Abschnitt 14

Postwesen 1701-1785-Allgemeiner Zustand der Postanstalt


Unanbringliche Sendungen wurden nach Ablauf einer bestimmten Frist und nach öffentlicher Bekanntmachung durch das Intelligenzblatt meistbietend verkauft. Werthlose Sachen, die keinen Abnehmer fanden, wurden an die Armen verschenkt.


Im Allgemeinen wurde der Dienst bei den Postämtern durch den Postmeister persönlich wahrgenommen. Bei größeren Kontors, wo besondere Schreiber beschäftigt wurden, war eine genaue Diensteintheilung durchgeführt, welche Jahrzehntelang bestand. Aus dem Jahre 1755 ist ein Dienstplan des Hauptkontors in Güstrow aufbewahrt worden, welcher die den einzelnen Beamten obliegenden Geschäfte einzeln aufführt. Hiernach lag ob:

a) dem Postdirektor die generale Aufsicht des Güstrower Distrikts und die speciale des Postkontors in Güstrow, die Observirung des herzoglichen Regals, Schlichtung ständig vorkommender Streitigkeiten in Güstrow und bei den 31 untergeordneten Kontors (dieserwegen monatlich eine Korrespondenz von mehr als 100 Bogen), Prozeßführung, Aufstellung von Mlemorialien und Ratifikationen, Schließung der Fuhrkontrakte, Wegeaufsicht, Besorgung von Extraposten und Estaffetten, Anlegung neuer Kontors, Beeidigung von Offizianten, Taxformirungen, Rechnungslegung, Erledigung der Monita, worüber nach allen Orten starke Korrespondenz, vierteljährliche Prüfung und Attestirung der Postbücher u. s. w.

b) dem Sekretair die Abwartung von wöchentlich 136 Expeditionen und Reinschrift der Hauptrechnung.

c) dem Assistenten des Sekretairs Hülfeleistung an den erforderlichen Arbeiten, Abfertigung der Berliner und Hamburger Posten, Abrechnung mit 31 Kontors aus den Charten und Aufstellung der Schlußabrechnung aus denselben.

Die Formen, wie sich der Verkehr des Publikums im Postkontor auch wohl anderswo gestaltet haben mag, schildert in anschaulicher Weise ein Bericht des Postmeisters Kroon in Hamburg vom Jahre 1745, welcher bruchstückweise hier folgen mag: "In das Postkontor kommt Niemand als ich, der Postschreiber Poppe und mein erwachsener Sohn, also lauter Personen, die von Jugend auf mit vornehmen Standespersonen umzugehen gewohnt und gute Erziehung genossen, auch viele und große Reisen gemacht haben, mithin nicht allein mit Leuten von allerlei Stande umzugehen gelernt, sondern auch wissen, wie der Billigkeit nach Passagiers zu begegnen sind. Die Expedition lieget Poppe ob, als dem ich genugsame Geschicklichkeit und Politesse zur Direktion weit gewichtigerer Geschäfte mit allem Fug zutrauen kann; selbiger hat durch die Erfahrung gewitzigt sich entschlossen, mit keinem Passagier die Fracht zu schließen, bevor er dessen Bagage gesehen, dahero denn, wenn ein Passagier sich mitzureisen meldet, er dessen Name und Quartier aufzeichnet, nach Beschaffenheit der Personen sich etliches auf der Hand geben läßt und wann die Sachen durch den Litzenbruder oder dessen Arbeitsmann gebracht werden, solche mit dem Litzenbruder beurtheilt, ob sie ohne oder mit wieviel Ueberfracht passiren können und also nach solchen Befinden die Passagiers, soviel sich uach Billigkeit und Verordnung thun lasset, taxiret und dann sich darnach mit dem Passagier ausgleichet. Behindern mich keine besonderen Geschäfte (Kroon war auch Hofagent), so finde ich mich wenigstens eine Stunde vor Abgang der Post im Kontor ein, gefolglich höre ich selber allezeit, auf welche Weise der Fracht halber der Vergleich geschlossen wird und kann ich theuer versichern, daß abseiten des Poppe allemal nach Vernunft, Billigkeit und Verordnung und mit möglicher Bescheidenheit verfahren wird; indeß muß ich doch mit größtem Mißvergnügen bemerken, daß zuweilen unbillige Passagiers, obschon ihre Bagage noch auf der Wagschale stehet und also überführet sind, daß sie 100 ja mehr Ueberfracht bei sich führen, dennoch solches nicht gestehen wollen. Diesen widerspenstigen Leuten wird dennoch nicht nach Verdienst begegnet, sondern Poppe erklärt ihnen, um allen Verdacht der Vervortheilung vom Kontor abzuwälzen, das Gewicht der Bagage in der Karte aufzuführen, sodaß ihnen freistehe, die Fracht beim Verlassen der Post zu zahlen; dennoch kann man das Murren solcher interessirter Passagiers nicht verhüten. Noch neulich kam eine Frauensperson aus Schwerin und zeigte an, daß sie Nachmittags mit der Post retourniren möchte tnit dem Beifügen, daß sie hoffe, man würde sie vor dasselbe Geld retourniren lassen, wovor sie von Schwerin anhero gekommen. Poppe erwiderte, daß hierselbst die Gewohnheit wäre, keine Fracht zu accordiren, bis die Bagage in Augenschein genommen sei; Unbilliges sollte ihr nicht angemuthet werden. Die Person kam am Nachmittag mit einem Fuhrwagen von Altona herein und hatte verschiedene Sachen bei sich, sodaß Poppe zu meinem Sohne sagte: "Was gilts, sie wird gute Fracht haben;" darauf ging Poppe hinaus und fragte die Frau: Madame, wo sind denn die Sachen? Sie sagte, daß sie außer einem Koffer nichts bei sich führte. Poppe sah darauf des Litzenbruders Arbeitsmann mit ernstlichen Blicken an und sprach: was bedeutet das hier, wollt Ihr mich mit sehenden Augen blind machen? Dieser aber antwortete: Ich bin unschuldig, ich habe Madame auch nach den übrigen Sachen gefraget, die ich auf ihrem Wagen noch gesehen, allein sie behauptet nicht mehr zu haben. Poppe, der sich nicht gerne etwas weiß machen läßt und das Interesse der Post zu stark zu Herzen nimmt, als sich verblenden zu lassen, sucht nach und findet unter einem Mantel noch einen großen Korb und 2 Käse verstevkt. Er sagte darauf zu der Peson, Madame, es geht hier alles aufrichtig und rein zu, und alles heimliche und versteckte, so zum Nachtheil der Post gereichet, wird hier nicht tolerirt." Sie fragte dann, was sie denn vor Fracht zu geben hätte, worauf Poppe replicirte, daß, obschon sie wenig Confidence zu der Billigkeit des hiesigen Kontors hätte, so wolle er dennoch nur 16 ß. vor Ueberfracht anrechnen.

Durchlauchtigster Herzog! kann man moderater verfahren und ist bei dieser von Poppe geführten Conduite was auszusetzen?

Indessen ist ein großer Unterschied, ein Posthaus in eines Herren Land und in einer großen Freistadt zu gouverniren; in ersterem sind fast alle Leute, so darin etwas bringen oder abholen, bekannt und also, wenn sie sich unbillig betragen, zur Strafe zu ziehen, welches sie scheu machet, indessen weiß man hier wegen Vielheit der Domestiken nur selten, wem sie angehören. Noch neulich war da ein Weib, die die Post vor eine bekannte betriegliche und gottlose Post ausschalt, weil man für etwas, so sie brachte und frankiren wollte, 2 ß. mehr forderte, als sie geben wollte. Bei solchen groben Ausschweifungen kann man wohl nicht immer gelassen sein, und deswegen hat auch die hiesige Obrigkeit allen Postämtern die Freiheit verstattet, solche ausverschämte Leute nach Belieben in die Wache setzen zu lassen."

Unter ähnlichen Verhältnissen wickelte sich der Verkehr zwischen Publikum und Post auch in den meklenburgischen Postorten ab, ein Beweis, wie wenig kostbar noch die Zeit unseren Voreltern war, und mit wie zahlreichen Unbequemlichkeiten und Verkehrshemmnissen die alte Zeit zu rechnen hatte, welche unserer leichtlebigen Zeit nicht einmal mehr von Hörensagen bekannt sind.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens