Abschnitt 2

Postwesen 1701-1785-Fremde Posten-Hamburg


Gleichzeitig hatte der Senat dem neuen herzoglichen Postmeister Hasse einen extractum protocolli extrajudicialis des Raths mit folgendem Inhalte zufertigen lassen (4. Juni 1738): "Conclusum, daß von Ihrer Herzogl. Durchl. dem Herrn Herzoge von Meklenburg Christian Ludwig, als kaiserlichen zur Landesadministration verordneten höchsten Kommissarius zum Postverwalter der hochfürstl. mekl. Hof- und Küchenpost ernannten hiesigen Bürger und Kaufmann Hasse, solange diese Post von Hamburg abgehen und er sie verwalten würde, ein hochweiser Rath allen obrigkeitlichen Schutz zwar hiermit versicherte, jedoch ihn dabei, wie überhaupt seiner bürgerlichen Pflichten also auch dessen erinnern ließe, daß er sich mit besagter Hof- und Küchenpost begnügte, dieselbe nicht weiter, als auf Passagiers und Packete erstreckte und hingegen aller Briefsammlung bevorab derjenigen, so auf Rostock, Stettin, Wismar und der Orten gehen, enthielte und weder dadurch noch sonst zum Nachtheile der Stadt und ihres Botenwesens das Geringste unternehme, widrigenfalls und auf beglaubte, des Gegentheils Anzeige er in willkürliche Strafe werde genommen werden."


Noch zweimal trat bald darauf ein Wechsel in der Person des Postmeisters in Hamburg ein, und jedes Mal wurde an Bürgermeister und Rath hiervon Kenntniß gegeben; aber eine Rückäußerung erfolgte von dieser Seite nicht, auch wurden Einwendungen nicht erhoben.

Das passive Verhalten von Senat und Botenamt gegenüber der herzoglichen Post fand ihren Grund vielleicht in dem Umstande, daß auch dem Hamburger Reitpostkurse auf meklenburgischem Gebiet bis in die fünfziger Jahre keine Beachtung geschenkt wurde. Deswegen war aber der Unwille der, meklenburgischen Regierung über das Bestehen dieser Post unvermindert geblieben, denn als Herzog Friedrich im Jahre 1758 zur Gewinnung einer beschleunigten Verbindung mit Hamburg die Anlegung einer Reitpost von Schwerin nach Rehna zum Anschluß an die Hamburg - Rostock - Stettiner Reitpost anregte, rieth die Kammer, von der Anlegung der Anschlußpost lieber abzusehen, da anderenfalls aus der Einrichtung derselben in Hamburg eine Anerkennung der Hamburger Reitpost gefolgert werden könnte.

Um diese Zeit hatte sich für die meklenburgische Regierung endlich die Aussicht geboten, bei der preußischen Regierung die Anerkennung ihrer langjährigen Forderungen aus dem Kombinations - Rezeß von 1716 zu erlangen; die beiderseitigen Kommissarien waren bereits zur Ausführung der erforderlichen Verhandlungen ernannt, als der Ausbruch des siebenjährigen Krieges alle von der Regierung in Schwerin gehegten Erwartungen zerstörte.

Dafür begannen nun wieder Unterhandlungen wegen der Reitpost mit der Stadt Hamburg. Die Uebergriffe der Reitpost hatten zu manchen Klagen der meklenburgischen Postämter Anlaß gegeben. Als dann der Oberaufseher der Hypothekämter in Boizenburg, von Albedyll, sich beschwerte, daß die Reitpost nicht bei dem Posthause in Rehna, sondern in einem Wirthshause ablegte, auch Klagen über den unregelmäßigen Gang der Post aus den Kreisen des Publikums bei der Regierung erhoben wurden, nahm letztere Veranlassung, bei dem Hamburger Senat am 28. März 1764 energische Beschwerde wegen Nichterfüllung der Bestimmungen des Kombinationrezesses von 1716 einzulegen. Sie forderte dann ratione praeteriti seit 1716 und ratione futuri für die Beförderung des verschlossenen Hamburger Brieffelleisens eine angemessene Entschädigung, widrigenfalls das Felleisen geöffnet und die Korrespondenz stückweise berechnet werden würde. Bemerkenswerth ist der Schlußsatz des herzoglichen Schreibens: "Wie Wir Uns aber niemalen vorstellen mögen, daß das in Unserem Lande Uns zustehende mit Unserer Landeshoheit verknüpfte Postregale durch eine in den unruhigsten Zeiten eingeschlichene, nachhin auch verschiedentlich widersprochene Possession Uns geschmälert werden könne, welche rechtswidrige Schmälerung sogar mit dem § 8 des Rezesses auf keinerlei Weise bestehen würde, so verstehen Wir Uns zu Derselben rühmlichen Gemüthsbilligkeit, wasmaßen Sie es selbst für hart und unverantwortlich bei sich erkennen werden, daß Wir des Genusses Unserer landesherrlichen Zugeständnisse noch länger entbehren sollten. Solchemnach gesinnen Wir an Dieselben freundschaftlich, daß für die Zukunft ein für allemal die Richtschnur festgesetzt werde, daß der Hamburgische Botenmeister die Post nicht weiter als bis Lübeck an das dortige Postkontor expedire, von dort aber das Felleisen, wenn es gehörig geöffnet und mit denen von Unserem Postmeister in Lübeck kollectirten Briefen vermehret worden, für Unsere alleinige Rechnung bis Wismar und über Bukow nach Rostock und Demmin zurück gebracht, folglich Unserer Postkasse der ganze Ertrag zwischen Lübeck und Demmin ohne einige Participation auswärtiger Kontors beigelegt werde."

Auch der meklenburgische Gesandte in Berlin, von Lützow, erhielt Weisung, mit der preußischen Regierung in der Angelegenheit zu konferiren und dieselbe von der Rechtmäßigkeit der meklenburgischen Forderungen zu überzeugen.

Das herzogliche Schreiben schien in Hamburg ganz unerwartet gekommen zu sein. Um Zeit zu gewinnen, schützte man vor, noch in der Sache recherchiren zu müssen. Ende November wurde demnächst darauf hingewiesen, daß man aus dem meklenburgischen Postwesen in Hamburg Gegenforderungen stellen und deswegen gleichfalls noch Ermittelungen anstellen müsse. Endlich im Mai 1765 erfolgte eine eingehendere Antwort. Der Magistrat suchte sich um den Kernpunkt - den freien Transit der Hamburgischen Korrespondenz - herumzuwinden, indem er darauf hinwies, daß die Beförderung durchaus nicht frei geschehen sei, da die Stadtreitpost ständig von Rostock nach Hamburg ein 5 - 6 schweres Zeitungspacket frei befördert habe, mithin das städtische Postamt eher noch Forderungen anzumelden hätte. Er selbst könne einseitig eine Aenderung des Rezesses von 1716 nicht vornehmen. Uebrigens hätte die Reitpost den Transit nicht erst durch den Kombinationsrezeß erlangt, sondern denselben bei Abschluß des Rezesses als altes Privileg besessen. Sollte indessen von einer Transitgebühr nicht Abstand genommen werden können, so erwartete der Magistrat die Angabe derselben, ließ aber durchblicken, daß dann Schritte wegen der meklenburgischen Posten auf Hamburger Gebiet vorgenommen werden könnten.

Die Hauptpostkommission erhielt das Schreiben des Hamburger Senats zur Begutachtung. Die meklenburgische Forderung wurde von ihr auf 433 Rthlr. 16 ßl. jährlich, insgesammt (für 50 Jahre) auf 21666 Rthlr. 32 ßl, festgesetzt. Ueber die Einwendungen des Senats gegen die meklenburgische Postanstalt in Hamburg half sie sich leicht hinweg mit der Begründung, so lange nicht urkundliche Beweise beigebracht würden, könne den diesseitigen Posten auch die Briefsammlung nicht versagt werden. Aber bei der Regierung selbst hatte man keine Hoffnung, die berechnete Entschädigung zu erhalten, und sie erklärte deshalb, daß jedes billig bemessene Anerbieten zur Beilegung der Irrung angenommen werden sollte. Nach längeren Verhandlungen, während deren einmal 9 Jahre lang - in Schwerin waren die Akten abhanden gekonnnen, die auf den Fall Bezug hatten - jede Korrespondenz über den Gegenstand geruht hatte, wurde endlich der Legationsrath und Postmeister Pauli in Hamburg beauftragt, mit dem Senat in Unterhandlung zu treten. Dieser hatte noch verschiedene Bedingungen und Forderungen zu stellen, aber am 23. Dec. 1780 kam schließlich ein Vertrag zustande, auf Grund dessen Alles so ziemlich beim Alten belassen werden sollte, übrigens aber das "Sr. hochf. Durchl. in dero Landen zustehende Postregal von der Stadt völlig und allerwege anerkannt wurde." Die meklenburgische Regierung hatte auch fernerhin das Hamburger Felleisen von Wismar nach Rostock und zurück, von Rostock nach Demmin und zurück und von Rostock nach Damgarten und zurück zu befördern; das Porto für Briefe von Rostock nach Hamburg verblieb aber dem Postkontor zu Rostock, ebenso das Porto für unfrankirte Briefe aus dem Reiche, die über Hamburg in Rostock eingingen. Für den Transit hatte der Magistrat zu Hamburg jährlich 1200 Banko von Johannis 1781 nach Schwerin zu zahlen.

Wenn auch die Zahlung einer Entschädigung für die Vergangenheit seitens Meklenburgs nicht weiter gefordert wurde, so hatte Meklenburg doch aus dem Vertrage einen nicht unerheblichen Gewinn erzielt, indem der Vertrag an sich schon darthat, daß die Hamburger Reitpost von der herzoglichen Regierung nur gegen angemessene Entschädigung zugelassen wurde. Von dem Bestehen der meklenburgischen Posten auf Hamburger Gebiet war in dem Vertrage überhaupt nicht die Rede; seitens des Hamburger Kommissars wurde die Sache nicht berührt, und Pauli hatte wohl das Bestehen der Post und die von ihr allmählich erworbenen Befugnisse bei deren faktischem Besitze nicht zum Gegenstand der Berathungen machen wollen.

Die Bestrebungen des Herzogs Friedrich, die fremden Posten in Meklenburg möglichst zu beschränken oder sie zu Leistungen im Interesse des Landes zu verpflichten, waren demnach der Hamburger Reitpost gegenüber von Erfolg gekrönt; jedenfalls bewirkte der Vertrag, daß die vielen Klagen über die Stadt-Reitpost und die Beeinträchtigung der herzoglichen Posteinkünfte fortan verstummten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens