Abschnitt 1

Postwesen 1701-1785-Allgemeiner Zustand der Postanstalt


III. Das Postwesen in Meklenburg - Schwerin von 1701 bis 1785.


Allgemeiner Zustand der Postanstalt.

Am Schlusse des ersten Jahrhunderts seines Bestehens bietet das Postwesen in Meklenburg einen erfreulichen Anblick dar. Trotz der Abgeschlossenheit des Landes nach außen und der langjährigen Wirren und kriegerischen Ereignisse im Innern war für die Landespost eine feste Grundlage geschaffen, auf der unter günstigen wirthschaftlichen Verhältnissen ein gesunder Aufbau möglich war.

Das Postregal als herzogliches Hoheitsrecht war trotz der Wirren unter Herzog Carl Leopold fest begründet. Sein Entwicklungsprozeß war im Großen und Ganzen durch die im Jahre 1710 erlassenen Verordnungen des Herzogs Friedrich Wilhelm zum Abschluß gekommen. Durch die langwierigen Streitigkeiten zwischen Fürsten und Landstände war das Postwesen eigentlich nie direkt berührt worden, selbst im landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 wird es nirgends besonders erwähnt, obgleich es schon damals eine wichtige Rolle im Wirthschaftsleben des Landes spielte. Vielleicht beweist dieser Umstand, daß das herzogliche Postregal auch bei den Ständen volle Anerkennung gefunden hatte.

Für die Herzöge bildete das Regal ein reines Finanzobjekt. Daraus erklärt sich, daß neue Postkurse, neue Postanlagen nur in dem Falle entstanden, wenn ein sicherer Gewinn zu erwarten war; das wirthschaftliche Bedürfniß wurde zwar hie und da in Rücksicht gezogen, ohne indeß entscheidend zu sein. So begreift sich auch das ablehnende Verhalten der Herzöge gegenüber den fremden Posten, die zwar für Handel und Verkehr im Lande unzweifelhaft von Bedeutung waren, andererseits aber dem herzoglichen Regal fühlbaren Abbruch thaten. Der Gegensatz zu den fremden Posten im Lande hinderte aber die Herzöge nicht, ihrerseits außerhalb Meklenburgs Postgerechtsame auszuüben. In Hamburg blieb das herzogliche Postkontor aller Anfechtungen ungeachtet von Bestand, in Lübeck stand den Herzögen ein gewisses Maß von Postbefugnissen zu, und in Ratzeburg wie in Lauenburg hatten die Meklenburg - Hamburger Kurse seit uralter Zeit den Postverkehr vermittelt; durch die Konvention von 1743 mit Hannover wurde dieses Vorrecht ausdrücklich anerkannt.

Dem Postzwang wurde im Verlauf dieser ganzen Periode eine immer schärfere Präzision zu Theil. Die Verordnung vom 25. Juli 1710 stellte den Reiseverkehr ganz unter die Kontrole der Postanstalten; ebenso wurde auf Briefe und kleine "postmäßige" Päckereien der Postzwang uneingeschränkt ausgedehnt. Nur Frachtgegenstände wurden dem Fuhrgewerbe zur Beförderung freigegeben. Wo die Grenze zwischen postmäßigen und frachtbaren Sachen lag, blieb vor der Hand unentschieden. Jedenfalls aber war dieser Mangel gerade die Ursache, weshalb der Wettbewerb des Fuhrgewerbes schwer zu beseitigen war. Noch im Jahre 1740 beförderten die Posten Sachen von 2 - 300 Gewicht; "hierfür sei zwar, wie Postmeister Jahnke sich äußerte, keine Verordnung erlassen, solches sei aber durch die Gewohnheit bekannt." Da dieser Brauch aber die Postwagen den Frachtwagen ähnlich machte und den regelmäßigen Lauf der Posten erschwerte, wurde am 6. April 1740 das Meistgewicht für Postpäckereien auf 100 festgesetzt.

Am 3. April 1755 erfolgte dann endlich eine Verordnung, welche den Postzwang ohne Unterschied auf Gelder, Pretiosen, Briefe und Packete bis zu 25 Gewicht ausdehnte. Personen waren in der Verordnung nicht erwähnt, da sie unbestritten dem Postzwang unterlagen, wie aus dem neuen Fuhrreglement vom 10. Dctober 1759 deutlich hervorgeht. Nur hatte sich bezüglich der Personenbeförderung die Postverwaltung eines Theils ihres Monopols insofern entäußert, als sie den Extrapost-, Kurier- und Estaffettendienst sowie die Gestellung der Beiwagen zu den regelmäßigen Posten allgemein den Reihefuhrämtern bezw. dem Fuhrgewerbe überhaupt, allerdings unter strenger Kontrole der Postanstalten überwiesen hatte. Die Begrenzung des postzwangspflichtigen Gewichts auf 25 schloß nicht aus, daß die Posten auch schwerere Sendungen bis zu 150 Gewicht beförderten; selbst Frachtsachen blieben eine ständige Erscheinung auf den herzoglichen Postwagen. Zeitungen unterlagen nicht direkt dem Postzwange; der Zeitungsvertrieb war vielmehr Privatsache der Postmeister, welche für den Zeitungsvertrieb Portofreiheit genossen. Uebrigens konnte sich Jedermann Zeitungen kommen lassen, wie und von wo er wollte; aber wenn das Publikum seine Zeitungen nicht von dem Postamte sondern direkt vom Verleger bezog, so mußte für jede Nummer das volle Briefporto entrichtet werden; das kam durch die Vertheuerung des Bezuges einem Verbote gleich, sodaß für Zeitungen gleichfalls ein indirekter Postzwang bestand.

Zur Illustration, wie eng der Begriff des Postzwangs von den meklenburgischen Herzögen aufgefaßt und wie ängstlich darüber gewacht wurde, jeden auch nur scheinbaren Eingriff in das Regal zu verhindern, lehrt nachfolgender Vorgang: Im Jahre 1752 war eine zweimal wöchentlich kursirende Fahrpost von Parchim über Lübz, Goldberg und Dobbertin nach Güstrow angelegt worden. Die Verwaltung des adligen Klosters in Dobbertin, welche bisher zur Unterhaltung des Postverkehrs zweimal wöchentlich einen Boten zwischen Dobbertin und Güstrow hatte laufen lassen, der auch für andere nicht zum Kloster gehörige Personen Briefe beförderte, wurde in jenem Jahre von der Regierung angewiesen, den Botengang aufzuheben, da jetzt Dobbertin von herzoglichen Posten berührt würde. Trotz dieser Verordnung verkehrte der Bote ruhig weiter, bis 1769 die Verfügung erging, daß das Postamt in Güstrow die von dem Boten überbrachten Briefe weder befördern noch dem Boten Briefe für das Kloster mitgeben sollte. Da jetzt aber der Landtag zu Gunsten des KIosters intervenirte, erging am 16. März 1770 die Verordnung: "Einem jeden Mitgliede unserer getreuen Ritter- und Landschaft bleibt es allemal unbenommen, dergleichen ihm gehörige Sachen durch seine Fuhren und Boten fortbringen zu lassen, wenn er sich unserer Posten zu bedienen nicht gerathen findet." Mit Bezug auf den vorerwähnten Fall entschied demnächst aber die Regierung, daß die Berechtigung, eigene Boten zur Briefbeförderung absenden zu dürfen, immer nur einzelnen Personen, nicht aber Korporationen und Kollegien (also auch nicht dem Kloster) zustehen sollte. Daraufhin wurde die Aufhebung des Klosterboten verfügt, ohne daß der Landtag weiter zur Sache Stellung nahm.

Die für das Postwesen erlassenen zahlreichen älteren Verordnungen sind in der Mehrzahl Straf- und Zwangsgesetze. Sie tragen in unverfälschten Zügen den Stempel des Entwicklungsganges, den das meklenburgische Postwesen durchmachte. Ohne inneren Zusammenhang unter einander enthalten die einzelnen Verordnungen zahlreiche Unklarheiten und Widersprüche, ein Beweis, daß bei der Regierung die Erfahrung und der erforderliche Ueberblick, häufig auch wohl bei der Fülle anderer wichtigerer Verwaltungssachen das erforderliche Interesse für das Postwesen fehlte. Jedenfalls berechtigt das Vorhandensein der zahlreichen Postverordnungen zu der Annahme, daß es der Regierung und Kammer nur unter Schwierigkeiten mancher Art möglich war, den Einklang zwischen den fiskalischen Interessen der herzoglichen Chatulle und den wirthschaftlichen Bedürfnissen von Handel und Verkehr herzustellen.

Erst in den von Herzog Friedrich erlassenen Postverordnungen ist ein fester Aufbau erkennbar, der sich gegen das bunte Allerlei der älteren Verordnungen vortheilhaft abhebt. Durch den Erlaß der Postordnung von 1770 war ein wichtiger Schritt vorwärts gethan, denn jetzt waren endlich für die Beziehungen zwischen Post und Publikum feste Bestimmungen erlassen, die für die damaligen einfachen Formen des wechselseitigen Verkehrs vollkommen ausreichten und vermöge ihrer schematischen Fassung leicht beim publikum Eingang fanden. Vor Allem war jetzt auch die lang entbehrte Einheitlichkeit im Geschäftsbetrieb bei allen Postanstalten des Landes gewonnen, indem die Postordnung Bestimmungen über die äußere Beschaffenheit der Postsendungen, über die Formalitäten bei Einlieferung, Beförderung und Aushändigung der Sendungen, über die Ersatzleistung und über andere wichtige Fragen des Postdienstes umfaßte. Daß auch zahlreiche Härten in der neuen Postordnung enthalten waren, erklärt sich aus dem Geiste der Zeit, die in Bevormundung der Unterthanen das Heil des Staates erblickte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens