Abschnitt 12

Postwesen 1701-1785-Allgemeiner Zustand der Postanstalt


Die Postkontore waren während der Tagesstunden ununterbrochen für den Verkehr mit dem Publikum geöffnet, also nicht bloß an Posttagen. Fremden war das Betreten des Kontors strenge untersagt. Der Verkehr zwischen Kontor und Publikum fand an der Klappe, einer Art Schalter, statt.


Der Besuch des Publikums am Postschalter war dauernd sehr rege. War das Posthaus doch der beste Ort, Neuigkeiten aus der Ferne zu erfahren. Zumal an Posttagen, wenn Posten kamen und gingen, entfaltete sich ein emsiges Leben und Treiben in und vor dem Posthause; dieser brachte in letzter Stunde noch Sendungen, jener holte solche - viele trieb aber die bloße Neugier nach dem Posthause, denn die Ankunft und der Abgang einer Post brachte immerhin Abwechslung in die Eintönigkeit des kleinstädtischen Lebens. Der Postmeister und sein Personal waren an solchen Tagen vielbegehrte Leute; sie erwiesen sich aber meistens als wenig zugänglich und selbstabweisend gegen die tausend Fragen des Publikums, weil der rechtzeitige Abgang einer Post in Gefahr stand oder die Aussonderung der angekommenen Ladung schnell und ohne Mangel bewerkstelligt werden sollte. Harte Worte waren nichts Seltenes, obgleich häufig den Postmeistern befohlen wurde, sich gegen das Publikum höflich und entgegenkommend zu beweisen. Die vielbeklagte Grobheit der Postbeamten war zahlreichen Aktennachrichten zufolge eine auch unsern Voreltern wohlbekannte Eigenschaft,: die bei dem Postmeister an geschäftigen Posttagen besonders hervortrat und ihm im Verein mit der äußeren Würde seines Amts Ansehen und unbedingten Gehorsam in dem geschäftigen Hin und Her vor und in dem Posthause verschaffte.

Die Auflieferung von Sendungen konnte zwar an jedem Tage erfolgen; besonders beliebt waren aber die Posttage, wenn der baldige Abgang einer Post bevorstand. An größeren Orten, wo sich Posten desselben Kurses kreuzten, wurden häufig auch Briefe, die eben angekommen waren, mit der zurückkehrenden, d. h. mit wendender Post, beantwortet.

Jede Sendung, natürltch auch gewöhnliche Briefe, wurden am Schalter aufgegeben, frankirt oder unfrankirt, wie es der Absender verlangte. Einlieferungsscheine (über Geld- und Werthsendungen) wurden nur auf Verlangen und gegen Zahlung eines Schreibgeldes von 1 oder auch 2 ß. ausgestellt, welches der Postmeister bezog. Werthbriefe und Packete mußten mit einem Begleitbrief aufgegeben, erstere auch sorgfältig versiegelt werden. Ueber die Beschaffenheit der Postsendungen waren in der Postordnung und schon in früheren Postverordnungen Bestimmungen erlassen, die zum Theil auch im heutigen Postverkehr bekannt sind, z. B. Deutlichkeit von Namen und Stand des Empfängers, genaue Bezeichnung des Bestimmungsortes, "mithin wenn zwei oder mehr Oerter gleichen Namen führen, oder wenn der Ort ein bloßes Dorf, ein Hof oder sonst nicht sehr bekannt ist, die Route, welche der Brief nothwendig nehmen muß, auf dem Briefe angezeigt werde; dieses ist besonders bei Briefen mit Geld, Wechseln und anderen wichtigen Briefschaften und Kostbarkeiten zu beobachten." Auch über die Verpackung der Sendung, entsprechend der Weite des Weges und dem Werthe des Inhalts, waren Bestimmungen erlassen. Mangelhafte Verpackung war Grund zur Verweigerung der Annahme.

Eine Kreditirung von Portobeträgen war, wenn auch amtlich streng untersagt, doch schon vor 1750 hier und da in Gebrauch, ebenso auch der Postverlag oder Postvorschuß. Bei Einlieferung der Vorschußsendung zahlte das Kontor den auf der Sendung angegebenen Betrag sofort aus und zog ihn dann erst vom Empfänger der Sendung wieder ein. Das Vorschußgeben war Privatsache der Postmeister, aber in Wirklichkeit wurde die herrschaftliche Kasse zum Vorschußgeben benutzt, sehr zum Nachtheil derselben, denn mit dem Vorschußverfahren wurde vielfältiger Mißbrauch getrieben. Die Beamten erhoben für jeden Vorschuß eine Procuragebühr, die dem Postmeister zufiel. Die Postordnung verbot das Vorschußgeben gänzlich, auch im Verkehr mit den Behörden. Die Regierung führte auch trotz zahlloser Eingaben von Behörden und Privaten das Vorschußwesen nicht wieder ein, aber nicht etwa deshalb, um die herrschaftliche Kasse vor dem Mißbrauch, der mit den Vorschüssen betrieben worden war, zu sichern, sondern aus dem Grunde, weil bei Wiedereinführung der Vorschüsse der herrschaftlichen Kasse die Portogebühren für die Rücksendung der eingezogenen Vorschußbeträge entzogen worden wären. 7)

Bei den Postkontoren wurden auch von jeher die Zeitungen bestellt. Das Publikum bevorzugte besonders Hamburger Zeitungen. Der Zeitungsvertrieb war Privatsache der Postmeister, zunächst der in Schwerin, Güstrow und Rostock. Diese Anstalten lieferten auch alle Zeitungen für die Kontore in ihren Bezirken. Für den Zeitungsvertrieb bestand Portofreiheit. Es war deshalb ein sehr einträgliches Geschäft ohne Risiko und Kosten, das für die größeren Kontore Einkünfte bis zu 600 Rthlr. abwarf. Bei Neubesetzungen von Postmeisterstellen wurde vielfach der Zeitungsverlag pro parte salaria, zur Ersparung großerer Gehaltsmittel verliehen. schon aus diesem Grunde waren die Postmeister geradezu gezwungen, das Privileg nach Kräften auszubeuten, und sie thaten es um so lieber, als die Regierung sich jeder Kontrole über das Zeitungswesen enthielt. Die Postmeister kauften die Zeitungen beim Verleger zu bestimmtem Preise ein und schlugen dann auf jedes Exemplar einen hohen Prozentsatz auf, für den dann den Beziehern oder den kleineren Kontoren die Zeitung überlassen wurde. Noch im Jahre 1774 waren die drei Hauptkontore "die Hauptquellen, worin und woraus alle Zeitungen fließen müssen, Nebenbäche und Sümpfe werden aber aus guten kameralistischen Gründen als schädlich erkannt und nicht geduldet." Die kleineren Kontore schlugen wieder beträchtlich auf ihren Bezugspreis auf, sodaß der Bezieher am kleinen Orte die Liebhaberei einer eigenen Zeitung theuer erkaufen mußte.

Eine Konkurrenz mit dem Zeitungsprivileg der Postmeister war so gut wie ausgeschlossen, da für jede andere Beförderung der Zeitungsnummern bestimmungsmäßig das volle Briefporto entrichtet werden mußte. Neben einem fast unerschwinglichen Preise mußte der Leser am kleinen Orte je nach der Lage des letzteren ständig eine unliebsame Verzögerung der Zeitungen mit in Kauf nehmen; denn alle Zeitungen wurden zunächst an die Hauptkontore befördert und nahmen von da den Weg zu den Nebenkontoren. Die Leser Hamburger Zeitungen z. B. in Neubukow, das zum Rostocker Bezirk gehörte, erhielten ihre Zeitung aus Rostock, nachdem diese am Posttag vorher über Neubukow nach Rostock befördert worden waren. Aber einer Abzweigung derartiger Orte aus dem Bezirk oder der Schaffung anderer Einrichtungen widersetzte sich jedes Hauptkontor sehr energisch, da es dann die Uebersicht über den Zeitungsverkehr hätte verlieren können. Eine derartige Ausbeutung des Monopols konnte zwar einer möglichst weiten Verbreitung der Zeitungen im Interesse der Volksbildung durchaus nicht förderlich sein, es entsprach aber dem herrschenden System, einem Mangel an Gehalt der Postmeister durch beliebige Accidenzien abzuhelfen, wenn die Erhebung derselben auch wichtige Interessen schädigte.

Dem Postdirektor Hennemann in Schwerin war auch der Verlag des offiziellen Intelligenzblatts verliehen, zu welchem die Universität Bützow Beiträge an gelehrten Sachen zu liefern hatte.

Die Postsendungen wurden zur Portoberechnung in verschiedene Klassen eingetheilt. Voran standen natürlich die Briefe. Unter den Päckereien unterschied man Handpackete bis 16 , Kaufmannswaaren über 16 , Wild (dazu gehörig Fischwerk, Citronen, Muscheln, Austern, Victualien u. s. w.), Grünes Obst (Rüben, Kartoffeln), Hasen, nasse Waaren (Bier, Wein) und leere Fässer. Die Berechnung des Portos für eine Postsendung war somit nicht so einfach, wie es scheinen mag, denn die Portosätze für die einzelnen Klassen von Sendungen waren sehr verschieden bemessen, und nicht selten entspann sich eine lange Auseinandersetzung zwischen den Beamten und dem Auflieferer darüber, ob eine Sendung nach der höheren Taxe der Landpackete oder der niedrigeren der Victualien zu berechnen sei. Besonders auf größere Entfernungen, z. B. aus dem Osten des Landes nach Hamburg, setzte sich das Gesammtporto für eine Sendung aus zahlreichen Einzelberechnungen zusammen, die zum möglichst hohen Betrage im Interesse der Kasse zu berechnen jeder Beamte eifrig beflissen war.




7) Die Postverläge (Postvorschüsse) wurden thatsächlich erst in diesem Jahrhundert wieder zugelassen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens