Die Vergrößerungen des Rathauses

Gegen das Ende des sechszehnten Jahrhunderts genügte das alte Rathaus den immer größer werdenden Ansprüchen der Verwaltung nicht mehr, und es musste für weitere Räumlichkeiten gesorgt werden. Ein neben dem Rathause liegendes Wohnhaus, welches schon länger im Besitze des Rates war, und wie eine Supplik des Herrn Symon von Perkum vom 39. Mai 1603 um Überlassung der dortigen Brunnenleitung für sein Haus in der Reichenstraße beweist, früher von Gerdt Rentorp bewohnt war, wurde 1599 abgebrochen und an dessen Stelle ein neues massives Gebäude zur Vergrößerung des Rathauses erbaut. Das alte Gebäude erhielt in Folge dessen die Benennung „großes Rathaus.“ An der Vorsetzenmauer des Neubaus befand sich ein 4 Fuß 5 1/2 Zoll langer, 1 Fuß 10 1/2 Zoll hoher Stein mit der siebenzeiligen Inschrift: Anno Christi IMDC – Hoc opus extructum Aedil. – D. Eberhardo Esichio et – Nicolao Henses – Curatoribus – Johannes Schovshven et – Joachimo Bekendorp. — Die beiden erstgenannten waren Ratsherren und im Jahre 1600 Bauherren, und die beiden folgenden in demselben Jahre Bau-Bürger.*) Die Jahrszahl 1600 war auch im Giebel nach dem alten Rathause angebracht. Das „neue Rathaus“ hatte eine Fronte von 52 Fuß, war am alten Rathause 58 1/2 Fuß und an der Seite nach dem Neß 59 1/2 Fuß tief und an der Hinterseite 51 Fuß breit. Die Fassade war im Renaissancestil gehalten, drei Stockwerke hoch, welche durch Sandsteinbänder und dazwischen liegenden einzelnen erhabenen verzierten Steinen abgeteilt waren. Jedes der beiden obern Stockwerke enthielt vier breite dreiflüglige Fenster mit einfacher steinerner Einfassung und fünf Nischen für Bildsäulen; das Erdgeschoss drei Fenster, fünf Nischen und ein Sandsteinportal mit zwei kannelierten Säulen korinthischer Ordnung. Auf dem Gesimse des Portals ruhte das von zwei Löwen gehaltene Stadtwappen, über demselben stand der Genius des Friedens und zu beiden Seiten des Wappens ein römischer Krieger mit Schild und Lanze.**) Das hohe Mansardendach war mit Kupfer gedeckt und mit drei Reihen kleiner Erker besetzt. Den Seitengiebel zierten kleine Pyramiden.

*) Dieser Stein ist in dem neuen Gebäude der Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe ungefähr an der alten Stelle wieder eingesetzt, und von der Börsenbrücke mit der neuhinzugefügten Inschrift sichtbar.


**) Das Wappen und die Statuen befinden sich in der Sammlung Hamburgischer Altertümer.


Die innere Einrichtung des Neubaus war einfach, denn den vorderen Raum nahm eine Vorhalle ein, auf der sich die Treppe zum obern Stockwerk und ein großer Kamin befand, dessen Gesimse mit recht brav in Sandstein gehauenen Figuren verziert war. An den Ecken und in der Mitte des Frieses befand sich eine Nische, worin Jupiter, Mars und Venus angebracht waren, und zwischen diesen zwei Darstellungen; rechts ein König, dem ein Römer einen Eid leistet, während ein anderer zu ihm redet; links Figuren in römischer Tracht, von denen eine einen Bogen führt, die andere einen Ring an den Mund zu legen scheint und die übrigen sich als abenteuerliche Gestalten zeigen. Eine Deutung dieser Szenen ist bisher nicht gelungen. Über diesem Gesimse befand sich ein Basrelief mit drei allegorischen Figuren, die als Justitia, Pax und Liberalitas bezeichnet sind, und hinter ihnen eine Stadtansicht. Zur Verbindung mit der Rathaushalle war eine schmale schrägliegende Türe durchgebrochen, zu der man einige Stufen hinaufstieg, weil der Fußboden des neuen Rathauses niedriger lag als der des alten. Vermutlich wurde zum Zwecke der Verbindung ein Gang vom Gehege abgenommen. Hinten im Gebäude lagen zwei Zimmer, von denen das eine zunächst der Halle 31 Fuß lang und 30 1/2 Fuß breit, zur Ratsstube, das andere nur 15 Fuß breite, aber mit zwei Kreuzgewölben bedeckte, für die Schreiber des Obergerichts, die Registratur, bestimmt waren. Wenn der Rat nunmehr seine gewöhnlichen Sitzungen in der Ratsstube hielt, so wurden doch alle besonders feierlichen Handlungen wie früher im Gehege vorgenommen, wie die Verkündigung von Todesurteilen, die Wahl neuer Ratsmitglieder, die Verlassungen u. s. w. Dass die Wahl auf dem großen Rathause vorgenommen werden solle, bestimmt noch der Artikel 16 des Wahl-Recesses von 1663 ausdrücklich. Erst in Folge eines Beschlusses des Raths vom 7. Januar 1771 ward dieser Akt, der strengen Kälte wegen, in die Ratsstube verlegt, womit die Oberalten sich einverstanden erklärten, und erst durch Beschluss vom 14. August 1799 wurde bestimmt, dass künftig auch im Sommer die Ratswahlen in der Ratsstube vorgenommen werden sollten.

Im obern Stockwerk befanden sich nach hinten zwei den untern gleiche Zimmer, und nach vorne ein größerer Saal. Über der Ratsstube dürften sich von Ansang an die bürgerlichen Kollegien versammelt haben und auch die Oberalten, die in früheren Zeiten im Marien-Magdalenen-Kloster, im Jahre 1694 aber bestimmt im Rathause ihre Sitzungen hielten. Das dritte Stockwerk war ähnlich geteilt und durch Holzwände in Abteilungen für die Kammern und die Kanzelei zur Aufbewahrung von Akten zerlegt. Im Keller befanden sich unter dem Vorplatz zwei Kreuzgewölbe, welche später der Sandkeller genannt werden, und unter der Ratsstube und der Registratur drei Tonnengewölbe.

Als im Jahre 1619 die Bank errichtet wurde, ward ihr die ehemalige Laube eingeräumt, wodurch der vorhandene Raum fast ganz verbaut werden musste, so dass nur ein enger Platz übrig blieb, von der die Bursprake verlesen werden konnte. Eines Gewölbes zur Aufbewahrung der deponierten Gelder bedurfte man derzeit noch nicht, denn dieselben sollten nach der Bank-Ordnung von 1619, Art. 19, in Kasten bewahrt werden; auch war der Bankfond bis zum Jahre 1640 erst auf Bco. Mark 1.731.947. 9 ß 6 H gestiegen, und für diesen genügte ein kleiner Raum. Für den Zollen, welcher die Laube räumen musste, ward ein Zimmer auf der Diele des neuen Rathauses gebaut, welches 1654 wieder abgebrochen wurde.

Schon im Jahre 1649 wurde das Rathaus abermals erweitert. Ein neben dem neuen Gebäude liegendes Wohnhaus, dessen Keller der Senskeller, auch des Hietschen Senskeller hieß, war 1642 durch die Kämmerei von den Erben des verstorbenen Licentiaten Hieronymus Frobenius angekauft. Dieses Grundstück hatte nur eine Fronte von 26 Fuß neben dem Rathause und 6 Fuß an der Verlängerung des Neß und bildete hinten die Ecke am Fleet. Am Neß wurde es durch das Wohnhaus des Hermann Röver begrenzt, durch dessen Keller ein Gang, der Bullenstall, zu der Kipperbrücke und über diese nach der großen Bäckerstraße führte. Auf dem neuerworbenen Platze ward 1648 ein Neubau begonnen, an der Straße 26 Fuß und 6 Fuß lang, am Nachbargrundstück 29 Fuß tief, im Übrigen aber von der Tiefe des Rathauses, so dass dieses an der Wasserseite um 29 Fuß verlängert wurde und die am Fleet hinter der großen Bäckerstraße liegende Seite 60 Fuß Länge erhielt. Mit dieser Vergrößerung nahm das Rathaus einen Flächenraum von 11.627 Quadratfuß ein. Die Fassade wurde der des neuen Rathauses angepasst, sie erhielt in jedem der drei Stockwerke drei, jedoch nur zweiflüglige Fenster und zwei Nischen. Unter dem am neuen Rachhause liegenden Fenster bildete eine niedrige schmale Türe mit Sandsteineinfassung, auf der das Stadtwappen, von zwei Löwen gehalten, angebracht war, den Eingang. In der Ecke befanden sich schmale Fenster. Das Dach schloss sich dem des neuen Rathauses an, und der der Bäckerstraße zugekehrte Seitengiebel war mit kleinen Pyramiden besetzt. Auf die Trennungsmauer der beiden vereinigten Gebäude kam ein zierlicher Turm, auf den am 23. Mai 1649 Knopf und Flügel gesetzt, und in dessen unterm Stockwerk eine Schlaguhr angebracht wurde. Der auf der höchsten Spitze befindliche Stern befand sich nach Professor Schumachers Messungen 157 4/10 Fuß über Null der Elbe, mithin etwa 136 Fuß über der Straße. Die Entfernung vom späteren Michaelisturm betrug 3.250,6 Fuß, und lag der Rathausturm 120,9 Fuß nördlich und 3248,4 Fuß östlich von demselben.

Ebenso wie das Innere des neuen Rathauses als ein Ganzes für sich behandelt war, bildete auch der Anbau ein selbständiges Gebäude, welches erst später mit dem neuen Rathause enger verbunden ward. Unten befand sich neben dem Eingange ein Zimmer, hinten ein größeres und nach der Seite zwei kleinere. In diese Räume wurde 1651 die Bank verlegt, und erhielten die Bankbürger das Zimmer an der Straße, an dessen Plafond ein sehr braves Gemälde des Hamburgischen Malers Hintzsch, eine auf die Handlung bezügliche Allegorie mit drei weiblichen Figuren mit vielen Attributen und Beiwerken umgeben und im Hintergrunde eine Ansicht der Stadt, angebracht war. Das Hintere Zimmer war für die Bankschreiber bestimmt. Der Frankfurter Z. C. von Uffenbach, welcher auf seinen Reisen im Jahre 1710 nach Hamburg kam und die Bank besah, erzählt, dass sie nur aus zwei kleinen schlechten Zimmern bestehe, in deren einem drei Schreiber oder Buchhalter saßen, während in dem anderen die Depositengelder empfangen würden. Hier waren die Wappen der Bankherren und Bürger angebracht. Der Wardein hatte ein Zimmer im dritten Stockwerk. Die übrigen Räume der Bank wurden wohl überall nicht gezeigt, und der Zutritt zu den Räumen wo die Geldvorräte aufbewahrt wurden, war nur den Bankbürgern und einzelnen Beamten gestattet. — Von der Diele führte eine eigene Treppe ins obere Stockwerk, wo sich drei Zimmer befanden. Das Hintere war für die Admiralität bestimmt, das vordere erhielt die 1676 errichtete Feuer-Kasse und ein nach der Seite liegendes das 1710 errichtete Archivariat, welches sich 1723 neben der Feuerkassenstube befand. Ein eigenes Archiv gab es früher nicht. Die wichtigsten Dokumente wurden in der Trese bewahrt, die andern befanden sich noch 1719 in einem großen Schranke in der Schreiberei, und ist ein vollständiges Register derselben von der Hand des Professors Michael Richey noch vorhanden. Im dritten Stockwerk lagen nach vorne ein Zimmer, die Werkstatt des Bankwardeins, und nach der Seite ein Zimmer, worin das erst im Anfang des 19. Jahrhunderts realisierte Silbergerät des Rats aufbewahrt ward, und welches daher die Silberkammer hieß. Der übrige Teil war durch Holzwände in kleinere Räume abgeteilt, welche zur Aufbewahrung von Papieren benutzt wurden. Der Keller war in seinem vorderen Teile mit zwei Kreuzgewölben überdeckt.

Nach der Vollendung des Neubaus erhielten die Nischen des neuen Rathauses und des Anbaus 1649 eine Zierde durch die Aufstellung von ein und zwanzig steinernen Statuen der deutschen Kaiser von Rudolf I. bis Ferdinand III. in fast Lebensgröße. Gleichzeitig war das Portal des alten Rathauses verändert. Es erhielt zwei Säulen mit vasenartigen Aufsätzen und darüber in Sandstein das Stadtwappen, von zwei liegenden weiblichen Figuren gestützt, alles mit Vergoldung verziert. Diese Veränderung dürfte nicht ohne politischen Beweggrund vorgenommen sein, denn durch dieselbe wurden die beiden alten Wappennischen verdeckt, von denen die eine das Holsteinische Nesselblatt enthielt, welches im Jahre 1641 als Zeugnis für die Oberherrschaft Holsteins über die Stadt mit aufgeführt ward. Auch der Giebel des alten Rathauses dürfte in dieser Zeit verändert und mit kleinen Pyramidenaufsätzen versehen sein, um ihn den neuen Giebeln ähnlicher zu machen.

Nicht nur das Äußere, sondern auch das Innere des Rathauses ward 1649 verschönert. Vor die Schreiberei kam eine mit Messing beschlagene Türe mit einem von schwarzem Marmor sauber gearbeiteten Türgerüste, über dessen Hauptgesimse drei weiße alabasterne Bilder und das Stadtwappen prangten. In der Schreiberei wurde der Pfeiler mit Messing bekleidet und die vier, wie die Chronik meldet, unvergleichlich gemalten Bogenstücke wieder ausgeputzt. Auch die Rathaushalle wurde neu ausgeschmückt. Der untere Teil der Wände erhielt Tafelwerk, das Bild des jüngsten Gerichts wurde aufgefrischt oder auch neugemalt, ebenso das darunter befindliche Gemälde des Heilands und der zwölf Apostel. Ein unter diesen beiden Gemälden oder Wandbildern, dicht über dem Sitze der Bürgermeister hängendes Bild, Christi mit einem offenen Buche in der Hand, welches in Rom nach dem auf der vatikanischen Bibliothek befindlichen Original gemalt war, ward restauriert und mit einem neuen Rahmen von Ebenholz versehen. In dem Buche befanden sich folgende Worte in Lateinischer Schrift: (Richtet recht ihr Menschenkinder und haltet ein rechtes Gericht. Verteidigt die Wittwe, helfet dem Unterdrückten, schaffet Recht dem Armen und Waisen. Sehet zu was ihr tut, denn ihr haltet das Gericht nicht den Menschenkindern, sondern Gott, und was ihr auch richtet, das wird auf euch kommen. Lasset die Furcht des Herrn bei euch sein und tut alles mit Fleiß; denn bei Gott ist kein Unrecht, noch Ansehen der Person.) Unter dem Deckengesimse wurden 53 Brustbilder der römischen Kaiser von Augustus an, von dem Maler Evert Decker gemalt, angebracht, unter die ein Knabe aus Straßburg, Simon Haus, die Namen schrieb. Die an den Seiten der Halle befindlichen zwölf großen, derbe in Holz geschnitzten Bildsäulen alter Helden wurden neu bunt übermalt und vergoldet, und deren Namen und Taten in deutschen Versen in altdeutscher goldener Schrift unter dieselben gesetzt. Nur einige Namen dieser Helden sind erhalten, aber diese genügen, um zu erkennen, dass sie die neun starken Helden (fortes viri, preux, worthies) vorstellten, denen noch drei andere hinzugefügt waren. Jene waren im Mittelalter häufig der Gegenstand der Kunst und sind in England noch bis auf die neuere Zeit in festlichen Spielen dargestellt. Sie finden sich unter anderen an dem zwischen 1385 und 1396 errichteten schönen Brunnen in Nürnberg und in den Glasfenstern der Laube des Lüneburger Rathauses. Von den neun Helden waren drei heidnische: Hektor, Alexander der Große und Julius Cäsar; drei jüdische: David, Josua und Judas Maccabäus, und drei christliche: Arthur (oder Chlodewig), Karl der Große und Gottfried von Bouillon. Von diesen nennt von Heß im 1sten Bande seiner ersten Auflage nur den 1sten, 2ten, 4ten, 6ten und 8ten. Ein um die Mitte des 18. Jahrhunderts Hamburg besuchender sächsischer Gelehrter fügt ihnen in seinem Tagebuche noch Karl V. und Friedrich hinzu und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der zwölfte der Graf Adolf IV. von Schauenburg war. — Bei der Renovierung der Halle erhielt dieselbe auch neue Fenster, welche der Glaser Hans Eggers mit den buntgefärbten Wappen und Namen der derzeit lebenden Bürgermeister und Ratsherren verzierte. Die Halle musste nach Anbringung so vieler Gemälde und so vielen farbigen Schmucks ein sehr reiches Ansehen erhalten haben, und ist es nur zu bedauern, dass wir, obgleich erst ungefähr hundert und fünfzig Jahre später Veränderungen vorgenommen sind, keine Abbildungen derselben besitzen.

Den Umbau und die Ausschmückung des Rathauses leitete der Baubürger Hieronymus Petersen, der auch Vorschläge machte, das Rathaus nach der Seite der Trostbrücke zu erweitern und die demselben gegenüberliegenden Gebäude der von Holten'schen Erben anzukaufen und abzubrechen, um einen größeren Platz vor dem Hause zu erlangen. Der erste Vorschlag kam im folgenden Jahrhundert zur Ausführung, der zweite blieb unberücksichtigt, wenn auch die Stadt jene Häuser, der Kaisershof genannt, im Jahre 1726 erwarb und auch ferner im Besitz behielt.

Nachdem die Bank in das neue Gebäude verlegt war, ward der Raum, den sie bisher auf der ehemaligen Laube benutzt hatte, für den Kornzollen und die Matten, wo auch die Orloffzettel zum Brauen ausgegeben wurden, und für die Bier-, Vieh- und Weinaccise eingerichtet, welche diese Zimmer 1654 bezogen. Um einen bessern Zugang zu denselben, als durch die schmale Treppe in der Wand zu erlangen, nahm man 1653 einen Treppenraum vom Niedergericht ab, und vergrößerte dieses um ein gleiches, aber nur ein Stockwerk hohes, Stück nach der Trostbrücke hin. Den Platz gewann man durch die Verkleinerung der dortigen Wache. Wann zuerst eine ständige Wache beim Rathause eingerichtet, ist nicht bekannt. In früherer Zeit lag die Bewachung den Hausdienern ob, welche sich Nachts in einer bei der Trostbrücke belegenen Bude versammelten, die 1624 zu andern Zwecken vermietet wurde. Seit 1610 gab es eine regelmäßige Nachtwache, von der ein Drittteil bei der Ratsapotheke im Neß ihren Standort hatte. Bei Tumulten und Feuersnöten hatten sich nach der Wachordnung von 1626 das erste und dritte Fähnlein des St. Petri Regiments der Bürgerwache vor dem Rathause aufzustellen. Um diese Zeit mag auch ein eigenes Wachtgebäude eingerichtet und mit den angewordenen Soldaten besetzt sein. Im Reglement der Rat- und Bürger-Konvente von 1712 Tit. IX Art. 3 findet sich die Vorschrift, dass die ordentliche Wache der Garnison bei den Versammlungen bis auf 50 Mann verstärkt werden soll. Erst nach der französischen Zeit ward die Rathauswache durch Bürgergarden besetzt.

Das ehemalige Zimmer des Kornzolls auf der Diele des neuen Rathauses wurde 1654 abgebrochen und daselbst ein kleines Zimmer mit nur einem Eingang von der Bank eingerichtet, welches den Zugang zu den Kellern des neuen Rathauses verbarg, in denen wahrscheinlich erst seit dieser Zeit die Barvorräte der Bank verwahrt lagen. Die in dem Zimmer liegende Treppe war durch eine feste Klappe verschlossen, die mit einem Teppich überdeckt wurde. Eine Verbindung des neuen Rathauses mit der Bank ward erst 1653 durch eine neuangelegte Türe hergestellt.

Die Ratsstube, in alten Schriften auch die Audienzstube genannt, erhielt 1681 eine neue Dekoration, welche die Maler Joachim Luhn und Erich Schröder ausführten. Die hölzerne, in gleiche Felder abgeteilte Decke wurde an den Balken und am Gesimse reich vergoldet, und in die Felder die Bilder der Könige aus Juda und Israel, Engelsköpfe u. s. w. gemalt. An den Wänden wurden zehn Sinnbilder mit Devisen angebracht, und zwar: eine Herde Schafe in einer Hürde, bewacht von einem Hunde, mit der Beischrift: pro Grege; eine Waage mit der Devise: Omnibus eadem; ein Schiff, welches dem Sturme trotzt, mit der Beischrift: Tempestate probatur; ein Turm auf einem Felsen, an den sich die Brandung bricht: Dum o; ein Pharus: In publica commoda fulget; zwei Hunde, welche einen Igel anfassen: Nil moror ictus; ein Bienenkorb: Interiora latent, u. s. w. Über der Türe hing eine Ansicht der Stadt Hamburg vom Grasbrook gesehen, 17 1/2 Fuß lang und 6 1/2 Fuß breit. Von Uffenbach beschreibt 1710 die Ratsstube als ein mittelmäßiges, mit Tapeten wohl ausgeputztes Zimmer, an dessen einer Seite sich Schranken und Bänke befanden, mit roten Kissen oder vielmehr großen Polstern. Statt der Tische fand er Pulte, oder vielmehr Pulpets mit verstellbarer Platte und Vergrößerungsklappen, welche ihm so sehr gefielen, dass er eine genaue Beschreibung und eine Zeichnung in Kupferstich lieferte. Auch ist ihm damals die Einrichtung an der bei den Ratssitzungen verschlossenen Tür der Ratsstube aufgefallen, an welcher derjenige, der etwas begehrte, an einen kleinen Schalter klopfte, worauf dann die Schriften oder mündlichen Anmeldungen ihm durch den jüngsten Ratsherrn abgenommen wurden. Das schon erwähnte Tagebuch eines sächsischen Gelehrten vom Jahre 1752, dem die Beschreibung der Wandgemälde entlehnt ist, enthält noch weitere Angaben über die Ratsstube. Nach demselben saßen die Bürgermeister und Ratsherren zwei Stufen hoch im Gevierte herum, wie auf einem Amphitheater, auf Bänken mit roten Kissen. Vor den Ratsherren standen Pulte, vor den Bürgermeistern zwei Tische. Hinter den Schranken hatte der Sekretär seinen Platz, auf einem so hohen Stuhle, dass er über dieselben hinübersehen konnte. Die im Zimmer befindliche, von Bouchy in Hamburg gemachte Uhr, mit emailliertem Zifferblatt, ward für sehr kostbar gehalten. Nach andern Nachrichten war die Ratsstube mit goldenem Leder ausgeschlagen, welches 1751 erneuert wurde. Zugleich wurden das Gesimse über demselben renoviert, die Gemälde aufgehellt und die abgenutzten Tischdecken der Bürgermeister und Syndici durch neue ersetzt, von denen die der ersteren das Stadtwappen, wie auf der großen solennen Decke, jedoch kleiner, erhielten. Diese war von rotem Sammet mit in Silber gesticktem Stadtwappen, und ward bei feierlichen Gelegenheiten und bei Verkündigung von Todesurteilen über den Tisch in der Rathaushalle gebreitet. Auf dem Tische befanden sich das Stadtbuch in rotem Sammet gebunden und mit Silber beschlagen, ein silbernes Schreibzeug und eine Sanduhr. Letztere beiden wohl dieselben, welche noch z. B. bei der Eidesleistung der Senatoren gebraucht werden.

Das Gebäude des Niedergerichts erhielt im August des Jahres 1710 eine Vergrößerung durch einen Hinteren zweistöckigen Anbau von 27 1/2 Fuß Länge und 12 ½ Fuß Tiefe, mit einem eigenen Dache, wodurch ein Fenster der Halle zugebaut wurde. Das im untern Stockwerk gewonnene Zimmer ward zur Relationsstube, das obere zur Kanzelei bestimmt. Der Anbau diente aber nicht lange, denn schon 1757 war das ganze Gebäude so baufällig geworden, dass es schleunigst abgebrochen werden musste. Bei dem Neubau nahm man Rücksicht auf die nötige Vergrößerung, zog die bisherige Wache hinzu und errichtete ein Gebäude von 85 Fuß Fronte und 34 Fuß Tiefe, zum Teil auf der Trostbrücke, zum Teil auf sechs großen steinernen Pfeilern. Die Fassade war regelmäßig eingeteilt; auf jeder Ecke eine Tür, dann vier Fenster und in der Mitte zwei Türen mit der in Stein gehauenen Inschrift: Legum omnes servi sumus – Ut liberi esse possimus. Über den beiden Mitteltüren befanden sich im obern Stockwerk wieder zwei Türen, welche zu einem Balkon mit eisernem Gitter führten. Über dem Mittelbau erhob sich ein Frontespice, worin mit goldenen Buchstaben auf kupferner Platte folgende 17zeilige Inschrift stand: Aedificium Publicum – In quo – sedes judicii inferioris – Aediles – Senatores – Dn: Christianus Dresky J. U. D. – Dn: Petrus Greve – Cives – Hinricus Beetz – Petrus Gottlieb Walther – Walter Thode – Henricus Hanker – Hieronymus Matthiessen – Cura sua – a fundamentis instaurandum – Annuo spatio perfuerunt – A. MDCCLVII. - Auf dem Mansardendach stand ein Thürmchen mit der Schandglocke. — Im Innern war das Gebäude unten in zwei gleiche Teile geteilt.

Zunächst des Rathauses lag die zum obern Stockwerk desselben führende Treppe, auf deren Vorplatz die Normalmaße der Hamburger Elle, der Brabanter und Hamburger Viertelelle und das Fadenmaß des Holzes hingen; dann folgte bis zur Mitte, mit besonderem Eingang von der Straße, das Niedergericht, aus dem Gerichtssaal, dem Relationszimmer und zwei kleinen Nebenlokalen bestehend. Die zunächst der Trostbrücke liegende Hälfte enthielt die Wache und einen Teil der Wohnung des Rathausschließers. Im obern Stockwerk lag die Kanzelei, welche bei Rat- und Bürger-Konventen vom St. Jakobi Kirchspiel benutzt wurde, ein Vorzimmer und ein Kommissionszimmer, der Katharinen-Saal genannt, weil sich dort das St. Katharinen Kirchspiel versammelte. Aus den Fenstern dieses Saales oder vom Balkon ward bis zur französischen Zeit die Bursprake verlesen. Der Rest des obern Stockwerkes gehörte mit zur Wohnung des Rathausschließers.

Ein in der Feuerkassenstube am 8. Dezember 1723 ausgebrochener Brand, der indes, nachdem er bereits die Wände des Archivs ergriffen, glücklich gelöscht wurde, hatte mehrfache Veränderungen zur Folge. Die Werkstatt des Wardeins ward aus dem Rathause entfernt, und in das Zimmer über der alten Waage verlegt, wo sie blieb, bis das Commerzium diese Räume zur Bibliothek überwiesen erhielt. Das alte Wardeinzimmer teilte man in zwei Gemächer, von denen eines dem Protonotar, das andere dem Archiv zur Aufbewahrung von Akten zugewiesen wurde. Um ferneres Unglück zu verhüten ließ man ganze Fuder alter Bankzettel auf dem Grasbrook verbrennen. Zum Andenken an den Brand ward in der Feuerkassenstube eine Tafel mit einer Inschrift in goldenen Buchstaben angebracht.

Als im Jahre 1725 die Courantbank errichtet wurde und die Bank keinen Platz für dieselbe hatte, kaufte die Kämmerei ein in der großen Bäckerstraße, an der Kipperbrücke liegendes Haus, welches durch eine überdeckte Brücke mit der Bank verbunden ward. Nachdem die Courantbank 1736 in Folge des Vertrages mit Dänemark aufgehoben war, ward das Gebäude 1741 zum Stadtarchiv bestimmt, doch blieben der Bank zwei Zimmer im Erdgeschoss und die Keller, worin später die Piaster verwahrt wurden. In dem ehemaligen Archiv hielten später die Oberalten ihre Versammlungen.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts ward die vor dem ganzen Rathause befindliche hölzerne Lattenbefriedigung durch ein hohes zierliches Eisengitter ersetzt.

Im Jahre 1770 erregte die Fassade des alten Rathauses, durch eine bedeutende Abweichung, die sich den Gewölben über der Kammer und der Trese mitgeteilt hatte, ernste Bedenken und veranlasste den Bauhof-Inspektor J. Kopp auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Die Kämmerei ließ 1771 eine Untersuchung durch den Baumeister Sonnin und den Tischler Johann David Fischer anstellen, welche ebenfalls die Notwendigkeit einer größeren Reparatur ergab. In Folge dessen wurden 1772 die Fassade und die Gewölbe der untern Etage zum größten Teile heruntergerissen und im Styl der damaligen Zeit wieder aufgeführt.

Die neue Fassade war durch Pfeiler in fünf gleiche Teile abgeteilt, von denen jeder in jeder Etage zwei Fenster erhielt. An die Stelle des alten Einganges kam ein Sandsteinportal mit zwei Säulen, auf denen zwei Statuen, die Gerechtigkeit und die Eintracht und zwischen ihnen das vollständige von Löwen gehaltene Stadtwappen angebracht war. Die brav gearbeiteten Statuen und das Wappen lieferte der Bildhauer Manustadt, und erhielt für seine Arbeit 650 Mark. Wahrscheinlich wurden zu gleicher Zeit von dem ebenfalls schadhaften Giebel die pyramidenförmigen Aufsätze entfernt, welche überdies mit dem Stil der Fassade nicht in Einklang standen.

Nicht lange darauf wurde eine größere Reparatur des neuen Rathauses nötig, die so umfassend zu werden drohte, dass man selbst an einen Neubau dachte. Im Jahre 1786 beantragte der Bauhof-Inspektor Kopp die Erneuerung der schadhaften Decke der Ratsstube, und berichtete im März 1788, dass die überhaupt am Rathause vorzunehmenden Reparaturen einen Kostenaufwand von 50 bis 60.000 Mark erfordern könnten. In Folge dessen beauftragte der Senat am 12. März 1788 den Syndicus Sillm, Senator Volkmann und die beiden Bauhofherren, die Senatoren Kirchhof und Petersen, genaue Untersuchungen anstellen zu lassen und Vorschläge zu machen. Diese Kommission scheint von der Notwendigkeit eines Neubaus überzeugt gewesen zu sein, denn sie hatte bereits Projekte gemacht, die Ratsstube und die im Rathause befindlichen Departements im Eimbeckschen Hause unterzubringen, und der Senat hatte einen desfallsigen Antrag an die Oberalten gerichtet. Die inzwischen von den Älterleuten des Zimmer- und Maureramts eingeholten Gutachten erklärten indes einen Neubau für nicht notwendig, die Reparatur aber so umfassend, dass der größte Teil des Gebäudes geräumt werden müsse. Der Senat ließ hierauf von dem Baumeister Sonnin, dem Grenz-Inspektor Joh. Theod. Reincke und dem Baumeister Carl Gottlob Horn aus Wandsbek eine neue gründliche Untersuchung vornehmen, und diese drei Sachverständigen erklärten am 28. April 1788 in einem ausführlichen noch vorhandenen Gutachten, dass das Rathaus nicht in so schlechtem Zustande sei und mit einem Aufwande von 36.000 Mark für mindestens fünfzig Jahre repariert werden könne, ohne die einzelnen Behörden aus ihren Räumen zu verdrängen. Der Bau ward darauf nach dem Vorschlage von Sonnin, Reincke und Horn durch den Bauhof ausgeführt und kostete schließlich 50.790 Mark Crt., worin jedoch die Kosten der Dekorierung der Ratsstube und einer neuen, für dieselbe aus London verschriebenen Uhr, zum Preise von 1.200 Mark mit einbegriffen waren. Sonnin erhielt für seine guten Ratschläge zwei Portugalöser, seine Kollegen jeder einen. Den Beamten und Arbeitern des Bauhofs wurden in Anerkennung ihres außerordentlichen Eifers und ihrer Tätigkeit bei der Ausführung eine Gratifikation von 2.000 Mark bewilligt.

Die Ratsstube verlor bei diesem Umbau ihren bisherigen Schmuck; die Wandmalereien wurden entfernt und das Gemälde der Stadt nach dem Bauhofe geschafft, und 1789 dem Senator Kirchhof gegen Revers überliefert. Von Heß beschreibt die innere Einrichtung 1811 wie folgt: „Die erhöhten Bänke, worauf der Rat sitzt, haben grüne seidene Polster; auf den Tischen vor den Bürgermeistern liegen grüne sammettene Decken mit silbernen Fransen. An der Wand ist eine Uhr, die acht Tage geht, ein kleiner Schrank mit einigen Büchern und Schriften, Hamburg betreffend; ein großer blau und weißer Kachelofen, worauf die Stadt abkonterfeit; das ist alles, was diese Sessions-Stube auszuweisen hat. Nach etwas Überflüssigem sieht man sich hier vergeblich um, an dem Notwendigen mangelt hier nichts. In der daran stoßenden Registratur steht bloß ein langer Tisch, einige Stühle, Protokolle, ein Schreibzeug und ein Stundenglas.“ — Gleichzeitig wurden auch die zwölf großen hölzernen Statuen aus der Halle entfernt. Vier derselben erhielt 1790 der Stader-Zoll-Kontrolleur zum Geschenk. Auch eine Gemäldesammlung, deren Herkommen und Zusammenhang mit dem Rathause nicht aufzufinden ist, ward verkauft. Es ist darüber nur bekannt, dass der Senat am 19. Dezember 1788 dem Bauhofe den Auftrag erteilte, die auf dem Rathause befindlichen überflüssigen Gemälde zu verkaufen. Die Mäkler Reimarus und Terier und andere Kunstkenner hatten sie das Stück nur auf 6 Mark geschätzt, und war deshalb der Auftrag erteilt sie gelegentlich öffentlich mit zum Verkauf zu bringen. Dies geschah schon am 17. April 1739 und der noch vorhandene Katalog enthält 140 Gemälde, 260 eingerahmte, 167 lose Kupferstiche und 25 Stück Gipssachen. Man könnte die Vermutung aufstellen, dass es sich hier um eine deponierte oder sequestrierte Sammlung gehandelt hätte, doch muss davon nach dem Commissorium vom 19. Dezember abgesehen werden. Dass eine solche Sammlung angekauft sei, ist, wenn auch die Kupferstiche ganz unberücksichtigt bleiben, höchst unwahrscheinlich. Es bleibt nur übrig an ein Geschenk zu denken, doch wäre es sehr ausfallend, dass dann der Name des Gebers vergessen sein sollte. Mit dem oben erwähnten Museum kann diese Sammlung auch nicht in Verbindung gebracht werden, weil sich nur wenige Bilder darunter befanden, welche älter als ein Jahrhundert waren. Die große Mehrzahl waren niederländische Genrebilder von kleinerem Umfange und darunter keines, was durch seinen Gegenstand aus hamburgischen Ursprung deutet oder zu dem Rathause selbst in Beziehung steht. Weder der Kunstkenner von Uffenbach noch von Heß gedenken einer solchen Sammlung auf dem Rathause.

Man scheint um diese Zeit bemüht gewesen zu sein, alle Nebendinge aus den ernsten Räumen zu entfernen, und schaffte 1789 auch den schon 1688 vorhandenen Gebrauch ab, die Tische der Bürgermeister, der Kämmerei-Bürger und der Herren und Bürger auf dem Zollen an den Sitzungstagen mit frischen Blumen zu schmücken, wodurch zugleich eine Ersparung von jährlich 140 Mark erzielt wurde.

Die Benutzung der Räume des Rathauses im Jahre 1789 veranschaulicht der Grundriss auf unserer Tafel III. Im alten oder großen Rathause dienten zwei Zimmer nach vorne der Kämmerei, das dritte war die Trese, welche aber 1792 in das obere Stockwerk über der alten verlegt wurde, um der Kammer mehr Raum zu schaffen, die nach Wegräumung der Trennungsmauer ein größeres Zimmer erhielt. Die neue Trese wurde mit starken Brandmauern, eisernen Türen und einer 8 bis 10 Zoll dicken Lehmschichte über dem Boden versehen. Im obern Stockwerk befanden sich die Korn-, die Bier-, die Vieh- und die Weinaccise und seit 1782 die Trese. Die Halle oder wie sie um diese Zeit genannt wird, das Gehege, diente außer zu den feierlichen Sitzungen des Senats zu den Versammlungen der Bürgerschaft, und während der Berathungen blieb das Kirchspiel St. Nicolai in demselben. Außerdem standen hier in kleinen Abteilungen die Schoßtafeln der fünf Kirchspiele, große feste Kasten mit auszuschlagenden Deckeln, um ein Zahl- und Schreibbrett zu bilden, wenn der Bürgerschoß empfangen wurde. In dem Gehege pflegten an den Ratstagen auch die Advokaten sich einzufinden, und daselbst ließen sich auch die Mitglieder des Senats während der Ratssitzungen sprechen. Eine Ansicht der Rathaushalle ist uns in einer Handzeichnung von Jens Bunsen, zu Anfang des 19. Jahrhunderts gezeichnet, aufbewahrt, und mit einigen Berichtigungen auf unserer Tafel IV wiedergegeben. Die noch von v. Heß 1811 erwähnten, oben beschriebenen Gemälde über dem Sitze der Bürgermeister finden sich nicht, und waren wahrscheinlich mit den Statuen 1788 entfernt. An den Wänden sind geputzte Nischen, die einer neueren Zeit angehören und jenen Gemälden keinen passenden Platz übrig ließen. Nach von Heß war das eigentliche Gehege beweglich und wurde bei feierlichen Gelegenheiten wohl teilweise entfernt. Die beiden Zimmer im hintern Anbau enthielten wie früher die Schreiberei oder Kanzelei, wo der Protonotar oder älteste Stadtsekretär das Stadtbuch oder Hypothekenbuch schrieb, und wo gerichtliche Scheine, Zeugnisse, Pässe usw. ausgestellt wurden. Bei den Versammlungen der Bürgerschaft trat das St. Petri Kirchspiel in der Schreiberei zusammen. Auf dem Weinboden wurden Kommissionen gehalten, die öffentlichen Eidesleistungen vorgenommen, und das St. Michaelis Kirchspiel bei den Bürgerschaften versammelt. Dasselbe hatte durch Rat- und Bürgerschluss vom 18. August 1699 die Feuerkassenstube angewiesen erhalten, weil dessen bisherige Berathungen im Gehege mit dem St. Nicolai Kirchspiel zugleich, zu Unordnungen geführt hatten. — Im neuen Rathause befand sich unten die Ratsstube, die Registratur und der Eingang zu den Gewölben der Bank; im zweiten Stock der 180ger-Saal, der Herrenzoll und die Landstube, wo der Actuar des Niedergerichts das Landhypothekenbuch schrieb. Das Bankgebäude enthielt unten die Zimmer der Bank und darüber die Feuerkassenstube, Oberalten- und Admiralitätsstube. Das neben der Bank liegende Wohnhaus mit dem Bullenstall wurde 1795 der Bank zugeschrieben, welche es mit den Bankräumen in Verbindung setzte, und das Bankbürgerzimmer in dasselbe verlegte. Das dritte Stockwerk enthielt die Silberkammer und eine Menge Zimmer, welche zur Aufbewahrung von Akten der Bank, der Kämmerei, der Kanzelei, des Niedergerichts u. s. w. dienten; auch mehrere Kammern der beiden Dachböden waren damit gefüllt. Die Keller des Rathauses waren größtenteils der Bank zur Aufbewahrung der Silbervorräte eingeräumt; selbst unter einem Teil des Geheges lag, ohne schützende Gewölbe, ein Teil des Silbers, wohl wegen der großen Menge, die 1799 zirka 38 1/2 Million Mark Banko betrug. Unter dem alten Rathause lagerte an der Straße das belehnte Kupfer und hatte der Rathausheizer, oder, wie er gewöhnlich genannt wurde, der Ratsfürböter, seine Wohnung. Die Benutzung des Niedergerichtsgebäudes und des Archivs in der Bäckerstraße ist bereits oben angeführt. Die beschriebene Einrichtung des Rathauses blieb bis zum Jahre 1811. Nachdem am 29. Dezember 1810 der letzte Bürger-Konvent abgehalten, Hamburg dem französischen Kaiserreiche einverleibt und am 13. Februar 1811 der Senat aufgelöst war, gab es kein Rathaus mehr, und am II. März begannen die Franzosen mit der Entfernung des Stadtwappens von den beiden Türen des Rathauses und vom Archivgebäude.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Hamburger Rathauses