Abschnitt 2

Botenanlagen in Mecklenburg-Der Herzöge


So sandte gelegentlich der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwischen den mecklenburgischen Herzögen und Rostock ausgebrochenen Zwistigkeiten Herzog Johann Albrecht drei Boten an die Höfe mehrerer Reichsfürsten ab. Der erste Bote ging zum Markgrafen von Anspach, dem Pfalzgrafen zu Zweibrücken, dem Herzog von Bayern und dem Erzherzog von Österreich zu Innsbruck, und legte 158 Meilen zurück; 21 Tage lag er auf der Reise still; er erhielt als Entschädigung 15 fl. 16 ßl., d. h. für die Meile 2 ßl. und für je 1 Tag Stilllager 3 ßl. Der zweite Bote lief zum Herzog von Jülich, den Erzbischöfen zu Cöln und Trier und legte 126 Meilen zurück. Er bekam (einschl. für 8 Stilllager) 11 fl. 12 ßl. Der dritte Bote war zum Herzog von Lüneburg, Herzog von Braunschweig, Landgrafen von Hessen, Erzbischof zu Mainz, Herzog von Württemberg 106 Meilen unterwegs und bekam 9 fl. 13 ßl. (einschl. für 5 Stilllager).


Von der Beschwerlichkeit des Botendienstes berichtet eine Eintragung der Güstrower Renterei-Rechnungen von 1617/18: "Einem Boten Hans Wintern so mit Notificationschreiben an den Bischof nach Bremen geschickt gewesen, und von dar in Frießlandt lauffen müssen, vor 54 Meilen, für die Meile 4 ßl., weil er in Waßer waden müssen, vnd 9 Tage Ligegeldt, den 2. December ünd 19. Januar (d. h. vom 2. December 1617 bis 19. Januar 1618 unterwegs) - 10 fl. 13 ßl."

In Zeiten kriegerischer Ereignisse erhöhten sich naturgemäß die Beschwerlichkeiten der Reise, da die Boten häufig Umwege machen mußten, um an den Ort ihrer Bestimmung zu gelangen. Das war besonders im dreißigiährigen Kriege der Fall, wo Ueberfälle und Beraubungen der Boten nicht zu den Seltenheiten gehörten. Von dem Kammerboten Hans Durst in Schwerin, welcher im Jahre 1636 eine Botenreise ins Reich auszuführen hatte, ist ein Reisebericht aufbewahrt worden, in welchem er seine Reise folgendermaßen beschreibt: "VOrzeichnus wie ich habe geloffen. Erstlich nach Hilsem (Hildesheim) ist 30 Meillen, die Meillen 4 ßl., Zu Hilsem habe ich 10 Dage warten mussen vndt ich mein Abbeschett (Abschied) in den 10 Dagen nicht bekommen, ist die General aufgezogen nach dem Churfürsten von Sachsen, habe ich inen nach loffen mussen von Hilsem nach Gardeleuen, sind 8 Meillen, von Gardeleuen nach Clötz, seindt 3 Meillen, von Clötz nach Soltwedell, sindt 3 Meillen (einen Dag warten mussen), weider her bin ich auf Dannenberg zu kommen, seindt 10 Regementer sachgesch (sächsisch) Folk durchgezogen, das ich habe nodtwendig 4 Tage warten rnost, also ich habe meine Abfertung bekommen gehabt zu Solltwedell, vndt auf der Hinreisse habe ich zu Löuenburg (Lauenburg) 5 Dage nodtweindig warten most wegen des Schwedischen Folkes, an Fergeldt hin vndt her 3 ßl. gegeben. An Meillen 51. Wie ich zu Schwerin bin kommen, habe ich das Beschet nach butzow bringen most. Habe ich auf die Reisse endtpfangen 3 Rthl." (Durst erhielt darauf bei seiner Rückkunft noch 3 Rthl. 21 ßl. ausgezahlt.)

Die Boten hatten in erster Linie Briefe zu bestellen, zuweilen aber auch andere Sachen zu befördern. Jürgen Möller, Bote zu Güstrow, hatte z. B. im Jahre 1588 von Lübeck "etlichs Seidengewandt" zu überbringen und erhielt für 9 Meilen 18 ßl. und für 1 Stilllager 3 ßl., zusammen 21 ßl.

Von dem Empfänger des Briefes mußte der Bote ein Recepisse zurückbringen, was in kriegerischen Zeiten allerdings nicht immer möglich war. so kam Jürgen Bachow, der im Jahre 1637 mit einem fürstlichen Mandat an den Pensionarius zu Klenowhof (Kleinow) geschickt war, ohne eine Empfangsbescheinigung zurück; er erhielt 1 fl. für die Reise, weil er "Vnsicherheit halber, weil die Kayserl. armée an dero Oerter gelegen, nicht billiger lauffen wollen" und berichtet nachher "in seiner Wiederkunft den kleglichen Zustand selbigen Hoffes, und daß der pensionarius mit seiner Frawe barfuß vnd nackend gangen, auch wegen Mangel Black (Tintenpulver) vnd Papier kein recepisse gebracht."

Wie aus der ganzen Einrichtung der Botenanlagen sich fast von selbst ergiebt, konnte es mit der Pünktlichkeit und Sicherheit der Botenleistungen nicht immer zum Besten bestellt sein; die Persönlichkeit der Boten, die Unsicherheit der Landstraßen, die Langsamkeit der Beförderung und, äußere Zufälligkeiten vielerlei Art machten manchen Botengang erfolglos. Kam es doch nicht selten vor, daß Boten, welche mehrere Briefe auf ihrer Reise zu bestellen hatten, aus irgend einer Ursache behindert waren, den einen oder anderen Brief selbst zu bestellen und deshalb unterwegs eine andere Gelegenheit zur Beförderung des Briefes suchen mußten. Auch viele Missbräuche hatten sich eingeschlichen, indem die Boten unterwegs Briefe dritter Personen gegen Entgelt bestellten, Aufträge nach auswärts ausrichteten und so dem eigentlichen Zweck ihres Amtes abwendig wurden. Die Kanzleiordnung des Herzogs Karl von 1605 verbot zwar diesen Missbrauch: "Weil auch vermerket, daß an Zeiten unter den praetext fremder Botten, er (der Botenmeister) und andere nach ihren eigenen Nutz und Privat affecten ihrer Freunde, quibus bene volunt, Sachen befürdern vnd großer Unterschleiff gebraucht wird, so sollen sich alle Kanzlerverwandten, Bottenmeister und alle andere solcher Gefehrlichkeit äußern und enthalten, bey ernster Straff, nach Ermeßigung." Ob diese Verordnung aber Erfolg hatte, erscheint zweifelhaft, denn eine genauere Kontrole der Boten fehlte und die Mitnahme von Privatbriefen war gewinnbringend; das Publikum zog jedenfalls auch die herzoglichen Boten anderen Beförderungsgelegenheiten vor, weil sie vor diesen immer noch die größere Sicherheit und Schnelligkeit voraus hatten.

Neben solchen Mängeln fielen naturgemäß die Unterhaltungskosten der Boteneinrichtungen namentlich in politisch bewegten Zeiten, sobald sich die Beziehungen der Höfe nach auswärts reger gestalteten, um so mehr ins Gewicht, als es um die finanzielle Lage der herzoglichen Kassen häufig schlecht bestellt war. Im dreißigjährigen Kriege, während dessen die Landeseinnahmen außerordentlich zurückgingen, wurden von der Renterei in Güstrow z. B. in der Zeit vom 1. Juli 1634 bis 31. December 1635 bei einer Gesammtausgabe von ca. 150 000 fl. allein 1577 fl. an Botenlohn verausgabt. Das Bedürfniß führte deshalb dazu, im Botendienst andere Vorkehrungen zu treffen, welche neben einer namhaften Ersparniß mindestens gleiche Sicherheit gewährleisteten. Hierzu boten die Posten im Reiche und die Botenanlagen anderer Staaten Norddeutschlands Gelegenheit.

Die meklenburgischen Höfe trafen nämlich schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts mit den in der Nähe Meklenburgs belegenen fremden Postämtern Vereinbarungen, auf Grund deren die Postmeister die Beförderung der herzoglichen Korrespondenzen und die Kontirung der Portobeträge übernahmen. Die meklenburgischen Höfe hatten lediglich die Briefe u. s. w. durch besondere Boten an den Posttagen nach den Postkontors überbringen und von da abholen zu lassen.

Der Schweriner Hof stand mit dem postkontor in Berlin in Verbinbung, dessen Postmeister, auch Botenmeister genannt - Christoff Frischmann - von der Schweriner Regierung im Jahre 1614 einschließlich einer festen Besoldung von 30 fl. im Ganzen 46 fl. 6 ßl. erhielt. Aus einer vom Jahre 1634 vorhandenen Quittung seines Bruders und Nachfolgers, des Postmeisters Veit Frischmann in Cölln an der Spree, geht hervor, daß damals das Salarium 20 Rthl. jährlich betrug.

Auch mit dem Postmeister in Leipzig unterhielt der Schweriner Hof enge Beziehungen. Herzog Adolf Friedrich vermerkte nämlich unter dem 7 August 1621 während eines gelegentlichen Aufenthaltes in Leipzig in seinem Tagebuche: "Habe den Postmeister in Eid und Bestallung genommen, zahle ihm jährlich 60 Thaler," und weiter "Dresden, 9. Juli 1628: hat mir mein Postmeister aus Leipzig 1000 Rthl. gebracht, welche mir die Stadt Rostock übermacht."

Der Hof in G?strow stand gleichfalls mit Christoff Frischmann zu Berlin in Verbindung. Dieser erhielt 1617/18 33 fl. 8 ßl, nämlich 20 fl. als Besoldung und 13 fl. 8 ßl. an Portoauslagen. Für den Güstrower Hof waren sonst noch verpflichtet die Postmeister in Lübeck, Lüneburg und Leipzig, welche je 40 fl. als Besoldung und den Erlaß ihrer Portoauslagen bezogen. Der Postmeister in Magdeburg lieferte die Avisen und erhielt ein Fixum von 40 fl. jährlich.

Neben den Briefen vermittelten die Postmeister auch den Transport von Packeten und Victualien. Ein häufig wiederkehrender Gegenstand in Frischmanns Abrechnungen bilden Portoauslagen für die Versendung Güstrower Biers, des weitberühmten Kniesenack.

Besonders rege waren die Beziehungen der mecklenburgischen Höfe zu dem Taxis'schen Postamt in Lübeck. Der dortige Reichspostmeister Johann Osenbrügge war gleichzeitig als Hofagent für den Hof in Güstrow verpflichtet. Lübeck besaß schon im Anfang des 17. Jahrhunderts bequeme Verbindungen ins Reich. Der Verkehr mit Schwerin und Güstrow wurde durch Einspännige (die schon genannten reitenden herzoglichen Diener) unterhalten, die anfangs jeden dritten Tag, später (1660), als Osenbrügge nach seiner eigenen Versicherung schnellere Verbindungen mit dem Reiche erhalten hatte, auch öfter, meistens jeden zweiten Tag, in Lübeck eintrafen.

Wie die selbständigen herzoglichen Botenposten durch die Benutzung der fremden Postämter nach und nach eingegangen waren, so nahm auch seit der Gründung eigener Landesposten in den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts der Verkehr der mecklenburgischen Höfe mit den fremden Postanstalten im Reiche zusehends an Umfang ab und hörte gänzlich auf, nachdem um das Jahr 1680 die Landesposten in Mecklenburg festere Organisation erlangt hatten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens