Abschnitt 11

Postwesen 1701-1785-Allgemeiner Zustand der Postanstalt


Im Lande stand besonders die Station in Demen zwischen Schwerin und Sternberg in schlechtem Ruf.


Die meisten Posten wurden vierspännig gefahren. Nur auf wenigen guten Wegen reichten zwei Pferde aus. Im Winter und bei tiefen Wegen im Frühiahr und Herbst waren auch 6 und 7 Pferde vor den Posten keine Seltenheit, und dennoch kamen Verspätungen um viele Stunden häufig vor.

Die Posten fuhren Tag und Nacht. Die Festsetzung der Fahrzeiten richtete sich bei sämmtlichen Landkursen nach den beiden großen Hamburger Linien, bei diesen selbst nach den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der fremden Posten in Hamburg. Jede Verzögerung der Hamburger Kurse brachte sofort das ganze Kurssystem des Landes in Unordnung. Ganz zuverlässig konnten daher die in den Postkontoren ausgehängten Kurstabellen nie sein, höchstens im Sommer, während sonst besonders bei den entlegeneren Kursen im Osten des Landes immer mit Verspätungen gerechnet werden mußte. Wer die höheren Kosten irgendwie erschwingen konnte, zog das Reisen mit Extrapost dem Postwagen vor. Sämmtliche Posten verkehrten zweimal wöchentlich. In dieser Beziehung kam eine wesentliche Aenderung während des ganzen vorigen Jahrhunderts nicht vor. Die im Laufe der Zeit hinzutretenden neuen Kurse fügten sich iu den homogenen Lauf des allgemeinen Kurssystems ein.

Der Posttag, d. h. der Tag, an welchem in einem Orte Posten regelmäßig gingen und kamen, war daher für kleinere Orte des Landes an seitlichen Kursen von hoher Bedeutung, da viele Bevölkerungskreise aus dem Gehen und Kommen der Posten Nahrung zogen, z. B. Gastwirthe, Kaufleute u. s. w. Für die an den Hamburger Kursen belegenen Orte waren die eigentlichen Posttage diejenigen Tage, an denen die Hamburger Posten eintrafen und abgingen. So waren für Schwerin Dienstag und Freitag fast anderthalb Jahrhunderte hindurch noch bis vor 50 Jahren die Hauptposttage der Woche.

In der Regel fand in den Posthäusern auch eine Bewirthung der Postreisenden statt; nur in Schwerin, Güstrow und Rostock mußten die Reisenden die dem Posthause benachbarten Herbergen aufsuchen. Deren waren überall im Lande eine ganze Zahl vorhanden, denn die Posten hatten vielfach lange Stilllager, häufig von mehreren Stunden, besonders an Uebergangspunkten, wo andere Postkurse abgingen. Eine kurze Ruhepause in einer Herberge war für die Postreisenden dringendes Bedürfniß, weil die Reise auf dem Postwagen auf langen Strecken außerordentlich beschwerlich war.

Die Postwagen waren sehr unvollkommen, eigentlich nur Karren zu nennen. Hören wir, welche Schilderung der Engländer Nugent, welcher im Jahre 1766 Meklenburg bereiste, von den Postwagen giebt. "Morgens 6 Uhr fuhr ich von Hamburg ab und zwar mit dem gewöhnlichen Fuhrwerk dieses Landes, nämlich dem Postwagen, der wenig Prozent besser ist als unsere Mistkarren, indessen sind doch querüber Bänke mit etwa 1 1/2 Duß hoher Lehnung genagelt. Gewöhnlich giebts auf jedem Postwagen drei solcher Bänke, deren jede 3 Personen hält. Uebrigens ist aber der Wagen die mehrste Zeit so voll tausenderlei Sachen gepackt, daß ein Passagier oft nicht soviel Raum hat, wo er seine Füße hinsetzen kann. Ohne Leiter wäre man garnicht im Stande heraufzukommen. Diese Wagen fahren Tag und Nacht, bei jeder Witterung, sodaß man immer gewiß ist, zu einer bestimmten Zeit das Ende seiner Reise zu erreichen. Sie fahren nur langsam und bedächtlich und kaum eine Meile in einer Stunde; da wo die Wege schlecht sind, wird man was rechts gerumpelt und gestoßen. Auch ist es sehr unbequem, daß diese Fuhrwerke unbedeckt sind, weswegen man alle Witterung, Sonnengluth, Hagel, Platzregen und Schneegestöber geduldig aushalten muß. Es ist jedoch im Ernst befremdend, daß man in Deutschland nicht mehr für die Bequemlichkeit der Reisenden sorgt, da doch hier so sehr viel gereist wird; allein noch befremdender ist es, daß man das elende Fuhrwerk ebenso theuer bezahlen muß als unsere bequemen Karossen in England. so kostet z. B. der Weg von Hamburg nach Lübeck, der nicht mehr als 8 Meilen betragt, 1 Rthlr. 3 ßl., ferner vertrink ich etwa 3 - 4 ßl. und überdies erhält der Postillon noch 2 ßl. Trinkgeld für jede Station. Die Postwagen haben oft sehr reiche Fracht geladen; auf jedem befindet sich eine schwere Postlade, in welcher der Postmeister die zur Post gelieferten Gelder und Pretiosen verschließt, denn ob sie gleich bei Tage und bei Nacht Wälder und Gebüsche passiren, so existirt doch nie der Fall, daß sie bestohlen würden, da doch oft nur ein einziger postknecht beim Postwagen vorhanden ist. Ich erwählte dieses erbärmliche Fuhrwerk, um in einem offenen Wagen die Gegend besser überschauen zu können."

Nugents Bericht ist durchaus nicht übertrieben. Auch am Schlusse des vorigen Jahrhunderts waren noch offene Wagen in Gebrauch, die aus einem großen ungefügen Kasten mit Weidengeflecht auf schweren Achsen mit plumpen Rädern bestanden. Bei den schlechten Wegen blieb der Wagen höchstens 2 Jahre gebrauchsfähig; er hatte in dieser Zeit 8 - 9000 Meilen zu durchlaufen, mithin wöchentlich 80 - 85 Meilen.

Die mangelhaften Wagen waren übrigens durchaus den meist schlechten Wegen angepaßt. Die Klagen über die letzteren waren allgemein, aber immer vergeblich, denn die Wegebesserung wurde wohl häufig von Regierung und Städten, Behörden und Privaten projektirt, aber zur Ausführung kam es nie. Selbst auf belebteren Kursen waren die Wege häufig in so dürftiger Verfassung, daß es den Posten unmöglich war, ihre Fahrzeit streng innezuhalten. Und was es mit der sog. Wegebesserung auf sich hatte, und wie gerade gebesserte Wege von den Fuhrleuten am meisten gefürchtet waren, das geht aus mannigfachen Andeutungen in den Akten zur Genüge hervor.

Schon Postdirektor von Schütz hatte die Aufmerksamkeit der Exekutionskasse auf den mangelhaften Stand der Verkehrsstraßen gelenkt und gleichzeitig ein langes Verzeichniß der besonders besserungsbedürftigen Heerstraßen vorgelegt. Im Jahre 1769 war der Weg von Boizenburg nach Hamburg so schlecht, daß der Postmeister in Boizenburg dem Herzog von Meklenburg - Strelitz, der nach Hamburg reisen wollte, rieth, gleich hinter Boizenburg einen gefährlichen Engpaß zu Fuß zu passiren, da der Wagen - 4spännig - hier sicher umwerfen würde. Nach des Engländers Nugent Schilderung war der Weg zwischen Rostock und Laage 6) im Jahre 1782 gleichfalls sehr mangelhaft, sodaß westfälische Wege - die wegen ihres schlechten Zustandes berüchtigt waren - vergleichsweise für Chausseen gehalten werden konnten. In schlechtem Rufe standen besonders die Wege in der Gegend von Schönberg, deren einer weit und breit unter der Bezeichnung "böse Herberge" bekannt war, weil grundsätzlich jedes Fuhrwerk hier umwarf, ferner auch der Weg zwischen Wismar und Rostock, welcher auch noch in diesem Jahrhundert bei halbwegs schlechtem Wetter nur mit Lebensgefahr zu passiren war.

Der eigentliche Betriebsdienst bei den Postkontoren wickelte sich auch am Schlusse der Periode noch in sehr einfachen, dürftigen Formen ab. Aus den Ueberresten der Dienstvorschriften, die noch der Geh. Kammerrath Mumme erlassen hatte, und einem bunten Allerlei durch Gewohnheit und das Beispiel anderer Postanstalten angenommener Dienstformen hatte sich im Laufe der Jahre eine Dienstpraxis herausgebildet, die durch die Postordnung von 1770 eine halbwegs einheitliche Gestaltung erhielt Ihr wesentlicher Inhalt bezweckte auch weniger die Regelung des Dienstes als vielmehr in erster Linie die richtige Berechnung der Postgefälle.

Nach der Postordnung sollte das Posthaus gut situirt sein, also an einer breiten Straße oder am Marktplatz, da der Postwagenverkehr großen Raum beanspruchte und manche Dienstgeschäfte, z. B. das Beladen und Leeren der Wagen, das Nachsehen der Ladung einfach auf offener Straße vorgenommen wurde. Herrschaftliche Postgebäude gab es nur vorübergehend, z. B. in Boizenburg, Schwerin, Güstrow u. a. D. In der Regel hatte der Postmeister für Beschaffung eines Kontorraums und eines Wartezimmers zu sorgen. Vor größeren Postkontoren, z. B. in Schwerin standen Wachtposten; in Boizenburg versahen zwei Invaliden den Wachtdienst.




6) Der Weg war gepflastert. aber seit Menschen Gedenken nicht aus gebessert. Der Wehg gehörte dem Herzoge. wurde aber vorzugsweise von den Edelleuten und deren Bauern benutzt. Ob diese ihre Wagen in Stücke brechen oder 3 Tage auf einer Reise zubringen, zu welcher bei gutem Wetter nur einer erfordert wird, ist der herzoglichen Renttammer gleichgültig. (Nugent.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens