Abschnitt 3

Postwesen 1701-1785-Landespost-1701-1713


Die Regierung unterzog das Memorial einer eingehenden Würdigung. Im Interesse einer gesunden Entwickelung der Landespost muß man aber bedauern, daß die Absichten Mumme's bei einzelnen einflußreichen Mitgliedern der Regierung völlig verkannt wurden. Besonders der Landrentmeister von Löw, welcher für das Wesen der Posten augenscheinlich gar kein Verständniß besaß, kritisirte seine sämmtlichen Vorschläge in absprechender Weise und zwang Mumme zu scharfer Erwiderung. Der Streit zog sich mehrere Monate lang hin. Mumme fühlte aber seinen Einfluß am Schweriner Hofe schwinden. Beim Herzog fand er kein rechtes Verständniß mehr für seine Pläne, und da seine Gegner im Postwesen überwiegenden Einfluß gewannen, so wurde er noch im Jahre 1709 seiner fruchtlosen Bemühungen müde.


Ob ihm das Votum in Postangelegenheiten daraufhin entzogen worden ist, geht aus den Akten nicht klar hervor. Er äußerte sich im Juni 1709 aber gelegentlich dem Hofpostmeister Hahn in Schwerin gegenüber, daß er nichts mehr mit Postsachen zu thun habe. Hahn erbat sich nunmehr direkt vom Herzoge Verhaltungsmaßregeln, worauf an die Kammer am 18. Juni die Verordnung erging: "Weilen der Geh. Kammerrath Mumme der Direction in den Postsachen freiwillig sich begeben, als wird der Kammer die Direction des Postwesens hinwieder gnädigst committiret und aufgetragen, jedoch daß, wenn was Haubtsächliches darinnen vorkömbt, mit der fürstlichen Regierung Rücksprache gehalten werde."

Es gewinnt den Anschein, als ob lediglich auf diesen Ausgang die Gegner Mumme's hingearbeitet hätten; seine Pläne traten doch noch ins Leben. Er hatte noch die Genugthuung, daß die wichtigsten seiner Vorschläge zur Ausführung gelangten. 2)

Zunächst erging am 25. Juli 1710 das herzogliche Edict "wegen Abstellung der zum Schaden und Nachtheil des Postwesens eingeschlichenen Nebenfuhren." In demselben wurde betont, wie das Postwesen jetzt mit nicht geringen Kosten dergestalt verbessert worden sei, daß Reisende und Fremde dabei nicht nur ihre Rechnung fänden, sondern auch die auf den Posten versandten Pretiosen und Päckereien mit genügender Sicherheit, schleuniger und richtiger Beförderung an ihren Bestimmungsort geleitet würden. "Wiewohl nun bei solchen Umständen Wir uns die Hoffnung gemacht, es würden sowohl auswärtige Passagierer als Bürger und Krahmer solches zu ihrer Bequemlichkeit eingerichtete Werk und dessen Aufnahme noch mehr zu befördern suchen, so müssen Wir doch mit besonderem Mißvergnügen erfahren, wie im Gegentheil diesem so nützlichen Werk entgegengearbeitet und Alles, was zu dessen Nachtheil und Ruin gereichen kann, mit großem Fleiß manchesmal practisiret worden. Wie dann ein solches durch die häufig eingeschlichene Nebenabfuhren sowohl der Passagiere selbst als allerhand postmäßiger Waaren von den Orten, wo Unsere Postkontors befindlich, biß diese Stunde ohnerachtet aller vorhin diesfalls emanirter Edicte und hart verpönten Befehligen höchst strafbar ist continuiret und dadurch verursachet worden, daß Unsere von hier nach Hamburg, Lübeck, Wismar, Rostock, Güstrow, Parchim, Grabow abgehenden und anhero wieder zurückgehenden Posten ledig von Persohnen und von Packereyen unbeladen fahren müssen, dahingegen Krämer und Fuhrleute Personen und postmäßige Sachen, auch sogar Briefe gar häufig an sich gezogen und damit ungescheuet im Lande hin und her gefahren, als ob die Posten pro forma eingerichtet, und denselben Eingriffe und Abbruch zu thun, ein freies Handwerk wäre." Alle bisher zur Abstellung der Nebenfuhren erlassenen Verordnungen werden ausdrücklich erneuert. "Absonderlich befehlen Wir denen Krämern und Fuhrleuten . . ., daß wann in Unseren Landen sie ihrer Angelegenheiten halber oder mit frachtbaren und nicht postmäßigen Waaren hin- und herfahren und von solchen Ohrten, wo Unsere wohleingerichtete Postkontors vorhanden sind oder doch Unsere Posten wöchentlich zwei auch mehrmalen durchpassiren, abreisen, sie passagierer, es seien Frembde oder Einheimische, mitzunehmen und kleine Packereyen, so postmäßig sind, wie auch Briefe an sich zu ziehen und von den Posten abwendig zu machen, à dato publicationis dieser Unserer Verordnung an gäntzlich unterlassen sollen bey 10 Rthlr. toties, quoties sie hingegen gehandelt zu haben befunden werden, unablässig zu erlegender Geldbuße auch nach Befinden und da einer mehrmalen hierüber betroffen würde, bey härterer und willkürlicher Leibesstrafe." Demnächst wurde bestimmt, daß Reisende, welche nicht bis zum Posttag mit der Reise warten oder bei besetzter Post nicht reisen konnten, sich einer Nebenfuhre bedienen durften; um aber allen Unterschleifen, die durch diese Verfügung entstehen konnten, auch den scheinbaren Vorwand der Gesetzlichkeit zu nehmen, sollten die Fuhrleute eines Orts, welche an derartigen Nebenfuhren - d. h. Extrapostfahrten - theilhaben wollten, zu einer Vereinigung - der Fuhrrolle - verbunden werden mit der Wirkung, daß außer ihnen kein anderer Fuhrmann Extrapostfuhren auszuführen berechtigt sein sollte. Erst diese Verordnung normirte den Postzwang im Herzogthum Schwerin in ausreichender Weise; der Begriff "postmäßige Sachen" ließ zwar noch verschiedenartige Deutung zu, aber die Beförderung von Personen und Briefen war nunmehr ohne Einschränkung - nicht bloß wie bisher an Posttagen - Privileg der herzoglichen Posten. Alle Behörden, Postbedienten, Amtspersonen u. s. w. waren angewiesen, Unterschleifen streng nachzuforschen. Kontraventionen wurden zuerst mit 10 Thlr., im zweiten Falle mit 20 Thlr., weiterhin mit Konfiskation von Pferden und Wagen bestraft. Denunzianten, welche den Schuldigen seines "Verbrechens" überführten, erhielten als Belohnung den vierten Theil der Strafe.

Unter dem 1. August 1710 erschien dann als Erläuterung zu dieser Verordnung das "Fuhrreglement vor die in Sr. Hoch-Fürstl. Durchl. zu Meklenburg Landen angeordnete Extraposten, denen Passagierern und Commercia hin und wieder im Lande zu treiben Ab- und Zureisenden auch Courierern, Estaffetten zum besten." Fuhrämter sollten hiernach auf den wichtigeren Poststraßen eingerichtet werden, und zwar auf der Hamburger Straße zu Hagenow und Boizenburg, auf der Straße nach Lübeck zu Gadebusch, auf der Rostocker Straße zu Sternberg und Bützow, auf der Güstrower Straße zu Sternberg, auf der Berliner Straße zu Grabow und Dömitz u. s. f. Die Namen der zu diesem Postdienst bereiten Fuhrleute wurden in eine Rolle eingetragen, und die einzelnen Fuhrleute wurden der Reihe nach zur Beförderung der beim Postkontor sich meldenden Passagiere angesagt. Die Aufsicht über die Ordnung der neuen "Reisefuhrämter" führten die Postmeister. Jeder Fuhramtsgenosse sollte mindestens 4 gute Pferde, eine Postkalesche und einen größeren Wagen (für 5 Personen), sowie gutes Wagenzeug besitzen, damit die Passagiere nicht über schlechte Bedienung klagen konnten. Bei Extrapostfahrten sollte die Meile im Winter in 1 1/2, im Sommer in 1 1/4 Stunde Stunde zurückgelegt werden. Damit übrigens das Fuhrgewerbe nicht Anlaß haben sollte, über die Bestimmungen des Reglements zu klagen, wurde den Postmeistern untersagt, große Frachten und schwere Kaufmannswaaren durch die ordinären und Extraposten befördern zu lassen. Tagesfahrten, die von einem Orte ausgingen und dahin zurückführten, wurden von den Bestimmungen nicht berührt.

Uebrigens wurde auch durch diese Verordnung noch ausdrücklich bestimmt, daß die Fuhramtsgenossen, "umb allen Unterschleiff zu verhüten, sowohl als die Passagierer von diesem Ohrt alles Collectirens der Briefe und Ansichziehung dergleichen kleiner Packereien, so per naturam auf die Posten gehören, bey harter willkürlicher Strafe gänzlich enthalten."

Für eine Extrapost mit 2 Pferden waren 28 ßl. für 1 Meile, mit 3 Pferden 14 ßl. dazu, mit mehr Pferden 1 Rthlr., außerdem von jeder Person eine Gebühr von 4 ßl. (zur Pferdekasse) zu entrichten; der Wagenmeister erhielt für seine Bemühungen (Ansagen, Bestellung der Gespanne u. s. w.) von jedem Reisenden noch 2 ßl. Kurierpferde kosteten 1 Rthlr. für 1 Meile und mußten die Meile in einer Stunde zurücklegen.




2) Im Jahre 1712 quittirte Mumme den herzoglichen Dienst vollständig und zog sich auf das von ihm angekaufte Gut Nepersdorf bei Wismar zurück, wo er 1717 starb.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens