Abschnitt 3

Postwesen 1701-1785-Fremde Posten-Brandenburg


Die preußische Regierung hatte von dieser Instruktion jedenfalls Kenntniß erhalten, aber sie that zunächst keine weiteren Schritte, sondern ließ einige Zeit hindurch die Posten von Berlin nach Hamburg in Lübtheen überhaupt nicht mehr halten, sondern durch den Ort ohne Pferdewechsel durchgehen. Die Nachricht von dieser unerwarteten Maßregel rief in der herzoglichen Kammer ein drückendes Gefühl des Unbehagens hervor. Der Ober-Postdirektor von Smith glaubte endlich nichts besseres thun zu können, als nach Berlin die Mittheilung gelangen zu lassen, daß man in Schwerin nichts Anderes beabsichtige, als mit Beibehaltung des guten Einvernehmens mit dem königl. General-Postamte die in diesem Falle ganz unstreitigen herzoglichen Hoheitsrechte in den meklenburgischen Landen zu behaupten. Zum Schluß sprach sich die Kammer aber doch dahin aus, daß man "die preußischen Intentionen - wenn es nur ohne Nachtheil der diesseitigen hohen Gerechtsame irgend passiren könnte - quasi nesciendo passiren lassen wolle, um dadurch eine fernere hiernächst vielleicht noch nachtheiliger ausfallende contestation zu vermeiden."


Von Berlin lief hierauf überhaupt keine Gegenäußerung ein. Aber Dietrichs erhielt aus Lenzen einen Eidesrevers zur Vollziehung zugesandt, durch welchen er sich verpflichten sollte, den König von Preußen als seinen Herrn zu betrachten und das königliche Postregale strenge zu beobachten. Dietrichs bat ben Ober-Postdirektor von Smith um Verhaltungsmaßregeln. So unwillkommen diesem auch die Angelegenheit war, so konnte er eine Antwort nicht umgehen. Er ging aber nicht geradeaus auf das Ziel los, sondern strich in dem Revers die beiden vorgenannten Punkte und sandte denselben so abgeändert an Dietrichs mit dem Bemerken zurück, daß man gern sähe, wenn die Eidesformel in der abgeänderten Weise abgefaßt würde. "Wie ihm hier aber schon mündlich bedeutet worden, daß er in keine Wege sich merken lassen solle, ob hätte er von hiesigem Hofe einige Instruktion erhalten, so hat es dabei sein unveränderliches Bewenden. Und muß er ebenmäßig, als wenn er es nur vor sich thäte, die Erinnerung thun, daß der kürzeste Weg sein möchte, wenn ihm eine schriftliche Anweisung an die Postillone mitgegeben würde, daferne anders, so viel ich mich erinnere, Herr Postmeister Hasper (in Lenzen) es schon abgeschlagen, ihn zu Lenzen den Postillons vorzustellen. Meinet er damit nicht durchzukommen, so finde er sich auf Empfang dieses gleich wieder hier an. Will er aber einen Versuch machen und es gehet sodann nicht nach Willen, so bitte er sich lieber Bedenkzeit aus und komme sodann unverweilet hier an." Preußischerseits wollte man sich auf eine Abänderung der Eidesformel nicht einlassen, aber die Regierung in Schwerin bestimmte, Dietrichs sollte den Eid entweder in der neuen Fassung leisten oder die Eidesleistung überhaupt ablehnen. Hierzu kam es indeß nicht. Die preußische Regierung hielt jedenfalls den Gegenstand einer weiteren Verhandlung nicht für werth, denn die Akten berichten von einer neuerlichen Intervention preußischer Behörden nicht; dagegen läßt sich aus vereinzelten Aktennotizen schließen, daß endlich doch eine Einigung über den Streitpunkt zwischen den beiden Regierungen erzielt wurde.

Dietrichs wurde in Lenzen am. 20. November 1748 für Preußen verpflichtet, und ein inzwischen in Lübtheen für die preußische Post thätig gewesener preußischer Postschreiber ging nach Lenzen zurück.

Der Ober-Postdirektor von Smith sprach demnächst Dietrichs seine Befriedigung über den Verlauf der Angelegenheit aus und ersuchte ihn, nach Schwerin zu kommen, da er mit ihm wegen Anlegung einer meklenburgischen wirklichen Poststation in Lübtheen Rücksprache halten wolle. Aber Dietrichs starb noch im Jahre 1749, und nun besorgte von Smith neue Verwicklungen mit Preußen. Dieselben blieben auch nicht aus. Der von der meklenburgischen Regierung eingesetzte neue Posthalter 2) wurde zwar vom General - Postamte anerkannt, aber dieses behielt sich vor, ihn in sein Amt einzuführen. Herzog Christian Ludwig verfügte am 20. October 1753, daß der Posthalter durch einen meklenburgischen Beamten einzuführen sei. Auf eine Gegenvorstellung der Kammer erging zwei Tage darauf eine herzogliche Verordnung, daß es bei dem Befohlenen sein Bewenden behalten müsse, "um so mehr, als die königlich preußische Post zu Lübtheen von Uns in einer anderen Gestalt als einer bloßen Neben- oder Beistation bisher nicht erkannt ist, noch erkannt werden kann. Und ob Wir gleich an dem Postwesen zu Lübtheen nicht principaliter participiren, so lässet sich doch nach der Natur des Uns in Unserem Territorio allein zustehenden Postregals bei der preußischer Seiten intendirten solennen Anweisung in Lübtheen nicht anders als mit Zuordnung eines Unserer Seits dabei dirigirenden Commissarii verfahren. Und wenn dieser auch allenfalls nichts mehr thut, als daß er dem preußischen Postmeister in Unserem Posthause ad protocollum andeutet, daß er mit Vorbehalt diesseitigen Postregals den actum der Anweisung seinerseits zu verrichten habe, so ist damit Unserem juri allenthalben prospiciret und der Begriff einer precarischen Beipost, gegen welche man vorhin von Berlin aus selbst nichts anhero erwidert, ipso facto bestätiget. Wir glauben auch nicht, daß man preußischerseits gegen diesen modum procedendi etwas einwenden werde; dahingegen ist selbst aus dem Briefe des Postmeisters Hasper in Lenzen ersichtlich, daß man auf eine Lokalanweisung, die außer diesem von Uns vorgeschriebenen Expedienti Unserem Regali und Territorial Juri verfänglich sein würde, fest bestehen zu wollen scheine."

Jetzt fam man aber zu spät, denn während noch der Postdirektor Roland in Schwerin beauftragt wurde, den Posthalter in Lübtheen einzuführen, hatte Hasper in Lenzen bereits die Einführung besorgt, sodaß Roland unverrichteter Sache wieder abziehen mußte. Aber die ganze Angelegenheit hatte für die meklenburgische Regierung keine nachtheiligen Folgen, denn als bald nach diesem Vorfall in Lübtheen ein eigenes meklenburgisches Postkontor eingerichtet wurde, übernahm der jedesmalige herzogliche Postmeister die Mitbesorgung der preußischen Posten, sodaß hier ein ähnliches Verhältniß wie in Boizenburg Platz griff. Bei der Besetzung der Postmeisterstelle in Lübtheen fand späterhin eine Konkurrenz seitens des General-Postamts nicht mehr statt.

Auch unter dem Nachfolger des Herzogs christian Ludwig II., dem Herzoge Friedrich, blieb das bisherige kühle Verhältniß gegenüber der preußischen Post am Schweriner Hofe bestehen. Herzog Friedrich verfolgte mit fast noch größerer Energie als irgend einer seiner Vorgänger das Ziel, das Postregal als ein ihm allein im Lande zustehendes Hoheitsrecht auszubilden und alle fremden Postanlagen im Lande aufzuheben, um an ihrer Stelle Landesposten einzurichten. Den preußischen Posten trat er sofort nach dem Antritt der Regierung schroff entgegen, denn für ihn kam noch der Umstand hinzu, daß er beim Ausbruch des siebenjährigen Krieges auf Seiten der Gegner Preußens stand. Mehrfach kamen infolgedessen Störungen im Kurse der preußischen Posten vor, aber im Allgemeinen war es um seine Pläne den preußischen Posten gegenüber schlecht bestellt, denn die Waffenerfolge Friedrichs des Großen und die Gegenwart preußischer Truppen in Meklenburg ließen es Herzog Friedrich doch gerathen erscheinen, von Gewaltmaßregeln Abstand zu nehmen. Dagegen versuchte er, auf indirektem Wege zum Ziel zu gelangen. Im Jahre 1757 ließ er eigene Postkurse im südwestlichen Meklenburg von Grabow über Lübtheen nach Boizenburg und von Dömitz nach Boizenburg anlegen mit der offenbaren Absicht, durch diese Konkurrenzkurse den Postverkehr jener Gegend von den preußischen Posten abzulenken und den eigenen Posten zuzuziehen. Der Oberaufseher der hannoverschen Hypothekämter in Boizenburg, deren Gebiet von den neuen Postkursen berührt wurde, widersprach dem Durchgange der neuen Posten nicht. Aber sie konnten infolge der kriegerischen Ereignisse nicht emporkommen. Trotz aller herzoglichen Verordnungen, welche auf die neuen Posten hinwiesen und die Bevölkerung jener Gegend zur Benutzung derselben ermahnten, waren die Aufkünfte dieser Posten von vornherein so gering, daß kaum die Betriebskosten aufkamen. Sie stellten daher im Verlaufe des Krieges von selbst den Verkehr ein. Uebrigens hatte die herzogliche Regierung Mühe, den Kurs der alten herzoglichen Posten von Schwerin und Güstrow nach Hamburg aufrecht zu erhalten, da mehrfach der Betrieb infolge der Gegenwart preußischer Truppen im Lande unterbrochen wurde.

Als Herzog Friedrich dann bald nach Beendigung des Krieges die hannoverschen Hypothekämter zurückerworben und schon die Verhandlungen zur Wiedereinlösung der preußischen Pfandämter eingeleitet hatte, sah er, um bei Friedrich dem Großen keine neue Mißstimmung gegen Mecklenburg zu erwecken, davon ab, den preußischen Posten Hindernisse in den Weg zu legen.




2) Der Postmeister in Lübtheen führte die Bezeichnung Posthalter, da er die Poststation Lübtheen - Boizenburg zu fahren, sonstige Postgeschäfte im Orte aber eigentlich nicht zu betreiben hatte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens