Geschichte der niederdeutschen Städte - 1. Lübeck

Aus: Das Bürgertum und Städtewesen der Deutschen im Mittelalter
Autor: Rauschnick, Gottfried Peter Dr. (1778-1835) Arzt und Schriftsteller, Reiseberichte und historische Abhandlungen, Erscheinungsjahr: 1829
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Hansebund, Hansa, Hansetag, Mittelalter, Bürgerstand, Koggen, Handel, Städtewesen, Bürgerleben, Lübeck
Die Zeit der Gründung dieser Stadt ist unbekannt, doch scheint ausgemacht, dass sie den Deutschen ihren Ursprung verdankt. Im Jahr 1139 wurde sie von den Slawen zerstört, aber im Jahr 1144 von dem Grafen Adolph von Holstein aufs Neue erbaut. Der Herzog Heinrich der Löwe schränkte zu Gunsten der Stadt Bardewik den Handel von Lübeck ein, doch als Graf Adolph die Stadt nach einem Brande im Jahr 1154 aufs Neue und zwar auf einer bequemeren Stelle wiederum erbaut hatte, da nötigte Heinrich ihn, ihm Lübeck zu überlassen, und nun war er bemüht, die Stadt durch Erteilung vieler wichtigen Vorrechte blühend zu machen. Besonders gereichte es zur Aufnahme der Stadt, dass Heinrich der Löwe im Jahr 1163 die nordischen und östlichen Völker von allen Zöllen in Lübeck befreite; mehr als Alles trug aber zu ihrem Flor die im Jahr 1189 durch Heinrich den Löwen erfolgte Zerstörung von Bardewik bei, weil viele Kaufleute dieser Stadt mit ihrem Vermögen und ihren Kenntnissen sich in Lübeck niederließen und den Handel daselbst blühend machten. Nach Heinrich des Löwen Fall erhielt zwar Lübeck nicht, wie sonst allgemein geglaubt wurde, die Reichsfreiheit, allein es kam unter die Oberherrlichkeit der Grafen von Holstein, welche, ihrer geringen Macht und der ihnen gefährlichen Nachbarschaft Dänemarks wegen, mehr Bundesgenossen als Grundherren waren.

Im Jahr 1201 wurde ganz Nordalbingen und auch Lübeck von Waldemar II. von Dänemark erobert. Er erteilte ihr im Jahr 1202 die Bestätigung aller Freiheiten, die sie von Heinrich dem Löwen und Kaiser Friedrich I. erhalten hatte, doch musste sie sich seiner Botmäßigkeit unterwerfen und dänische Besatzung aufnehmen. Lübeck war des dänischen Jochs bald überdrüssig und trachtete darnach, es abzuwerfen. Als die Bürger dazu die Genehmigung Kaiser Friedrichs II. und die Zusicherung seines Beistandes erhalten hatten, da überfielen sie am ersten Mai 1226 die dänische Besatzung, verjagten sie und rissen die Burg nieder. Da König Waldemar ein großes Heer zusammen zog, um die Empörung Lübecks zu rächen, so rüsteten auch die Lübecker und ernannten Adolph IV. von Holstein zu ihrem Heerführer. Da Waldemars Rüstung nicht Lübeck allein, sondern mehreren deutschen Fürsten gelten sollte, so fanden die Lübecker Verbündete an dem Herzog Albrecht von Sachsen, dem Grafen Heinrich von Schwerin und den Holsteinern. Am 20. Juli 1227 kam es bei Bornhovede zur Schlacht, in welcher die Dänen eine vollständige Niederlage erlitten. Die Lübecker hatten sich unter Anführung ihres tapferen Bürgermeisters, Alexanders von Soltwedel, durch große Tapferkeit ausgezeichnet.

Schon in sehr frühen Zeiten erhielt Lübeck Gesetze, die den Verhältnissen deutscher Städtebewohner ganz besonders angemessen waren und darum auch in sehr vielen anderen deutschen Städten eingeführt wurden. Da das lübische Rechtsbuch die Quelle war, aus welcher andere Städte ihr Recht entnahmen, so kam es auch in Gebrauch, den Rat zu Lübeck als höchste Instanz anzusehen, wohin aus sehr vielen Städten appelliert ward. Der Schöffenstuhl zu Lübeck erlangte einen großen Ruf und hat sich lange darin behauptet.

Der Seehandel Lübecks war schon im 12. Jahrhundert von großer Bedeutung und während der beiden folgenden Jahrhunderte war unter allen deutschen Seestädten diese Stadt unstreitig die wichtigste. Ihr Reichtum und ihre Bevölkerung waren so groß, dass sie ansehnliche Heere aufstellen konnte und mit den benachbarten Fürsten glückliche Kriege führte. Seit dem sie Haupt der deutschen Hanse war, vermehrte sich ihr Wohlstand und ihre Bevölkerung in einem noch höheren Grade. Die Geldnot der benachbarten Fürsten gab den Lübeckern Gelegenheit, ihr Gebiet zu erweitern. Im Jahr 1320 kauften sie Travemünde von dem Grafen von Holstein und 1359 die Stadt und Vogtei Mölln mit dem See; Bergedorf erwarben sie mit Hamburg gemeinschaftlich. Der Rat von Lübeck zeichnete sich vor vielen anderen durch eine weise und kraftvolle Regierung aus. Die Stadt besaß die reichsten Waffenvorräte, eine wohlgerüstete Flotte und eine zahlreiche streitbare Bürgerschaft; dennoch hütete sich der Rat vor allen ungerechten Kriegen, obwohl er den Krieg nie scheute, wo er zur Verteidigung wohlerworbener Rechte nötig war. Auch Lübeck besaß adelige Geschlechter, die aber nicht sehr zahlreich waren und ihr Ansehen mit den Kaufleuten teilen mussten. Mehr als der Adel gab der Reichtum hier einigen Familien das Übergewicht; doch zeigt sich bis gegen das Ende des 15. Jahrhunderts keine Eifersucht der Zünfte und Gemeinen gegen sie. Erst im Jahr 1380 wurde das Streben der Gemeinen, Teil an der Regierung zu nehmen, sichtbar, und die Fleischer, hier Knochenhauer genannt, erregten einen Aufruhr, cm dem mehrere Zünfte Teil nahmen. Schnell aber bewaffneten sich 5.000 Kaufleute mit ihren Knechten und 400 Patrizier und erstickten die Empörung im Keime. Bei weitem gefährlicher war eine Verschwörung, die 1384 angezettelt wurde und die Ermordung des Senats, die Plünderung der Kaufleute und die Vertreibung der Geschlechter zum Zweck hatte. Kurz vor dem Ausbruch wurde diese Verschwörung durch einen sonderbaren Zufall entdeckt und so wie die erste durch viele Hinrichtungen und Verbannungen bestraft.

Durch Kriege und Bauten hatte der Rat die Stadtkasse erschöpft und mit einer großen Schuldenmasse beladen. Der Senat geriet in Verlegenheit und lud die Angesehensten der Bürgerschaft ein, gemeinschaftlich mit ihm das Schuldenwesen zu ordnen. Die Eingeladenen ernannten einen Ausschuss von 60 Personen, der den Rat unter immerwährende Aufsicht stellen wollte. Deshalb verließ die Hälfte des Magistrats sogleich die Stadt und der zurückgebliebene Teil konnte nun um so weniger sich bei seinem Ansehen behaupten. Die Sechziger veranlassten nun 1408 eine neue Wahl des Magistrats, zu welchem jetzt nur Handwerker gewählt wurden. Diese Regierungsveränderung wurde sogleich von Wismar und Rostock nachgeahmt, und in Hamburg musste der Rat den Gemeinen wenigstens einen großen Anteil an der Regierung gestatten.

Die Umwälzung in Lübeck drohte den Hansebund zu zerrütten, der seinen Grundsätzen gemäß die neue Regierung der Lübecker nicht anerkennen durfte. Daran kehrte sich aber der Rat zu Lübeck nicht, sondern verfügte in Angelegenheiten des Bundes und lud die Bundesgenossen zu den Hansetagen zusammen. Einige Abgeordnete erschienen, andere nicht, und es entstand eine Spaltung im Bunde, die ihm den Untergang drohte. Der alte Rat bewirkte von Kaiser Ruprecht eine Achtserklärung gegen den neuen Rat und die Sechziger. Doch der neue Rat erlangte von dem Papst Johann XXIII. die Aufhebung der Acht, und die Streitigkeiten zwischen dem Papst und dem Kaiser verhinderten alle nachdrücklichen Maßregeln. Dieses mal konnte der Hansebund nicht mit dem großen Banne darein fahren, denn die Lübecker, im Besitz des hansischen Archivs und eines Anhanges unter den Bürgern der meisten Bundesstädte gewiss, boten ihm Trotz. Endlich wandte sich der alte Rat an den neuen Kaiser Sigismund, der beide Teile vorlud und zum Vorteil des alten Rats entschied. Er gebot, dass die Acht so lange in Wirkung bleiben sollte, bis der alte Rat wieder eingesetzt sein würde. Als ihm aber der neue Rat ein Geschenk von 25.000 Gulden machte, da hob er die Acht auf und bestätigte den neuen Rat. Nun wandte sich der alte Rat an den König Erich von Dänemark und der erbot sich, die 25.000 Gulden dem neuen Rat zurück zu zahlen; als der aber die Summe nicht annehmen wollte, da ließ er 400 Lübecker Bürger, welche sich in Schonen zum Heringsfang eingefunden hatten, festnehmen und zwang dadurch den neuen Rat zur Nachgiebigkeit. Im Jahr 1416 erschienen endlich kaiserliche Abgeordnete; darauf aber auch Bevollmächtigte der Hansestädte, die einen Vergleich vermittelten und den alten Rat wieder einsetzten. Dieser bediente sich der wieder erlangten Gewalt mit großer Mäßigung und befestigte dadurch sein Ansehen.

Sobald die Ruhe wiederhergestellt war, erlangte Lübeck das alte Gewicht im Hansebunde wieder und führte an der Spitze der wendischen Städte schwere Kriege mit Dänemark und Schweden. Dadurch hatte Lübeck sich den Hass des Königs Christoph zugezogen, der einen Plan zur Überwältigung dieser Stadt entwarf und sich zu dem Zweck im Jahr 1447 mit mehreren deutschen Fürsten verband. Er wollte unter dem Vorwand, ein Turnier zu halten, in Lübeck erscheinen, verkleidete Söldner sollten sich in die Stadt einschleichen, die Waffen in Weinfässer verpackt eingebracht werden und eine dänische Flotte mit 5.000 Mann sollte sich vor den Hafen legen. Er hielt um sicheres Geleit für sich und sein Gefolge zur Haltung des Turniers an. Es wurde ihm bewilligt, doch mit dem Beding, dass er nicht mehr als 500 Mann mit sich bringen sollte. Nachdem alle Veranstaltungen zur Überwältigung Lübecks getroffen waren, kam der König nach Rostock mit einem ungewöhnlich großen Gefolge und bewies sich daselbst sehr gnädig, um den Lübeckern Zutrauen einzuflößen; von da schiffte er sich nach Lübeck ein und ging an der Mündung der Trave vor Anker. Die verbündeten Fürsten waren mit ihren verkleideten Söldnern bereits in der Stadt und erwarteten des Königs Angriff, um ihn von innen zu unterstützen. Die Lübecker hatten aber Kunde von dem beabsichtigten Überfall erhalten und Vorkehrungen dagegen getroffen. Eine Feuersbrunst, die in der Nacht entstand, veranlasste einen Auflauf. Die deutschen Fürsten glaubten, dass der König vor der Stadt sei, und eilten mit ihren Waffen nach den Toren; daselbst wurden sie aber von den Bürgern empfangen und zur Stadt hinausgeworfen. Der König ging nun nach Kopenhagen zurück und rächte sich durch die Beschlagnahme lübeckischer Schiffe für das Misslingen seines Planes. Er hatte zur Bekämpfung der Hanse einen Schatz gesammelt und wollte den Krieg gegen Lübeck erneuern, doch sein Tod befreite die Stadt von diesem gefährlichen Feind. Lübeck behauptete seine Größe bis über das Mittelalter hinaus und war vielen anderen deutschen Städten in standhafter Behauptung ihrer Rechte, auch besonders gegen die Geistlichkeit, in großartiger Handels- und Gewerbetätigkeit und in vielen vortrefflichen Einrichtungen ein Vorbild.

Hansewappen

Hansewappen

Hanse Kogge

Hanse Kogge

Lübeck Das Holstentor

Lübeck Das Holstentor

Lübeck - Schifferhaus Außenansicht

Lübeck - Schifferhaus Außenansicht

Lübeck - Stadtansicht aus dem Mittelalter

Lübeck - Stadtansicht aus dem Mittelalter

Lübeck - Marienkirche

Lübeck - Marienkirche

Lübeck - Marienkirche Innenansicht

Lübeck - Marienkirche Innenansicht

Lübeck - Markt

Lübeck - Markt

Lübeck - Stadttor

Lübeck - Stadttor

Lübeck - Holsteintor

Lübeck - Holsteintor

Lübeck - Alte Speicher an der Trave

Lübeck - Alte Speicher an der Trave

Lübeck - Alte Gebäude an der Obertrave

Lübeck - Alte Gebäude an der Obertrave

Lübeck - Dom

Lübeck - Dom

Lübecker Kirchen

Lübecker Kirchen

Lübecker Bahnhof

Lübecker Bahnhof

Lübecker Bergenfahreraltar (linker Flügel) Marienkirche

Lübecker Bergenfahreraltar (linker Flügel) Marienkirche

Lübeck - Burgtor

Lübeck - Burgtor

Lübeck - Dom und Museum

Lübeck - Dom und Museum

Lübeck - Blick auf das Holstentor

Lübeck - Blick auf das Holstentor

Lübeck - Standtansicht

Lübeck - Standtansicht

Lübeck - Holstenbrücke um 1820

Lübeck - Holstenbrücke um 1820

Lübeck - Marktplatz um 1820

Lübeck - Marktplatz um 1820