Botenanlagen in Mecklenburg

I. Botenanlagen in Mecklenburg.

Die Vorläufer der staatlichen Posten waren Boteneinrichtungen.


Wie in den übrigen deutschen Landen bestanden auch in den mecklenburgischen Herzogtümern vor der Errichtung staatlicher Postanlagen bis in das 17. Jahrhundert hinein Botenanstalten, die den Korrespondenzverkehr und Nachrichtendienst im Lande und nach auswärts vermittelten. Sie waren indessen keine Postanlagen im heutigen Sinne des Worts, sondern Verkehrsanstalten, welche einseitig oder doch wenigstens in erster Linie und fast ausschließlich Privatinteressen dienten, nämlich denen der Herzöge von Mecklenburg und denen der Kaufmannschaft in den Seestädten Rostock und Wismar. Sonstige Botenanlagen von einiger Bedeutung bestanden in Mecklenburg nicht. Dass, wie es in Süddeutschland und am Rhein der Fall war, nicht noch andere Kreise der Bevölkerung ein Bedürfnis nach derartigen Botenanlagen hatten, war in der geschichtlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Mecklenburgs begründet.

Die süd- und westdeutschen Staaten erfreuten sich bereits Jahrhunderte lang, bevor Mecklenburg als deutsches Reichsland in der Geschichte auftritt, während wichtiger Epochen der deutschen Kaiserzeit einer hohen Kultur; Handel und Verkehr, Künste, Kunstgewerbe und Wissenschaften standen in reicher Blüte - hier waren gut entwickelte, weit verzweigte Verkehrs- und Botenanlagen zur Verbindung mit nah und fern Lebensbedürfnis für alle Schichten der Bevölkerung in Stadt und Land.

Wesentlich anders lagen die Verhältnisse in den mecklenburgischen Herzogtümern.

Abseits der großen Verkehrsstraßen des mittelalterlichen Welthandels belegen, war Mecklenburg erst im 12. Jahrhundert der deutschen Kultur erschlossen worden. Mehrere Jahrhunderte erforderte es, bis sich die völlige Verdrängung der einheimischen slawischen Bevölkerung oder ihre Verschmelzung mit der eingewanderten deutschen Bevölkerung vollzogen hatte. In sich abgeschlossen und an den großen Ereignissen der deutschen Geschichte wenig teilnehmend, gelangte Mecklenburg nur zu einseitig wirtschaftlicher Entwicklung. Ackerbau und Viehzucht bildeten bis in die neuere Zeit hinein die Hauptnahrungszweige seiner Bevölkerung; Handel und Verkehr blühten nur in den Städten, besonders in den alten Hanseorten Rostock und Wismar und in den Landstädten Güstrow, Parchim und Neubrandenburg; Kunst, Kunstgewerbe und Wissenschaften erhoben sich nur zeitweilig und stellenweise über das Maß des Alltäglichen.

Bei derartigen allgemeinen Verhältnissen fehlten in Mecklenburg alle diejenigen Voraussetzungen fast vollständig, welche in Süddeutschland und am Rhein schon frühzeitig Handel und Verkehr zur Entfaltung gebracht und Fürsten, Städten, Korporationen und Privaten Anlass gegeben hatten, die für ihre Beziehungen nach außerhalb notwendigen Verkehrseinrichtungen - postähnlich gestaltete Botenanlagen - zu schaffen und dergestalt zu vervollkommnen, dass sie weit und breit als Musteranstalten angesehen wurden.

In Mecklenburg hatte lediglich das Fürstenhaus und die Kaufmannschaft in den Städten, vor allem in Rostock und Wismar, ein Interesse an dem Bestehen einer Boteneinrichtung. Tatsächlich besaßen auch beide Faktoren eigene Botenanstalten, denen in ihrer Organisation und Leistungsfähigkeit allerdings manche Mängel anhafteten, die aber bei dem Fehlen besserer Einrichtungen dem Bedürfnis genügten, und die ihren Betrieb erst mit der Einrichtung selbstständiger staatlicher Postanlagen einstellten.

Für die breiteren Schichten der Bevölkerung besorgten wandernde Mönche, reisende Kaufleute, herumziehende Metzger, Frachtfahrer, Handwerksgesellen und sonstige fahrende Leute Briefe und Nachrichten von Ort zu Ort - aber wie es um die Zuverlässigkeit der Boten und die Sicherheit für die Besorgung der Sendungen bestellt war, kann nicht zweifelhaft sein. Trotzdem erhielt sich die gelegentliche Beförderung von Briefen u. s. w. im Reiseverkehr bis in die neuere Zeit hinein, denn zahlreiche landesherrliche Verordnungen untersagten noch in diesem Jahrhundert bei hoher Strafe den Kaufleuten und Frachtfahrern, zum "praejudiz" des inzwischen statuierten Postregals Briefe u. s. w. zur Beförderung anzunehmen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens