu expediren seien; bei der geringsten Weigerung würden sofort militärische Maßregeln ergriffen werden. Die Postmeister erhielten demnächst Weisung, mit dem Postkontor in Wittenförden über die Postgelder vierteljährlich abzunehmen.

Dem Oberpostdirektor von Walter und dem Schweriner Postpersonal war jetzt jede Möglichkeit genommen, für den Herzog in bisheriger Weise zu wirken. Walter gab sich zwar Mühe, auch jetzt noch den Pflichten seiner Stellung nachzukommen, aber alle seine Versuche, von Schwerin aus neue herzogliche Postkurse anzulegen, scheiterten an der Wachsamkeit der Lüneburger Truppen.

Der Name Walters kommt daher von jetzt an nur noch hin und wieder in den Postakten vor; von seiner Hand finden sich aus der Zeit zwischen 1723 bis 1729 allerdings noch Nachrichten, aber sie enhalten nur bewegliche Klagen an den Herzog über die Noth, welche infolge der politischen Veränderungen über ihn und seine Familie hereingebrochen war. Er starb im Jahre 1729.

Wie in Schwerin so ging die Exekutionskasse auch gegen das Rostocker Postkontor in energischer Weise vor. Hier hatte sich der Postmeister Babst wegen seiner Parteinahme für den Herzog bei der Kommission mißliebig gemacht. Er erhielt strenge Weisung, alle an den Herzog gerichteten Briefe an die subdelegirten Räthe in Rostock einzureichen. Aber er folgte diesem Befehle nicht, sondern konspirirte weiter. Zufällig griffen Lüneburger Reiter aber im Jahre 1722 einen Briefträger auf, welcher heimlich verdächtige Briefe und Packete zwischen Walter und Babst hin- und hertrug. Bei dem Postkontor in Rostock lief darauf eine Verfügung der Exekutionskasse vom 29. Dezember d. J. ein des Inhalts, daß auch Babst bei dieser heimlichen Korrespondenz interessirt und nächst dem Postsekretär Mester in Schwerin daran den höchsten Theil habe, zumal sich unter den aufgefangenen Briefen nicht allein zwei besondere Packete mit Briefen befunden, sondern auch Briefe an die dem Hauptkontor in Rostock unterstellten Postmeister zu Tessin, Sülze, Gnoien, Ribnitz und Marlow "unter dem praetext, ob selbe herrschaftliche Sachen beträfen, worin jedenfalls andere des Ohrts zu bestellende Sachen und Briefe begriffen, Sr. Durchl. Name mißgehandelt und die Postintraden geschädigt würden." Babst sollte sich nun binnen 14 Tagen wegen seines Verhaltens rechtfertigen. Er theilte dem Herzog Carl Leopold sofort das Vorgefallene mit und verschwor sich hoch und theuer, daß er bisher immer alle herzoglichen Briefe sicher besorgt habe; nun sei er aber verrathen worden und habe ein gar hartes Schreiben aus Boizenburg erhalten mit der Aufforderung, alle Briefe nach und aus Danzig mit den ordinären posten zu versenden. Schon am 23. Januar 1723 hatte er den herzoglichen Befehl in Händen, daß er auch künftighin seinem Eide und seinen Pflichten nach dahin sehen möge, daß die fürstlichen Briefe unter der (Deck-)Adresse der herzoglichen Postmeister richtig zur Stelle kämen. Weiteres berichten die Akten über das Verhalten des Postmeisters Babst nicht; aus gelegentlichen Andeutungen der Akten aus dem folgenden Jahre kann man aber schließen, daß Babst nach wie vor für den Herzog Carl Leopold heimlich die Beförderung der Korrespondenzen nach und von Danzig, vielleicht mittels der schwedischen Post, besorgt hat.

Nachdem die Exekutionskasse jetzt alle Postkurse in Meklenburg in die Hände bekommen hatte, bemühte sie sich, so gut es ging, die lang entbehrte Orbnung im Postwesen wiederherzustellen. Aber dei diesen Anstrengungen mußte von vornherein jeder Fortschritt in Frage gestellt sein, weil die Exekutionshöfe die Verwaltungsthätigkeit nach einseitigen Gesichtspunkten aufnahmen und bei der Leitung des Postwesens zunächst die politische seite der Sache hervorkehrten, die Bedürfnißfrage in wirthschaftlicher Beziehung aber in der Hauptsache unberührt ließen. Unzählige Aktenstücke aus der Zeit von 1723 bis 1725 erwecken beshalb den Anschein, als habe die Exekutionskasse wirklich Orbnung geschaffen und die zahlreich im Postwesen vorhandenen Mißstände beseitigt, das war aber nur zum Theil der Fall. In Wirklichkeit wurden Aenderungen grundsätzlicher Art überhaupt nicht vorgenommen, nur die offen zu Tage liegenden Mißstände, besonders im Kurswesen, wurden nothdürftig abgestellt. Im Großen und Ganzen bewegte sich aber der Organismus der Post in den noch von dem Geh. Kammerrath Mumme vorgezeichneten Bahnen weiter.

Diese Entwicklung erscheint verständlich im Hinblick auf den Gang der politischen Ereignisse im Lande. Die Posten waren gewissermaßen im Zwang der Umstände von der kaiserlichen Kommission übernommen worden, indem die Kommission so ihr Uebergewicht im Lande befestigte und nebenbei die Aufkünfte aus den Posten als billige Entschädigung für die aufgewendeten Exekutionskosten in ihre Tasche fließen ließ. Da das Postwesen bisher allein dem Herzoge zuständig gewesen war, ohne daß eine Hinzuziehung der Stände bei dem Erlaß von postgesetzlichen Bestimmungen und Verwaltungsnormen stattgefunden hatte, so konnte die Exekutionskasse jetzt auf demselben Wege weiterschreiten, aber sie mußte davon absehen, grundlegliche Neuerungen einzuführen, weil hierzu die Mitwirkung der Stände erforderlich geworden wäre. Und hiervon sahen die Exekutionshöfe um so lieber ab, als die schwebenden politischen Fragen schon hinreichenden Anlaß zu unliebsamen Reibereien mit der Ritterschaft, ihrer einzigen festen Stütze im Lande, gegeben hatten. Die meklenburgische Postverwaltung unter der kaiserlichen Kommission glich daher um ein Haar einem schlecht bewirthschafteten, liegenden Besitzthum in der Hand eines Gläubigers, der es in Abwesentheit des Besitzers zwangsweise übernimmt und die Mißwirthschaft nur soweit abstellt, daß er nothdürftig seine Kosten deckt.

Diese Sachlage hinderte die Exekutionskasse aber nicht, eine Inspicirung des Postwesens von erfahrenen Personen vornehmen zu lassen, um wenigstens eine allgemeine Kenntniß von dem damaligen Zustande des meklenburgischen Postwesens zu erlangen. Sie wählte hierzu die Postmeister Busekist in Wittenförden und Zeller in Güstrow. Beide besaßen im Postwesen ausreichende Erfahrung; Busekist hatte während seiner früheren Wirksamkeit in Hamburg bei dem dortigen hannoverschen Postamte in einem größeren Betriebe gearbeitet, und Zeller war vor seiner Berufung nach Güstrow in Boizenburg vorgebildet worden, wo er den Dienst bei den meklenburgischen und preußischen Posten versehen hatte. Bei ihrer Untersuchung des meklenburgischen Postwesens fanden beide trotz der von der Exekutionskasse schon vorgenommenen Aenderungen noch Vieles zu tadeln; ausreichende Postordnungen und vor Allem gleichmäßige Taxen, eine Erinnerung an Mumme's Thätigkeit, waren seit Langem nicht mehr in Gebrauch; das Fuhrgewerbe hatte in altem Umfange die Konkurrenz mit den Posten wieder aufgenommen und beförderte sowohl Personen als Briefe und postmäßigeWaaren; ferner mangelte es an dem richtigen Ineinandergreifen ber einzelnen Kurse, am Stundenhalten der Postillone - kurz, überall waren die Anzeichen tiefsten Verfalles wahrnehmbar.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens