Abschnitt 3

Postwesen 1701-1785-Landespost-1713-1735


Unterdessen hatte die kaiserliche Kommission in Meklenburg unter Schwierigkeiten mancher Art ihres Amtes weiter gewaltet. Nach der Abreise des Herzogs glaubte sie zwar im Lande leichteres Spiel zu haben, aber Herzog Carl Leopold wußte auch von Danzig aus vielfach die Anordnungen der Kommission wirksam zu durchkreuzen. Viele Fäden stellten bald die Verbindung zwischen Danzig und Meklenburg her, sodaß der Herzog über alle Geschehnisse im Lande stets auf dem Laufenden gehalten wurde. Die Kommissionshöfe argwöhnten nicht mit Unrecht, daß der Verkehr des Herzogs mit seinen Anhängern im Lande hauptsächlich mittels der Posten unterhalten wurde. Es begann daher im Jahre 1722 eine geradezu ängstliche Ueberwachung der Posten seitens der Kommission. Ueberall witterten die subdelegirten Räthe Verrath. Heimliche Brieferöffnungen kamen hin und wieder vor und trugen nicht wenig dazu bei, das Vertrauen der Bevölkerung zur Pünktlichkeit und Sicherheit der Posten noch mehr zu erschüttern, als es die Wirren im Lande schon gethan hatten.


Um aus der steten Sorge herauszukommen, blieb für die Kommission nur ein Mittel übrig, und zu diesem nahm sie bald ihre Zuflucht. Auf die bloße Ueberwachung folgte die förmliche Uebernahme der Posten in Selbstverwaltung. Schon zu Ende des Jahres 1721 suchte die Kommission Einfluß auf die Verwaltung der Posten zu gewinnen, und von 1722 ab war die Leitung der Posten schon fast ausschließlich in ihrer Hand; nur einzelne unwichtige Kurse von Dömitz und Schwerin ab blieben auch fernerhin in herzoglicher Hand. Die unmittelbare Leitung der Posten wurde der kaiserlichen Exekutionskasse in Boizenburg übertragen, einer Behörde der Exekutionshöfe, welche die finanzielle Administration des Landes ausübte. Jetzt trat das meklenburgische Postwesen in ein neues Stadium. Die Exekutionskasse nahm die Verwaltung der Posten sofort energisch in die Hand, aber die Verwaltung hatte unendliche Mühe und Verdruß für die kaiserlichen Räthe im Gefolge. Die Postbeamten waren durchweg erklärte Anhänger des Herzogs, besonders die Beamten in Schwerin, wo der Oberpostdirektor von Walter im Interesse des Herzogs eine rührige Thätigkeit entfaltete, ferner auch das Postkontor in Rostock, bei welchem der Postmeister Babst offen für den Herzog wirkte, im Stillen aber bei der Noth der Zeit es meisterlich verstand, seine eigenen Taschen zu füllen. Mehrere Untersuchungen hatten überdies dargethan, daß die meisten Postmeister in den kleinen Städten Meklenburgs bei der heimlichen Beförderung der Korrespondenz an den Herzog ihre Hand im Spiele gehabt hatten.

Die Exekutionskasse ordnete nunmehr eine schärfere Ueberwachung der Posten an. Da die Kasse die Hauptkurse beherrschte, so sannen die Anhänger des Herzogs auf einen Ausweg, wie neue Verbindungen nach auswärts anzuknüpfen wären, um wieder höhere Erträge aus den Posten zu erzielen und eine ungestörte Verbindung mit Hamburg in der Hand zu haben. Auf Betreiben des Ober-Postdirektors von Walter wurde daher noch im Jahre 1723 eine Post von Dömitz über Lübtheen nach Hamburg angelegt, um die Korrespondenz nach Danzig über Hamburg zu leiten, von wo sie mit fremden Posten weitergehen konnte. Aber die Post wurde noch in demselben Jahre durch Lüneburger Dragoner ausgehoben. Ein ähnliches Schicksal hatten andere Postkurse, die Walter von Schwerin aus nach Wismar und Hamburg anlegen wollte. Als der Postmeister Hahn von Schwerin gelegentlich eine Reise nach Hamburg unternahm, argwöhnte die Exekutionskasse sofort, daß ein neues Projekt wegen Anlegung einer Post nach Hamburg im Werke sei und ersuchte den Rath zu Hamburg, Hahn überwachen zu lassen und vor allen Dingen dem Stadtpostmeister alle Kollusion mit Hahn und dem Postkontor in Schwerin, dessen Personal in besonderem Verdachte stand, zu untersagen. Der Hamburger Rath ließ nur kurz nach Boizenburg mittheilen, daß dem Stadtpostmeister allein die Annahme von Briefen nach Meklenburg zustände und daher von einer Kollusion desselben mit den Schweriner Postbeamten garnicht die Rede sein könnte.

In der Zwischenzeit hatten die Exekutionshöfe aber nachhaltigere Maßregeln vorbereitet. Es war offenkundige Thatsache, daß bei dem Postkontor in Schwerin trotz aller Ueberwachung der Posten eine rege Thätigkeit für den Herzog entfaltet wurde, und zwar mit um so größerem Erfolge, als in Schwerin eine große Zahl von Posten zusammenlief, sodaß die dortigen Postbeamten - ausschließlich Anhänger des Herzogs, nachdem der Postsekretär Ahrens daselbst, der im Verdacht stand, im Solde der Lüneburger zu stehen, wegen angeblich von ihm verübter Untreue seines Dienstes entlassen war - eine leichte Kontrole über die Korrespondenz im Lande ausüben und ihre so erworbenen Kenntnisse im Interesse des Herzogs verwerthen konnten.

Daß Walter auch vor heimlicher Eröffnung von Briefen nicht zurückschreckte, ergeben die Akten. Er mußte über alle Ereignisse im Lande berichten, über die "Lüneburger", das Verhalten des Herzogs Christian Ludwig, des Bruders des Herzogs u. s. w. Im Jahre 1722 konnte Walter an Herzog Carl Leopold nach Danzig berichten, daß ihm vom Schweriner Postkontor ein Brief aus Grabow (dem Aufenthaltsorte des Herzogs Christian Ludwig) heimlich zugestellt worden sei, "da denn das Lack der einen Seite des Couverts nicht wol gehalten hat, und darin gefunden habe, daß die Grabow'sche Herrschaft noch vorm Fest nach Strelitz gehen wolle."

Die Executionshöfe verfielen daher, um sich gegen etwaige Brieferöffnungen bei dem Schweriner Postkontor zu sichern, auf den Ausweg, das Postkontor in Schwerin zu isoliren und alle Posten an Schwerin vorbei zu leiten.

Den nächsten Anlaß zu dieser Maßnahme bot die Versetzung des Postsekretärs Mester - eines Verwandten des Ober-Postdirektors Walter - von Rostock nach Schwerin. Die Exekutionskasse fürchtete nicht mit Unrecht, daß Walter und Mester zusammen nur noch eifriger für des Herzogs Interesse thätig sein würden. Sie berichtete daher über ihren Plan an die Exekutionshöfe und hob in ihren Darlegungen wegen des Postsekretärs Mester hervor, "daß er ein junger, unerfahrener Mensch sei, der von den bösen und schädlichen consiliis des Ober-Postdirektors dependire. Mester habe auch verlauten lassen, autorisirt zu sein, nach Befinden alle durch das Schweriner Postkontor gehenden Briefe zu öffnen. Da nun die aus jenseits von Schwerin belegenen Aemtern an die Exekutionskasse einzusendenden Ueberschüsse mit der Schwerin - Hamburger Post nach Boizenburg geschafft und die Löhnung der Güstrow'schen Garnison und was an jene Aemter zu zahlen sei, ebenfalls immer über Schwerin expedirt werden müßte, so stünde, wenn auch bisher derartiges nicht vorgekommen sei, doch zu besorgen, daß dort Briefe geöffnet würden, wie denn auch die Gelder einiger Gefahr exponirt sein dürften, und zwar um so mehr, als man sich des Postsekretärs Mester, der sich in Schwerin aufhielte, nicht versichern und an demselben auch keinen Regreß nehmen könnte."

Unter dem Gewicht dieser Gründe ordneten die Exekutionshöfe daher unter dem 10. März 1722 an, daß alle Schwerin berührenden Posten an dieser Stadt vorbei, über einen nahe bei Schwerin belegenen Ort abgeleitet werden sollten. Man wählte hierzu das etwa 4 km von Schwerin, an der Straße nach Wittenburg belegene Dorf Wittenförden, welches nach Ausführung geringfügiger Wegeänderungen von allen Posten bequem zu erreichen war, ohne daß diese das Weichbild der Stadt Schwerin zu berühren nöthig hatten. Nach Wittenförden wurde auch das in Schwerin befindliche Hauptpostkontor verlegt; die Verwaltung desselben wurde dem Hannoverschen Postmeister Busekist, welcher sich im Dienste der Lüneburger als besonders zuverlässig gezeigt hatte, übertragen. Er erhielt von der Exekutionskasse eine ausführliche Dienstinstruktion; da er auch sonst gute Kenntniß in Postsachen bewies, so wurde ihm noch die Rechnungslegung über die Einkünfte aus allen meklenburgischen Postkursen übertragen, eine Vertrauensstellung, welche das neue Hauptpostkontor in Wittenförden bald zur wichtigsten Postanstalt des Landes machte und dem Postmeister Busekist in gewissem Umfange ein Aufsichtsrecht über die anderen Postanstalten verlieh. Dem Namen nach bestand das herzogliche Postkontor in Schwerin unter dem Hofpostmeister Hahn allerdings auch fernerhin fort, aber da es nach außen hin vollständig abgeschnitten war, so konnte es eine eigentliche postdienstliche Thätigkeit nicht mehr ausüben. Es war ganz von Wittenförden abhängig. Gelegentliche Wagenfuhren, Boten und Reitposten zwischen Schwerin und Wittenförden vermittelten fortan den Verkehr der Residenz. Die Exekutionshöfe hatten mit dieser Maßregel mehr erreicht, als ursprünglich beabsichtigt war: sie hatten den Briefverkehr auf den Schweriner Postkursen der Kontrole des herzoglichen Postamts entzogen und übten von jetzt an auch noch die Kontrole der Korrespondenz von und nach Schwerin aus.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens