Abschnitt 4

Postwesen 1701-1785-Fremde Posten-Brandenburg


Die Einlösung der vier Pfandämter gelang dem Herzoge Friedrich nicht mehr, und so blieb bis zu dessen Tode (1785) der Besitzstand der preußischen Posten in Meklenburg unverändert. Der große Berlin - Hamburger Postkurs berührte von Lenzen über Lübtheen bis Boizenburg meklenburgisches Gebiet und hatte in Boizenburg ein Postamt mit voller Dienstbefugniß und eine Station in Lübtheen, wo allerdings die Kolligirung und Distribuirung von Postsendungen der Krone Preußen vertragsmäßig nicht zustand, wohl aber nach dem siebenjährigen Kriege von Preußen erfolgreich prätendirt wurde. Der preußische Postkurs Berlin - Güstrow erstreckte sich nur bis Plau, von wo die Post als meklenburgische bis Güstrow befördert wurde. Wie aus einzelnen zerstreuten Aktennotizen zu folgern ist, wurde zwar von dem preußischen General-Postamt mehrmals der Versuch gemacht, auch auf der Strecke von Plau bis Güstrow Einfluß zu gewinnen, aber die Schweriner Regierung wußte jedesmal rechtzeitig einzutreten, sodaß "das herzogliche Postregal nicht geschädigt wurde".


Zu welchen verzweifelten Mitteln der Schweriner Hof bei seinem Streben, die gefürchteten preußischen Uebergriffe zurückzuweisen, manchmal griff, zeigt nachfolgender Vorfall: Im Jahre 1781 war an des Postdirektors Gutzmer Stelle in Güstrow der Postdirektor Stöckhardt getreten. Da derselbe von Preußen eine Vergütung von 30 Rthlr. erhielt (unzweifelhaft für Dienstleistungen im Interesse der Berlin - Plauer Post und deren Weiterführung bis Güstrow), so bat die General-Postkasse für Rechnungszwecke um eine Beglaubigung von allerhöchster Stelle, daß durch Gutzmers Ableben eine Vakanz eingetreten, nun aber durch Neubesetzung der Stelle wieder gehoben sei. Die Regierung verfügte darauf am 16. Mai 1781 an das Postkontor in Güstrow, wie sie "das Ansinnen der General-Postkasse wegen der von hier aus zu notificirenden Veränderung bei Unserem dortigen Hauptpostkontor etwas so Neues und Andringliches zu sein scheine, daß Wir darauf eine Einlassung bedenklich finden. Ihr habt die Sache daher diesmal gänzlich unbeantwortet zu lassen und bei weiterer Anrege sie in guten terminis dadurch abzulehnen, wie es bei der Notorietät der Veränderung eines förmlichen Notificatorii nicht bedürfe."

Heute erscheint ein derartiges Verhalten einer höchsten Landesbehörde in Fragen von so untergeordneter Bedeutung unverständlich, aber man darf nicht übersehen, dnß der vorerwähnte Vorfall einer Zeit entstammt, wo die zahlreichen großen und kleinen Höfe Deutschlands eifersüchtig um ihre staatliche Selbstständigkeit besorgt waren und der Großmachtspolitik Preußens überall mit Argwohn und Mißtrauen begegneten. Und Herzog Friedrich, dessen Tüchtigkeit und Einsicht auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt war, glaubte um so mehr Grund zu seinem Verhalten Preußen gegenüber zu haben, als dieses seit Jahren schon meklenburgisches Gebiet im Besitz hatte und erst im siebenjährigen Kriege Meklenburg seine schwere Hand hatte fühlen lassen, "der preußischen Posten nicht zu gedenken, welche nun schon seit Jahr und Tag zum Präjudiz des herzoglichen Postregals meklenburgisches Gebiet durchkreuzten" - wie sich eine aktenmäßige Darstellung zur Sache äußert.

Es läßt sich aber darüber streiten, ob der Vortheil, den das Bestehen der preußischen Durchgangsposten in wirthschaftIicher Beziehung für Meklenburg hatte, nicht höher anzuschlagen ist, als die Nachtheile, die sie durch Einsammlung und Beförderung von Sendungen, welche sonst den Landesposten zugeflossen wären, diesen zufügten; denn die Postkurse Meklenburgs konnten auf dem Wege nach Hamburg für den Wettbewerb mit den preußischen Posten überhaupt kaum in Frage kommen, weil die letzteren infolge ihrer Pünktlichkeit, Sicherheit und Schnelligkeit jede Konkurrenz aus dem Felde schlugen. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß die preußischen Posten aus ganz Südwestmeklenburg den Verkehr an sich zogen und hierdurch den Landesposten empfindlichen Schaden zufügten. Wenn, um ein Beispiel aus späterer Zeit herbeizuziehen, nach den Akten die Portoaufkunft der preußischen Posten in dem kleinen Orte Lübtheen für das Jahr 1801 auf 1500 Rthlr. bemessen wurde, so mag diese Angabe übertrieben sein, jedenfalls aber entgingen auch schon früher den Landesposten durch die preußischen Postkurse nicht unerhebliche Beträge an Porto und Gebühren, welche im Hinblick auf die lange Dauer dieser Einbuße und die nur mäßigen Gesammteinnahmen aus den herzoglichen Posten in finanzieller Beziehung sehr wohl in Betracht kommen.

Dem Publikum war es allerdings nicht zu verdenken, wenn es mit Vorliebe sich der preußischen Postkurse bediente, denn die Zahl der preußischen Posten auf der Straße zwischen Berlin und Hamburg war für damalige Zeitverhältnisse schon sehr beträchtlich, wie aus nachfolgender Uebersicht über den Postenlauf in Boizenburg hervorgeht. Dieser Ort wurde am Schlusse dieser Periode von folgenden Posten berührt:

(Am Donnerstag, Freitag und Sonnabend im Wesentlichen wie am Montag, Dienstag und Mittwoch.)

Am Sonntag wurden in Boizenburg keine Posten expedirt.

Im Ganzen verkehrten demnach in Boizenburg abgehend und ankommend wöchentlich 70 Posten, im Durchschnitt posttäglich fast 12 Posten; hiervon entfielen auf Preußen allein 50 Posten, während die übrigen von Hannover, Lübeck und Meklenburg eingerichtet waren; für meklenburgische Rechnung kursirten nur je 2 Mal wöchentlich Fahrposten von Boizenburg nach Hamburg, Schwerin (Rostock) und Parchim und zurück, im Ganzen 12 Posten.

Die preußischen Posten leisteten den Transit für die meklenburgische Korrespondenz nach Preußen und darüber hinaus in die südlichen und südöstlichen Theile des Reichs, ferner nach Süd- und Osteuropa. Die Auswechslung fand zum größten Theil in Boizenburg statt und beschränkte sich auf die einfachsten Formen. Meklenburg bezog das Porto für die inländische Beförderung; für die unfrankirte Korrespondenz wurden die den meklenburgischen Posten zulommenden Beträge in den Karten der Grenzpostämter als Auslagen angesetzt Das Fazit jeder Karte wurde ursprünglich posttäglich, später monatlich und vierteljährlich gezogen.

Die meklenburgische Korrespondenz nach dem Westen und Südwesten Deutschlands ging über Hamburg, wo die Taxis'schen Posten die Weiterbeförderung übernahmen. Nicht selten aber - besonders dann, wenn in Meklenburg sich wieder einmal eine Gegenströmung wider Preußen fühlbar machte, ging der ganze Postverkehr Meklenburgs nach dem Auslande ohne Unterschied über Hamburg und von da mittels der Taxis'schen Posten weiter ins Reich, trotz der Reklamationen, welche sofort von den preußischen Postbehörden bei der meklenburgischen Regierung erhoben wurden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens