Botenanlagen in Mecklenburg-Der Danziger Bote

I. Botenanlagen in Mecklenburg.

2. Der Danziger Bote in Mecklenburg


In Rostock und Wismar bestanden schon seit uralter Zeit eigene Botenanlagen mit gewissermaßen postmäßiger Organisation. Ihr Ursprung reicht in die ersten Zeiten der Hansa zurück.

Die Glieder der Hansa waren auf breitem Landrücken über das ganze nördliche Europa verteilt. Mecklenburg lag fast in der Mitte des Bundesgebiets. Brügge und Antwerpen im Westen, Danzig und Riga im Osten, Hamburg und Lübeck in der Mitte bildeten infolge ihrer Größe und merkantilisch wichtigen Lage die Centren des Hansaverkehrs. Neben der Verbindung zur See bestanden bereits frühzeitig unter den Hansastädten gut entwickelte Landverbindungen, die Botenzüge der Hansa. Schon im 14. Jahrhundert waren Hamburg, Lübeck, Stettin und Danzig durch Botenzüge verbunden, deren Weg über die mecklenburgischen Hansastädte Wismar und Rostock verlief. Beide Städte bildeten Stationen im Hansabotenkurs.

Im 15. Jahrhundert wurden von der Stadt Danzig sogenannte Läufer zur Beförderung von Briefen und Packeten unterhalten. Einer derselben lief über Mecklenburg nach Lübeck, Hamburg und Brügge und hieß der "Danziger Bote", eine Bezeichnung, welche sich in Mecklenburg bis in das vorige Jahrhundert erhalten hat. Die Poststraße von Hamburg über Lübeck, Wismar, Rostock und Demmin nach Stettin wurde um diese Zeit noch vielfach als Danziger Postfahrt bezeichnet.

Der Läufer legte seine Reise reitend oder im Wagen zurück. Zu seiner Beglaubigung führte er eine Bestallung 1) bei sich, zu seiner persönlichen Sicherheit auch wohl einen Freibrief der Landesherrn, deren Gebiet er durchzog. Er trug die Briefschaften in einem Felleisen verwahrt. Beim Verlust von Sachen hatte der Bote Ersatz zu leisten.

Die zur "Danziger Reise verordneten Boten" liefen von Hamburg über Wismar und Rostock bis Stettin und tauschten ihre Sendungen hier mit dem von Danzig angekommenen Boten aus.

Die mecklenburgischen Herzöge gestatteten anscheinend stillschweigend den Durchgang der Boten.

Außer dem festen Kurse fehlte jede Regelmäßigkeit im Betriebe der Botenanlage. Zeit und Stunde der Ankunft und des Abgangs waren von mancherlei Zufälligkeiten abhängig. Dafür waren aber die Boteneinrichtungen mehr der Allgemeinheit zugänglich, indem, wie man vermuten darf, auch nicht dem Kaufmannsstande angehörige Personen die Anlagen benutzten.

Der Niedergang der Hansa machte dem Danziger Botenkurse noch kein Ende; aber auf dem Wege von Hamburg nach Stettin verkehrten, nachdem am Ende des 16. Jahrhunderts eine Neuorganisation des Botenbetriebes vorgenommen worden war, nur noch Hamburger Boten, bie indeß in Mecklenburg auch fernerhin als "Danziger Boten" bezeichnet wurden. Die Aufsicht über den Betrieb des Kurses unterstand zwei Aelterleuten der Kaufmannschaft in Hamburg, den "Börsenalten;" unter ihnen fungirte als Obmann der Boten der Botenmeister oder Postmeister. In den Botenbetrieb kam jetzt neues Leben, die Organisation war straffer geworden, auf Pünktlichkeit und Sicherheit wurde besonderer Wert gelegt.

Die Landesherren, deren Gebiet von dem Botenkurs berührt wurde, trafen übereinstimmende Maßregeln zum Schutze der Boten, wie aus einem zwischen Hamburg und den Fürsten des niedersächsischen Kreises (darunter den Herzögen Adolf Friedrich und Johann Albrecht von Mecklenburg) im Jahre 1616 abgeschlossenen Vertrage wegen Aufrechterthaltung des Landfriedens hervorgeht, in dem es wegen des Landfriedens heißt: "damit auch desto bequemer dazu zu gelangen, so soll ein jeder Herr, soviel als zu seines Landes Notdurft, nach Größe und Weite desselben erfordert, Straßenbereuter unterhalten, die stets, sonderlich aber zu der Zeit, wann die Hamburger und Danziger Boten mit den Kaufleuten von Hamburg nach Danzig und von hier nach Hamburg reisen, die Straßen auf- und abreiten, die Wälder, Haine und Büsche durchstreifen und sonst nichts vorbeigehen lassen, darauf Acht zu haben."

Der Hamburger Botenkurs gewinnt jetzt auch für Mecklenburg unmittelbares Interesse. Seit Ende des 16. Jahrhunderts liefen die Boten nicht bloß durch Mecklenburg und brachten oder sammelten ihre Korrespondenz in Rostock und Wismar, es wurden jetzt vielmehr in diesen Orten zur Herbeiführung einer rascheren Beförderung besondere Boten bestellt, welche später allgemein die Bezeichnung "Postmeister" führten und ihre Botengänge einerseits in der Richtung nach Hamburg, andererseits in der Richtung nach Stettin selbst oder durch angenommene Leute besorgten.

Die Boten hatten, wie aus einer Eingabe der zur Danziger Reise bestellten Boten an den Rat in Hamburg (d. d. Hamburg 1. Juni 1667) erhellt, "die auf Danzig gerichteten Schreiben, denen auch öfters Wechselbrieffe, Contractus und andere hoch importirende Schriften wie auch kostbare Juëlen angefügt waren, zu überbringen, dannenhero wegen gewißer und richtiger Bestellung allsolcher Brieffe und, was den Boten sonst anvertrauet und mitgegeben wurde, sie eine hohe cautionem leisten müssen, damit der Kauffmann auf den Fall veruhrsachter Verwahrlosung sich ihres Schadens bey ihnen erholen könne. Solche Reyse muß Tag und Nacht beschleunigt werden, undt da die Botten also die gantze Reyse selbsten nicht allein verrichten können, so haben sie in den Fürstenthumben und Landen, dadurch die Reysen verrichtet werden müssen, ihre Substituirte und Bediente, die alsolche Reyse auf gewiße Ohrter verrichten, für welcher Substituirter Verrichtung die Dantziger Pothen als selbstschüldige gehalten, und demnach darnach trachten müssen, daß sie fleißige und getrewe Leute bekommen, so die Reyse fleißig und geschwinde verrichten."

Die Boten in Rostock und Wismar legten auch in Mecklenburg Seitenkurse an. Zwischen Rostock und Güstrow bestand nachweislich bereits im Jahre 1637 eine Boteneinrichtung, die wöchentlich kursirte, ebenso bald darauf eine solche zwischen Lübeck und Schwerin; jedenfalls benutzten auch andere Landstädte, z-. B. Parchim, die Botenanlagen in den Seestädten, da dieselben bequem an das Reichspostnetz über Hamburg anschlossen. Nähere Nachrichten fehlen leider, aber gelegentliche Vermerke in den Rechnungen der Herzoglichen Rentereien zu Schwerin und Güstrow lassen darauf schließen, daß die Hamburger Botenanlagen vielfältig in Mecklenburg benutzt wurden.

Der Bote - Postmeister - in Rostock hieß 1655 Pankraz Schmalbacher. Mit ihm stand besonders die Güstrower Regierung in Verbindung, welche ihm Briefe, Wechsel und Gelder zur Besorgung nach Wien, Frankfurt (Main) anvertraute.

Der Hof in Schwerin zog zeitweilig den Postmeister in Lübeck vor, wie wir bereits oben gesehen haben; zwischen Schwerin und Lübeck war ein besonderer Bote, der "Lübsche Postbote", unterwegs. Aus den gelegentlichen Gängen eines Boten zwischen Schwerin und Rostock zum Anschluß an den Hamburger Botenkurs daselbst wurde im Jahre 1647 sogar ein regelmäßiger Postkurs.

Der Bote in Rostock, oder wie es in den Rentereirechnungen heißt "die Post in Rostock" hatte trotz der kriegerischen Ereignisse im Jahre 1641 besonders gute Verbindungen in das Innere Mecklenburgs und nach auswärts, denn die Regierung in Güstrow sandte ihre eigenen Mandate "mit vielen unterschiedlichen fürstlichen Befehlen und Schreiben" an die Domanialämter im Lande "zu unterschiedlichen Malen auff die Post in Rostock, von dannen sie hin wieder auf die Aembter geschickt werden."

Ähnliche Nachrichten sind auch aus den späteren Jahren aufbewahrt.

Zu Anfang der vierziger Jahre erlitt der Betrieb der Hamburger Botenanlagen, da Handel und Verkehr vollständig stockten, eine mehrjährige Unterbrechung. Nach dem Aufhören der Kriegsunruhen im Lande traten in Rostock und Wismar aber die alten Boteneinrichtungen wieder in Wirksamkeit. In Wismar hatten die Boten noch 1669 eine Station, welche ein Bürger der Stadt schon seit langen Jahren verwaltete. In Rostock war aber einige Jahre vorher eine bemerkenswerte Änderung eingetreten: die Hamburger Botenanlage daselbst war im Jahre 1666 in eine herzogliche Landespost verwandelt worden.

Bis fast 200 Jahre nach diesem Ereignis war die Erinnerung an den "uralten Hamburger Botenkurs" in Mecklenburg noch lebendig; denn es gelang dem Hamburger Stadtbotenamt, von den mecklenburgischen Herzögen die Erlaubnis zur Wiedereinrichtung des alten Botenkurses von Hamburg bis Wismar zu erlangen. Diese neue Botenpost - die sog. Stadtreitpost - trat Ende des 17. Jahrhunderts in Tätigkeit und stellte ihren Betrieb erst im Jahre 1860 ein. Von ihr wird weiter unten die Rede sein.




1) Die im Danziger Stadtarchiv aufbewahrte Bestallung eines Boten ist im nichtamtlichen Teil des Amtsblatt der Reichspostverwaltung für 1872, S. 230, abgedruckt und lautet: "Wy begern ju wweten, wo wy den beschedenen Mattis Merkell diessen bewiser to vnsen diner vpgenommen, vnd en vnser Stadt Busse mit dem teken, dat he vnse vnd vnses Copmann vnd ok des gemeynen dwtschen Copmans mit vns vorkerende Brewe moge dregen vnd bringen. Worvme wy J. E. myt begerliker andacht gutlik vnd frundlik bidden, dat gy den egenandten Mattis juw willen vmb onses vordeenstes willen laten bewolen wesen, vnd en ok to juvem vnd des gemeynen Copmann von der dutschen hense mit juw vorkerende baden vnd loper willet op nemen, forderlik, hulplik vnd in synem rechtwerdigen saken-syn willet" u. s. w.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Landes-Postwesens