Abschnitt 2

Postwesen 1701-1785-Allgemeiner Zustand der Postanstalt


Es fehlte übrigens im Lande auch nicht an Stimmen, die den Herzögen das Recht bestritten, solche Verordnungen selbständig zu erlassen, welche, wie die neue Postordnung, öffentliche und private Interessen berührten. Wie immer in derartigen Dingen hielt sich der Engere Ausschuß von Ritter- und Landschaft für den berufenen Vertreter und Vertheidiger der Interessen aller Kreise des Landes. Unter Hinweis auf den landesgrundgesetzlichen Erbvergleich, der den Ständen ein weites Feld zur Mitarbeit an der Landesverwaltung zusicherte, beklagte sich der Engere Ausschuß in einer Eingabe vom 2. März 1770, daß die Postordnung ohne Mitwirkung von Ritter- und Landschaft zu Stande gekommen sei. "Euer hochf. Durchlaucht, heißt es in dem Schreiben, sehen die Erlassung der Postordnung mit beigefügter Taxe als einen wesentlichen Theil Ihres landesherrlichen Postregals an und halten sich berechtigt, ohne Verletzung der Landesgrundgesetze auf die in derselben verglichene Kompetenz Ihrer getreuen Stände keine Attention zu nehmen. Es liegt den Ständen ferne, das zu verkennen, ohn Zweifel werben E. h. D. doch auch ermessen, daß das aus der Landeshoheit fließende Postregale ober das Recht und die Befugniß, aus landesherrlicher Macht und Gewalt zu Nutzen und Bequemlichkeit der Unterthanen Posten ohne Jemandes Einrede im Lande anzuordnen, sich mit der auf die Wohlfahrt und Zufriedenheit der Unterthanen aller Stände abzweckenden Konkurrenz der gedachten Stände . . . ganz wohl vereinbaren lasse und wenigstens insofern durch die erstere gesetzlich bestimmt werden soll, wie die Unterthanen sich in Absicht auf die Posten zu betragen oder die Gebühren zu erlegen haben. Diese Vereinbarung beruht nicht in unseren Gedanken oder in unserer Erfindung; sie ist landesgesetzlich und E. h. D. als dero Vorfahren legen sie uns in den Mund. In den §§ 195, 198 und 199 des Erbvergleichs soll in allen gleichgültigen Justiz-, Polizei- und Kirchensachen der Ritter- und Landschaft rathsames Bedenken und Erachten erfordert werden und ohne diese ihr etwas Neuerliches, so ihren Privilegien, Reversalen, Gerechtigkeiten und Verträgen zuwider, nicht aufzulegen. Unter die Polizeisachen gehören ohnfehlbar die Postsachen mit," und da in Polizeisachen - schließt die Eingabe - eine Zuziehung der Stände stattfinde, so sei es unbegreiflich, weshalb bei Erlaß der Postordnung von der Mitwirkung der Stände abgesehen sei. Münz-, Steuer- und Zollregalien seien Hoheitsrechte der Fürsten so gut wie das Postregal, und in allen allgemeinen Sachen auf diesen Gebieten finde stets verfassungsmaßig ein Mitberathungsrecht der Stände statt.


In Verfolg dieses Rechtsstandpunktes hatte demnächst der Engere Ausschuß zur Wahrung öffentlicher Interessen einzelne Bestimmungen der Postordnung über die Haftung der Postanstalt bei Einbruch, Straßenraub u. s. w., sowie bezüglich der Taxen zum Gegenstand einer längeren Auseinandersetzung gemacht; aber die Regierung verhielt sich diesen Vorstellungen gegenüber ablehnend, indem Sie dabei beharrte, das Gesetzgebungsrecht in Postsachen als Ausfluß des dem Herzoge zustehenden Postregals anzusehen. Vielleicht gewichtiger anderer Ursachen halber hatte aber Herzog Friedrich noch im Jahre 1762 bei Erlaß der Verordnung über die Haftpflicht der Postverwaltung für Reisegepäck die Nothwendigkeit zur Mitwirkung der Landstände bei Erlaß von Postverordnungen indirekt anerkannt, indem er auf eine Vorstellung des Engeren Ausschusses an die Kammer verfügte, daß die Verordnung, welche ohne Mitwirkung der Stände abgeschlossen war, vor der Hand zurückzulegen sei. Wenn die Verordnung dennoch im Jahre 1763 bei Entscheidung eines Ersatzfalles als rechtsgültig angezogen wurde, und im Jahre 1770 sogar unverändert als Anlage zur neuen Postordnung erschien, so beweist dieser Umstand nur, daß der Herzog trotzdem die Mitwirkung der Ritterschaft bei Verwaltung des Postwesens nicht als absolut erforderlich erachtete.

Uebrigens suchte der Engere Ausschuß gerade in den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mehrfach Gelegenheit, sein Mitbestimmungsrecht auf postalischem Gebiet zu wahren - immer aber ohne positives Resultat; seine Einwände änderten an dem Inhalte der herzoglichen Verordnungen in seinem Falle, und eine ganze Reihe später ergangener gerichtlicher Entscheidungen sah die Postordnung mit allen für das herzogliche Regal ergangenen Verordnungen als zu Recht bestehende Norm an. So war das Postregal vielleicht das einzige Gebiet der Verwaltung, auf dem die Ritterschaft infolge der Zähigkeit der Herzöge keinen Einfluß zu gewinnen vermochte; es stand außerhalb der langdauernden Kompetenzstreitigkeiten der maßgebenden Gewalten im Lande.

Die Haftpflicht der Post unterlag anfangs einer Beschränkung nur insoweit, als ein eingetretener Verlust bei Beförderung innerhalb Landes binnen 2 Monaten, außerhalb Landes binnen 3 Monaten vom Tage der Einlieferung der Sendung angemeldet sein mußte; diese Frist war bei den mangelhaften Beförderungverhältnissen des vorigen Jahrhunderts viel zu kurz bemessen, sodaß mancher Anspruch wegen Fristversäumniß fortfiel. Die Untersuchung auch eines geringfügigen Falles dauerte oft jahrelang und beschäftigte häufig alle Instanzen, auch fremde Gerichte und auswärtige Universitäten, von denen ein Urtheil eingeholt zu werden pflegte. Für nicht deklarirte Gelder und Pretiosen, ferner für nasse Waaren, Wein, Bier wurde nicht gehaftet, ebenso auch nicht für casus fortuiti und andere ungewöhnliche Begebenheiten.

Die herzogliche Verordnung vom 9. Februar 1740 verfügte, um das Vertrauen zu den Posten zu heben, daß künftig jeder Ersatzfall ohne alle Weitschweifigkeit erledigt werden solle. Die Angabe über den wahren Werth der verlorenen Sache hatte der Absender eidlich zu bekräftigen. Trotz dieser Verordnung dauerte in den sechsziger Jahren die Erledigung eines Ersatzfalles, der einen in Verlust gerathenen Reisekoffer betraf, länger als drei Jahre, und da die beiden schließlich um ein Urtheil angegangenen Universitäten den Fiskus verurtheilten, so erging am 17. Juni 1762 die vorhin bereits angeführte Verordnung, daß jeder Passagier auf den herzoglichen Posten künftig selbst nach seinen Sachen zu sehen habe.

Erst die Postordnung von 1770 regelte die Ersatzfrage in ausreichender Weise. Die Ersatzleistung war abhängig von der reglementsmäßigen Beschaffenheit der Sendung. Grundleglich war der (deklarirte) wahre Werth der Sendung; bei zu niedriger Deklarirung mußte der Defraudant 5 % des Werthes zum Besten des Schweriner Waisenhauses zahlen. Die Anmeldefrist für den Verkehr mit fremden Verwaltungen wurde auf 6 Monate erweitert Die Haftung blieb ausgeschlossen bei "Unglücksfällen", die durch Gottes Wetter, Krieg, feindliche Plünderungen, Einbruch, Feuersbrünste, die nicht in den Posthäusern entstehen, verursacht sind. Auch für Straßenraub innerhalb Landes leistete die Post Gewähr (Verordnung vom 30. April 1771).

Das Maß der dem Postregal beigelegten besonderen Vorrechte war bis 1785 .erheblich erweitert worden. Die Posthäuser besaßen die Gerechtsame privilegirter Orte insofern, "als dieselben mit Einquartierung nicht belegt, auch diejenigen, welche darin Händel anzufangen, oder etwas, es sei aus dem Kontor oder von der Diele an Postgütern zu entwenden sich erfrechen, oder andere Verbrechen daselbst begehen, nicht nur sogleich, wenn man derselben habhaft werden kann, in Verhaft genommen, sondern auch, wenn sie der That überführet sind, in Ansehung der violirten Sicherheit des Posthauses mit schärferer Strafe beleget werden sollen." "Obwohl Unsere Posten und Posthäuser landesherrlich privilegirt sein sollen, so mögen doch diejenigen, welche der Justiz zu entgehen gedächten, keine Retirade noch Freistätte daselbst finden. Solange aber ein Passagier auf Unseren Posten sitzet und reiset, soll er weder persönlich, noch in Absicht auf seine bei sich habenden Sachen zum Arrest oder zur Haft gebracht werden können, sondern es sollen der- oder diejenigen, welche eine rechtsbeständige Ursache zur Arretirung eines Passagiers oder seiner Sachen zu haben vermeinen, sich bis zur nächsten Station, wo der Passagier absteiget, gedulden und alsdann ihre Rechte und Zugeständnisse wider denselben auf eine legale Art wahrnehmen." Excesse gegen die Postanstalten gehörten bei den häufigen kriegerischen Unruhen im Lande während des vorigen Jahrhunderts durchaus nicht zu den Seltenheiten. Sie wurden aber in jedem Falle hart geahndet.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens