Abschnitt 5

Postwesen 1701-1785-Allgemeiner Zustand der Postanstalt


Die Vereinnahmung und Verausgabung der Einkünfte auf den Posten erfolgte nach dem sog. Nettoüberschußverfahren, d. h. in der Schlußabrechnung eines Jahres erscheinen nicht die Einzelansätze der Einnahmen und Ausgaben, sondern der Unterschied beider, sodaß heute mit seltenen Ausnahmen nur die reinen Ueberschüsse bekannt sind. Ein formell durchgebildetes Rechnungswesen bestand nur in den Grundzügen. In der ersten Zeit rechneten die Postkontore mit der Renterei unmittelbar ab. Eine Veranschlagung der Einnahmen und Ausgaben fand nicht statt, weil, wie es in den Akten heißt, die Einnahme aus den Posten zu sehr schwankt, als daß ein fester Ansatz für das folgende Jahr hätte gegeben werden können.


Eine Regelung des Postrechnungswesens erfolgte durch Herzog Friedrich Wilhelm im Jahre 1709, indem das Land in drei Postrechnungsbezirke Schwerin, Güstrow und Rostock eingetheilt wurde. Die Postmeister mußten die Bezirksabrechnungen aufstellen. Das Kontor zu Hamburg rechnete mit Schwerin, das zu Boizenburg 3) mit Güstrow ab. Die Kontore mußten den Hauptkontoren vierteljährlich, spätestens 14 Tage nach Ablauf des Vierteljahres die Rechnungen einsenden. Die Hauptkontore konnten gegen säumige Kontore Exekution selbst mit militärischer Hülfe verfügen; von der Exekution wurde thatsächlich Gebrauch gemacht. Die Hauptkontore hatten spätestens 6 Wochen nach Schluß des Rechnungsjahres die Hauptrechnungen an die Kammer einzureichen. Letzterer lag die materielle Prüfung und Justifizirung der Rechnungen ob; kalkulatorisch wurden dieselben in der Renterei geprüft. Die Kammer stellte die Monita an die Hauptämter, welche dieselben erledigt der nächsten Huptrechnung beizufügen hatten.

Glatt wickelte sich keine einzige Rechnungslegung ab. Die Fristen von 14 Tagen bezw. 6 Wochen waren viel zu kurz bemessen, da die einzelnen Kontore mit einander oder fremden Postämtern, die sich auf tägliche Ausgleichung der Forderungen aus den Charten nicht einlassen wollten, abrechnen mußten, gestundete Beträge erst nach geraumer Zeit einkamen, die Fuhrgelder pünktlich gezahlt werden mußten, und dann nicht hinreichend Geld in den Kassen vorhanden war, um die Restschuld zu begleichen. Da für diese Falle keine Vorsorge getroffen war, so nahm man die für das neue Rechnungsjahr bereits vereinnahmten und entbehrlichen Kassengelder zum Ausgleich.

Schon im Jahre 1711 wurde der Postschreiber Ahrens in Schwerin, weil die Zuziehung eines Berufsbeamten für die Prüfung der Rechnungen erforderlich schien, beauftragt, die Posthauptrechnung zu führen. Ahrens war aber mit der Ablegung der Rechnungen von Anfang an im Rückstande und stellte diese Arbeit vom Jahre 1714 an überhaupt ein; erst nach Verlauf mehrerer Jahre liefen die Rechnungen bruchstückweise ein. Nun fand man aber, daß Ahrens vielfältig die Rechnungen geändert und angeblich 6000 Rthlr. für sich bei Seite gebracht hatte. Er mußte allerdings den Dienst verlassen; aber weitere Maßnahmen wurden gegen ihn nicht getroffen, da die mißlichen politischen Verhältnisse den Ober-Postdirektor von Walter jedenfalls abhielten, den im Solde der Lüneburger stehenden Ahrens schärfer anzufassen.

Erst mit dem Jahre 1735 traten bessere Verhältnisse ein. Wir finden für das Rechnungsjahr 1735/36 in den Akten Angaben über den ersten Etatsvoranschlag 4) in der Postverwaltung, welcher die Ueberschüsse aus den Posten nach dem Durchschnitt der letzten 3 Jahre auf 2500 Rthlr. ermittelte. Bei Einreichung der Kommissionsrechnung an den Kaiser wurde hierzu bemerkt: "Indeß hat hierbei in Ansehung einer ausfündig zu machenden accuraten Einnahme sich ein nicht geringes Hinderniß gefunden, allermaßen von verschiedenen ungewissen Hebungen als Post, Forst, Zoll und dergl. Revenües nichts fermes zu determiniren gewesen und vornehmlich der aus dem bisherigen Landesbedruck entsprungene mitleidenswürdige Zustand der armen Amtunterthanen diese sonst gewisse Abgaben ganz ungewiß, ja fast völlig abgehend gemachet."

Von der Exekutionskasse war noch im Jahre 1725 eine Instruktion über die Postrechnungslegung erlassen worden. Danach hatten die Postkontore in Rostock und Güstrow vierteljährlich ihre Rechnungen und Ueberschüsse an den Postmeister Busekist in Wittenförden abzusenden, der gleichzeitig die Abrechnung für den Bezirk Wittenförden aufstellte. Busekist stellte auch die Monita, über deren Zulässigkeit der Postdirektor von Schütz zu wachen hatte. Zum Defekt gestellte Beträge oder sonstige Bemängelungen waren spätestens bis zum Ende des nächsten Vierteljahres auszugleichen. Von Schütz hatte die Hauptrechnung des Postmeisters Busekist zu revidiren und demnächst mit Bericht einschließlich der Monita an die Exekutionskasse in Boizenburg abzuführen. Die Hauptkontors hatten allmonatlich Kassenextrakte an von Schütz einzusenden, welcher wieder eine allgemeine Bilanz der Kasse an die Exekutionskasse einreichte.

Trotz dieser Vorschriften wollte ein exaktes Kassenwesen nicht festen Fuß fassen. Der Hauptgrund ist bereits oben angedeutet - den Postkontors fehlten am Vierteljahrsschluß die Geldmittel, ihre Restschuld zu begleichen, sodaß höchst störende Verzögerungen entstanden, welche den wahren Stand der Rechnung für ein Jahr nie bestimmt erkennen ließen. Hierdurch entstanden vielfach Uebertragungen von einem Jahr ins andere, sodaß die Rentereirechnungen wohl alle Postüberschüsse aufnahmen, nicht immer aber ein genaues Bild des Jahresverkehrs darstellten. Hieraus ist es erklärlich, wenn das in den Rentereirechnungen angegebene Resultat selten mit den gleichfalls zuverlässigen Angaben der Akten übereinstimmt.

Wegen des Krieges im Jahre 1760 wurde den Postkontoren aufgegeben, die Ueberschüsse monatlich abzuführen, damit streifenden feindlichen Parteien nicht erheblichere Summen in die Hände fielen. Aber alle Kontore im Lande erhoben Einspruch, da wegen der Höhe der gestundeten Portobeträge nicht genügend Geld vorhanden war, um den Ueberschuß eines Monats sofort zu begleichen. In Schwerin belief sich die Summe für gestundetes Porto auf mehrere 1000 Thaler, und da gerade damals auch auf die Fuhrgelder zahlreiche Vorschüsse gezahlt waren, so hatte das Postkontor selten höhere Kassenbestände als einige Hundert Thaler.

Das herrschaftliche Interesse litt unter diesen Verhältnissen oft schweren Abbruch. Abhülfe verschaffte auch nicht die herzogliche Patentverordnung vom 5. Juni 1784, betreffend die Ablegung der Rechenschaft vom anvertrauten Gut. Sie erneuerte zwar die Verordnungen von 1712 und 1749, welche ähnliche Gegenstände betrafen, gab aber sonst keine speziellen Vorschriften, sondern wollte nur bezwecken, daß Unterschleife vermieden würden, "wie der zu itziger Zeit unter allen Ständen sich verbreitende schädliche Luxus auch unter Unseren zur Berechnung herrschaftlicher Gelder und Gefälle beeidigten Diener manche leichtsinnige Gemüther verblendet hat." Die für Unterschleife festgesetzten Strafen schlossen selbst die Lebensstrafe nicht aus.

Seit 1765 waren die Ueberschüsse wieder im Voraus in runder Summe festgestellt; jedes Hauptkontor mußte hiervon einen Theilbetrag als Mindestüberschuß an die Hofkasse abliefern, z. B. im Jahre 1765/66 bei 14000 Rthlr. Gesammtüberschuß Schwerin 5500 Rthlr., Güstrow 7000 Rthlr. und Rostock 1500 Rthlr. Auch hieraus ergaben sich bald wieder Differenzen, da die Posteinnahmen erheblich schwankten. Das Postamt in Güstrow erzielte z. B. im Jahre 1767/68 7510 Rthlr. 23 ßl., dagegen im Jahre 1768/69 6339 Rthlr. 24 ßl. und im Jahre 1769/70 4970 Rthlr. 43 ßl. Ueberschüsse, sodaß die Hofkasse in diesen 3 Jahren an Stelle von 21000 Rthlr. über 2000 Rthlr. weniger vereinnahmte. Dafür wurde von 1775 ab in den Landesetat als Aufkunft aus den Posten ein zehnjähriger Durchschnittsbetrag aufgenommen. Jetzt ergab sich folgendes Resultat:

Es betrug im Dezennium 1766/76

Erst durch dieses Verfahren konnten die Hebungen aus den Posten ausreichend sicher im Voraus bemessen werden.

Während der ganzen Periode von 1701 - 1785 wurden die Postüberschüsse nicht nach der Aufkunft der einzelnen Kontore, sondern nach Kursen berechnet, sodaß die Regierung in der Lage war, die Rentabilität jedes Postkurses sofort übersehen zu können und nach dem Ausfall der jeweiligen Prüfung die im Finanzinteresse nöthigen Umgestaltungen vorzunehmen. Kurse, welche keine Ueberschüsse ergaben, waren nicht vorhanden.




3) Boizenburg gehörte in politischer Beziehung noch zum alten Herzogthum Güstrow; in dieser Hinsicht war auch nach 1701 eine Aenderung nicht eingetreten.
4) In den Akten sind Etats-Voranschläge nach 1740 nicht mehr erwähnt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens