Der Zug der arabisch-jüdischen Medizin in das Abendland

Mit der Schule von Kairouan hatten wir bereits den arabischen Boden verlassen; erwähnt habe ich auch schon, dass die Araber unter dem letzten Sprossen der Ommaijaden das Meer überschritten und in Spanien das Emirat von Cordova gründeten, und dass später unter Khalif Mamoun die arabische Kultur weiter westwärts zog bis nach Sizilien und der Provence. Allgemein bekannt ist, wie in Spanien vor allem die arabische Herrschaft zur Blüte gedieh, wie die Beherrscher des jungen Frankenreichs gegen die mächtig anstürmenden Asiaten, welche schließlich die natürliche Grenze der Pyrennäen zu durchbrechen drohten, sich wehren mussten. Karl Martell hatte sie in der Schlacht auf dem Gefilde zwischen Tours und Poitiers 732 zurückgeschlagen, und Karl der Große drängte sie 778 bis an den Ebro zurück. Diese Bekämpfung der Araber galt den Franken als Glaubenssache; sie führten das Kreuz Christi in das Gefecht gegen den Halbmond. Aber wir müssen heute gerechter sein und anerkennen, dass die Araber bei ihrem Vordringen in das Abendland eine Kulturmission erfüllten. Sie brachten aus ihrer Heimat die Verehrung der Wissenschaften in ein Land, das damals Lorbeeren des Krieges der friedlichen Palme geistiger Entwicklung vorzog, das wohl bestrebt war, den Heiden den Segen des Christentums zu bringen, sich aber sonst nicht um die Pflege des Geistes viel kümmerte. Besonders die Heilkunde hat den Arabern jener Zeit bei weitem mehr zu danken, als den Abendländern. Sie erhielten durch ihre Übersetzungen die Werke der alten griechischen Klassiker lebendig; denn das Griechische wurde erst durch die Humanisten wieder eine verständliche Sprache. Besonders galt dies von den Werken Galens, die, um Hyrtls Worte zu brauchen, „durch vierzehn Jahrhunderte als Gesetzbücher der anatomischen und heilkundigen Wissenschaften“ 5) verehrt wurden; sie wurden erst im elften Jahrhunderte auf Befehl des Normannenkönigs Robert von Sizilien durch den Mönch Hubertus de Regio in das Lateinische übertragen, und Hubertus benutzte nicht den griechischen Urtext, sondern die arabischen und hebräischen Übersetzungen als Unterlage für sein Werk! Wenn wir auch heute Galens Lehren nicht mehr unterschreiben, so ist doch durch die Erkennung seiner Irrtümer der Anstoß zu neuen Studien gegeben worden, auf die unser jetziges Wissen sich gründet: jede neue Erkenntnis in der Wissenschaft wurzelt in der vorhergehenden, und, wäre sie auch die Umkehr von jener! Unbestritten bleibt ferner den arabisch-jüdischen Ärzten nach dem Urteile eines neuesten christlichen Autors 6) „das Verdienst um eine erhebliche Bereicherung des Arzneischatzes mit wertvollen Heilmitteln, um die Begründung des Apothekenwesens, um die Förderung der Hygiene, um die Errichtung von Krankenhäusern.“ In letzteren war reiche Gelegenheit zu klinischer Beobachtung, die im Altertum und im gleichzeitigen Abendlande wegen Mangels an solchen Unterrichtsanstalten nur sehr dürftig sein konnte. Wir finden im Abendlande erst im elften und zwölften Jahrhunderte öffentliche Krankenhäuser (Hospital San Spirito zu Rom, Hotel Dieu zu Lyon und zu Paris u. s. w. 7 ), während das Spital zu Djondisabour, wie erwähnt, schon in der zweiten Hälfte des siebenten Jahrhunderts begründet und auch zu Unterrichtszwecken benutzt worden war.

Nach dieser kurzen Würdigung der Verdienste der Araber um die Heilkunde im allgemeinen kehre ich zu meiner besonderen Aufgabe zurück.


5 ) Lehrbuch der Anatomie, § 14.

6 ) Hirsch, Geschichte der Medizinischen Wissenschaften in Deutschland. München 1893.



Arabische Ärzte jüdischer Konfession waren bereits mit den vordringenden arabischen Heeren im neunten Jahrhunderte in das Reich der Franken gekommen. Da werden genannt Mescholaum ben Kalonymos, Joseph ben Gorion, Moses ben Jehuda, Todros von Narbonne und Joseph Halevy. Dass Karl der Große einen jüdischen Leibarzt hatte, ist behauptet worden, scheint aber unwahr zu sein. Dagegen gelangte Zedekias zu dieser hohen Vertrauensstellung bei Ludwig dem Frommen und später bei Karl dem Kahlen, dem Sohne Ludwigs. Diesem jüdischen Arzte wurden so merkwürdige Heilerfolge nachgerühmt, dass er dem Volke geradezu als Zauberer erschien. Je mehr ihm Karl der Kahle Vertrauen und Gunst bezeugte, desto größeren Hass lud er seitens des unwissenden, abergläubischen Volkes auf sein Haupt. Dieser Hass brachte es zustande, dass Zedekias, als Karl der Kahle plötzlich starb (877), beschuldigt wurde, seinen kaiserlichen Herrn vergiftet zu haben. Voltaire bemerkt zu dieser Legende in seinem Essai sur les moeurs et l'esprit des nations 8) „Niemand hat einen Grund angeführt, aus welchem dieser Arzt jenes Verbrechen beging. Was konnte er bei der Vergiftung seines Herrn gewinnen, nachdem er ein so schönes Schicksalslos gezogen hatte? Kein Autor spricht von einer Bestrafung des Arztes! Also muss man die Vergiftung anzweifeln und allein in Betracht ziehen, dass das christliche Europa so unwissend war, dass die Herrscher sich genötigt sahen, jüdische und arabische Ärzte sich zu ihren Ärzten zu nehmen.“

7) vgl. Zienissen, klinische Vorträge I. 3, 1888, pag. 8.

8) Oeuvres completes, tome IV, Pariser Ausgabe 1817 pag. 229 (citiert nach Carmoly).


Unter den arabischen Ärzten, welche um diese Zeit nach Sizilien kamen, ragte der Jude Sabatai ben Abraham, genannt Donnolo, im zehnten Jahrhunderte hervor. Es standen damals jüdisch-arabische Schulen, an denen Heilkunde gelehrt wurde, zu Palermo, zu Tarent, zu Bari in hoher Blüte. In Tarent hatte Donnolo studiert; später bereiste er Italien und lag hier astronomischen Studien ob, deren Früchte sein Sefer Hamasalot (Sternenkunde) und Kommentare zu älteren astronomischen „Werken waren. Uns Mediziner interessiert seine erst kürzlich aufgefundene hebräische Schrift, welche 120 Arzneipflanzen und deren Gebrauch beschreibt.

Von Sizilien verpflanzte sich die ärztliche Wissenschaft auf das italische Festland. Südlich von Neapel, an einer Bucht des tyrrhenischen Meeres, liegt in einem der schönsten Landstriche Süditaliens diejenige Stadt, die in die Geschichte der Medizin mit schimmernden Buchstaben eingeschrieben ist — Salerno. Eine alte römische Kolonie, war es seit langem ein beliebter Kurort, in späterer Zeit auch ein berühmter Wallfahrtsort und stand im frühen Mittelalter unter dem Regimente der Langobarden — , dann der Normannen-Fürsten; seit 974 war in seinen Mauern ein Erzbischof ansässig. Eine Medizinische Schule mag schon um diese Zeit in Salerno gewesen sein; es wird z. B. von dem eben genannten Donnolo berichtet, dass er auch in Salerno studiert habe. Aber der Ursprung der Salernitaner Schule, die aus kleinen Anfängen sich zu jahrhundertlangem, die ganze Welt erleuchtendem Glänze emporhob, um schließlich von jüngeren Schwestern überflügelt und fast vergessen zu werden, fällt erst in das elfte Jahrhundert, und an diesem Beginn haben wiederum Juden ihren Anteil, wie sie späterhin diesen Mittelpunkt Medizinischen Lebens (man vergleiche die Sage vom „armen Heinrich“ und das dieselbe behandelnde Gedicht Hartmanns von Aue!), als Studenten und Lehrer bevölkerten und zum Weltenruhme Salernos beitrugen. Im elften Jahrhunderte traten dort einige Ärzte zum Studium der griechischen und arabischen Ärzte als Collegium Hippocraticum zusammen, und der Ruhin ihrer Gelehrsamkeit brachte ihrem Wohnsitz bald den Ehrennamen einer Civitas Hippocratica. Schüler strömten herbei, um den Griechen Pontus, den Araber Abdallah und den Juden Elisäus (Elinus), von denen jeder in der Muttersprache, Pontus griechisch, Abdallah arabisch und Elisäus hebräisch, unterrichtete, zu hören; unter diesen Schülern befanden sich zahlreiche Juden. Elisäus selbst scheint Salernitaner gewesen zu sein; jedenfalls gab es zu seiner Zeit in Salerno eine jüdische Gemeinde. Unter den ersten berühmten Lehrern der Civitas Hippocratica war ein gewisser Copho , der an der Ausarbeitung des berühmten Compendium Salernitanum, dem ersten Lehrbuche, das das Gesamtgebiet der Medizin umgriff, mit beteiligt war, und dieser Copho soll Jude gewesen sein. Dasselbe wird von Copho II. berichtet, obgleich er als Verfasser einer Anatomia porci gilt. Unter den Ärztinnen, welche in Salerno lehrten (die Lehrfreiheit nach empfangener Promotion erlaubte das), befindet sich eine Rebekka im dreizehnten Jahrhunderte, welche über Fieber, über Urin und über den Fötus Abhandlungen verfasste. Es wird sich wiederholt Gelegenheit bieten, bei unserer weiteren Betrachtung auf Salerno zurückzukommen.

Jetzt gilt es, um der Zeitfolge nicht zu weit vorzugreifen, zunächst auf Spanien das Augenmerk zu lenken. Hier gelangte in der Zeit, in der wir eben verweilen, also im zehnten und elften Jahrhunderte, selbst noch im Beginn des dreizehnten Jahrhunderts, die arabische Medizin auf den Gipfel ihres Ansehens, und zu jener Zeit gerade sind hier unter den erlauchtesten Vertretern der Heilkunde Juden tätig gewesen, oder sie gehörten wenigstens durch Geburt und durch ihr Studium Spanien an.

Der Mitte des zehnten Jahrhunderts ist Chasdai ben Schaprut (Sprot) zuzurechnen: die Araber nennen ihn Hasdai ben Baschrut. Dieser geniale Mann war nicht nur ein vorzüglicher Arzt, sondern sein „Wissen erstreckte sich zugleich auf die Astronomie und sein Können auf die Dichtkunst und auf die Politik. So ward er nicht nur Leibarzt des Khalifen Abdalrahman III. von Cordova, sondern sogar Premierminister dieses Fürsten. Als solcher brachte er eine diplomatische Allianz zwischen seinem Herrn und dem Kaiser Romanus von Byzanz zustande; der Khalif erhielt von seinem neuen Verbündeten unter anderen Geschenken ein griechisches Werk des Dioskorides über Pflanzenkunde, und Chasdai übersetzte dieses mit Unterstützung eines griechischen Mönchs in die arabische Sprache, gleichzeitig diejenigen Namen von Heilpflanzen, welche den Arabern unbekannt waren, erläuternd. Unter seinen Medizinischen Schriften wird eine über den arabischen Theriak genannt. Chasdais hebräische Gedichte verdienen aus kultur-und literatur-historischem Interesse erwähnt zu werden, weil er sie nach arabischem Muster in Reimen verfasste.

Am Ende des zehnten Jahrhunderts zeichnete sich Harun von Cordova aus, noch unter Abdalrahmans HI. Regierung in Cordova geboren. Er wurde Lehrer der Heilkunde an der Hochschule seiner Vaterstadt und veröffentlichte 975 einen Kommentar zu Ebn Sina.

Etwa gleichzeitig gehörte der Hochschule von Toledo ah Lehrer Emran ben Isaak, über dessen Medizinis che Schriften nichts bekannt ist, an. Er starb im Jahre 997.

Jona ben Gonach, bei den Arabern Abu'lwalid Merwan Ebn D janah, war wiederum aus Cordova gebürtig (995); er studierte auch daselbst und war nicht nur ein hervorragender Arzt, sondern auch einer der bedeutendsten hebräischen Grammatiker, den Spanien erzeugt hat. Unter seinen Arbeiten aus dem medizinischen Gebiete ist die Schrift über Medikamente und ihre Dosierung hervorzuheben. Als Todesjahr dieses Arztes wird 1045 oder 1050 genannt.

Ein Zeitgenosse Jonas war Abu-Bekr Mohamed ben Merwan Ebn Zohar, der erste Arzt aus dieser berühmten jüdischen Gelehrtenfamilie, der 1031 zu Talabira starb. Auch sein Sohn Abd-al Malik Ebn Zohar wird als trefflicher Arzt genannt: er lebte einige Zeit außerhalb seiner Heimat in Bagdad, Kairo und Kairouan, um dann nach Spanien zurückzukehren. Eng befreundet war dieser mit dem jüdischen Arzte Josef ben Zebad, der auch als Philosoph einen guten Ruf genoss. Enkel Abu Bekrs, Sohn des Abd-al Malik war Abu'l Allah Ebn Zohar, dessen seltene Bescheidenheit gerühmt wird; er verfasste eine Widerlegung Avicennas 9) für seinen Sohn, den später so berühmt gewordenen Abu-Merwan Ebn Zohar.

Dieser Ebn Zohar 10), der berühmteste seiner Familie und einer der bedeutendsten Ärzte seiner Zeit, der auch im christlichen Abendlande noch im fünfzehnten Jahrhunderte hoch geschätzt wurde, war zu Pentanor etwa im Jahre 1070 geboren und wurde von seinem Vater schon im zehnten Jahre in Medizinischen Wissenschaften unterrichtet. Dann studierte er zu Sevilla und ward hier später Arzt des Königs Ali ben Temin. Nachdem der Fürst von Marokko, Jussuf ben Tachefyn, die kleinen spanischen Despoten vertrieben hatte, trat Ebn Zohar (latinisiert Avenzoar) in den Dienst dieses Fürsten. Zu seinen Schülern zählte der nachmals hochgefeierte Ibn Roschd (Averroes) aus Cordova, der als Arzt durch sein Werk über die gesamte Heilwissenschaft (noch 1531 gedruckt) und fast noch mehr als Philosoph sich auszeichnete. Avenzoar war ein aufmerksamer Beobachter der Natur und ein gründlicher Denker; er beherrschte die hebräische, die syrische und die arabische Sprache in gleicher Weise und wusste seine Feder in Prosa und Poesie schreiben zu lassen. Das bedeutendste seiner Medizinischen Werke ist Elteisir fil-modawat wel-tedbir betitelt, das heißt etwa „Heilkunde und Diätetik“; er bespricht darin die Behandlung der Krankheiten, flechtet aber auch anatomische Notizen ein, besonders über das Auge und den Uterus. Das Werk wurde 1280 in das Hebräische übersetzt, und, aus dieser Übersetzung hergestellt, erschien es von der Hand des Paravicius von Padua als Albumeron Avenzoar in lateinischem Gewande zu Venedig 1490. Außerdem stammen zwei Abhandlungen über Fieber von ihm, die noch 1570 in Venedig gedruckt wurden. Avenzoar wagte es sogar Galen zu widersprechen, für seine Zeit in der Tat ein mutiges Wagnis! Er gilt als erster Beobachter der Krätzmilbe; von neuen Krankheiten beschrieb er die durch Magen ulceration bedingte Abzehrung, die Mediastinitis u. s. w. Er machte Beobachtungen über Pericarditis, über eine durch Speisenröhrenlähmung erzeugte Angina, über eine durch Skirrhus der Zunge verursachte Sprachstörung und über anderes mehr. Interessant sind auch seine Ansichten von der Schädlichkeit der Sumpfluft. Avenzoar starb, mehr als 90 Jahre alt, im Jahre 1162. Ein ebenbürtiger Zeitgenosse und Landsmann, Avenzoars war der 1092 in Toledo geborene Ab raham ben Meir Aben Esra, kürzer als Ibn Esra bezeichnet. Er widmete sich schon frühzeitig den Studien und war ein universeller Geist, der die arabische, syrische und hebräische Sprache beherrschte, der nicht nur in der Heilkunde, sondern auch in jüdischer Theologie, in Mathematik, in Astronomie und in Philosophie große Kenntnisse erworben hatte. Sein Wissensdrang trieb ihn zu ausgedehnten Reisen, auf denen er nach Frankreich, Italien, Griechenland, nach Palästina, Syrien und Persien kam. In Indien geriet er in Gefangenschaft, vermochte aber zu fliehen und gelangte nach England. Auf der Insel Rhodus soll er als 75 jähriger Greis gestorben und begraben sein. Auf seinen Reisen hielt er gelehrte Disputationen und sammelte Material zu seinen Büchern. Von jenen Medizinischen Inhalts ist eines erwähnenswert, das in neun Abschnitten die Heilkunde theoretisch und praktisch abhandelt.

9) Avicenna, latinisiert aus Ebn-Sina, lebte 980—1037 und gilt als arabischer Galen. Besonders sein Kanun fi't Tib (d. i die Regel der Medizin) ist hochberühmt und war lange Zeit die Grundlage allen med'izinischen Studiums; ja, Avicennas Kanon verdrängte sogar Hippocrates und Galen aus ihrer prädominierenden Stellung im Abendlande.

10) Hyrtl bezweifelt, dass er Jude war und hält ihn für einen Mohamedaner, weil sein Ahne den Vornamen Mohamed führte: Mohamed sei aber ein bei den damaligen Juden und Christen verpönter Name gewesen. Ich bezweifle, dass diese Begründung genügt


Ibn Esra dürfte es in arabischer Sprache geschrieben haben; bekannter ist es in der hebräischen Übertragung als Sefer hanisionoth.

Außerdem lebten in dieser Zeit in Spanien als Ärzte Chasdai ben Jussuf Ebn Chasdai, Isaak Beklarisch, Abu Omar ben Kamenil. Zu Toledo gründete etwa 1140 Erbischof Raimund eine Übersetzungsanstalt, an welcher vorzugsweise Juden in der Übertragung arabischer Ärzte tätig waren; die Stadt war zu jener Zeit im nördlichen Europa als Sitz der schwarzen Magie mehr berüchtigt, als berühmt.

Der Erbe des Ruhms, den Avenzoar und Ibn Esra in der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts auf sich vereinigt hatten, war aber in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts Moses ben Maimon, genannt Maimonides. Ein Spanier von Geburt, übte er die Tätigkeit, welche seinen Ruhm begründete, außerhalb seiner Heimat. Er war zu Cordova im März 1135 geboren, soll aber in Lucena seine Jugendzeit verlebt haben. Nach vollendetem Studium lebte er jedenfalls wieder in Cordova und bekleidete das Amt eines Richters. Doch litt es ihn hier nicht allzulange, weil die Almohaden, die im Jahre 1148 Cordova erobert und sich in der Stadt festgesetzt hatten, die Juden bedrängten, entweder den Islam anzunehmen oder auszuwandern. Maimonides begab sich nach Nordafrika und gelangte endlich im Jahre 1165 nach Ägypten, wo er ärztliche Praxis ausübte, ohne dadurch, wie es scheint, einen genügenden Lebensunterhalt gefunden zuhaben. Als dann später die Türken die ägyptische Dynastie entthront hatten, lenkte der jüdische Arzt, welcher damals bereits durch seine tiefe Wissenschaftlichkeit und deren Frucht, sein großes theologisches Werk, die Mischnah, die Bewunderung seiner Glaubensgenossen auf sich gezogen hatte, die Augen des Herrschers auf sich, und der Sultan Salaheddin Jussuf ben Ajub ernannte ihn 1171 zu seinem Leibarzt. Maimonides verblieb in diesem Amte bis zu seinem Tode 1205, den Juden und Nichtjuden mit gleicher Aufrichtigkeit der Gesinnung unendlich tief beklagten. Seit seiner Ernennung zum Leibärzte wuchs seine ärztliche Tätigkeit, und er schreibt selbst in einem erhaltenen Briefe an Samuel ibn Tibbon: „Als Leibarzt des Sultans hegt mir die Pflicht ob, mich jeden Tag mit dem Frühesten in das von meiner Wohnung ziemlich entfernte Hoflager zu begeben. Ist der Sultan selbst oder eines seiner Kinder oder eine seiner Gemahlinnen nicht krank, oder erfordert der eine oder andere von den vornehmen und ersten Hofbeamten nicht meinen Beistand als Arzt, so dass meine Gegenwart daselbst nicht den ganzen Tag über notwendig ist. so kehre ich jeden Mittag in meine Behausung zurück. Hier wird mir kaum so viel Zeit gestattet, mich von dem Wege zu erholen und etwas zu gemessen, weil Leute aus allen Ständen, Hoch und Niedrig, Reich und Arm. Juden und Nichtjuden, schon meine Ankunft sehnlichst erwarten, und nicht selten bin ich bis in die Nacht hinein beschäftigt, um nur jedem als Arzt nützlich sein zu können.“

Ich kann es mir nicht versagen, zur Charakteristik dieses seltenen Mannes das Gebet hier einzufügen, das er morgens vor Aufnahme seiner Tätigkeit zu sprechen pflegte, — denn mehr, als alle Lobesworte und alle Einzelheiten seines Lebens, vermag es diesen jüdischen Arzt zu kennzeichnen, und heute nach siebenhundert Jahren noch muss es ein Echo in jedem fühlenden Herzen erwecken. Es lautet in der deutschen Übersetzung Kaiserlings 11) also:

„Ich schicke mich jetzt an zu meinem Berufe. Stehe mir bei, Allmächtiger, in diesem großen Unternehmen, dass es mir gelinge; denn ohne Deinen Beistand gelingt dem Menschen auch nicht das Kleinste! Gib, dass mich beseele die Liebe zur Kunst und zu Deinen Geschöpfen! Lasse es nicht zu, dass Durst nach Gewinn, Haschen nach Ruhm oder Ansehen sich in meine Tätigkeit mische; denn diese sind der Wahrheit und der Menschenliebe feind. und sie könnten auch mich irre leiten in meinem Berufe, das Wohl Deiner Geschöpfe zu fördern. Erhalte die Kräfte meines Körpers und meiner Seele, dass sie unverdrossen immerdar bereit seien, zu helfen und beizustehen, dem Reichen und dem Armen, dem Guten und dem Bösen, dem Feinde und dem Freunde. Lasse mich im Leidenden stets nur den Menschen sehen!“

11) Allgemeine Zeitung des Judentums 1863.

Wie weit endlich das Denken dieses edlen Arztes seiner Zeit vorausgeeilt war, ersieht man z. B. aus dem Umstände, dass er die Sterndeuterei scharf verurteilte; denn er konnte als Wahrheit nur anerkennen, was durch einen klaren Beweis, wie in der Mathematik, bestätigt wird, was der Mensch mit seinen fünf Sinnen wahrnehmen kann, und was in den heiligen Büchern als Wahrheit überliefert ist — alle jene Behauptungen von Schicksalsbestimmungen durch die Gestirne aber, so lehrte er, sind keine Ergebnisse der Wissenschaft, sondern nur Ausgeburten der Torheit. Man denke daran, dass Schiller seinen Wallenstein, der fast fünfhundert Jahre nach Maimonides lebte, mit einem Astrologen umgibt und ihm selbst die Worte in den Mund legt „Die Sterne lügen nicht!“

Maimonides hat außer seinen mustergültigen und unsterblichen theologischen Werken auch Medizinische hinterlassen. Das umfangreichste und bedeutendste von diesen ist „Aphorismen zur Medizin“ betitelt. Es sind Auszüge aus Hippokrates, Galen, Al-Eazi u. s. w. in fünfundzwanzig Abschnitten, die, aus dem arabischen Urtext als Perke Mosche in das Hebräische übersetzt und dann auch in das Lateinische übertragen, noch 1489 und 1570 zu Bologna, bzw. zu Basel erschienen sind. Sehr geschätzt wird auch sein Werk über den Schutz der Gesundheit, das noch 1535 in lateinischer Übersetzung als Tractatus de regimine sanitatis gedruckt worden ist. Außerdem existieren von Maimonides ein Abriss aus den sechszehn Büchern Galens, eine Abhandlung über die Hämorrhoiden, die auch hebräisch übersetzt wurde, eine leicht verständlich geschriebene Darstellung der Gifte und der Vorbeugungsmittel Medizinaler Vergiftungen, eine Arbeit über das Schnarchen etc. Auch in seinen nicht Medizinischen Werken finden sich Bemerkungen über die Heilkunde; so ist das 5. Capitel des 2. Bandes seiner Mischnah Medizinischen Fragen gewidmet.

Da Maimonides unsern Blick nach Ägypten geleitet hat, so füge ich hier an, dass im Ägypten jener Zeit noch andere jüdische Ärzte zu Ansehen gelangten. Schon in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts hatte sich Abu Said Ebn Hosain, genannt El-Thabib, als Verfasser eines Werkes über die Krankheiten des menschlichen Körpers und über die Mittel, sie zu verhüten, rühmlich bekannt gemacht. Später blühte unter den ägyptischen Juden die Heilkunde, und, als Al-Hakim eine Anschwellung des Fusses beseitigt sehen wollte, wusste ihm nur ein jüdischer Arzt zu helfen. Genannt werden in der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts Abu'l Kheir Selama ben Rahmon und Abu Djafar Jussuf ben Achmed Ebn Chasdai, ein geborener Spanier, dessen Bekanntschaft mit den Werken des Galen und Hippokrates besonders hervorgehoben wird. Er war Arzt und Vertrauter des Vezirs El Mamun Abdallah und verfertigte für diesen einen vielgelobten Kommentar zu Hippokrates. Zur Zeit des Maimonides lebten in Ägypten Nathaniel Israeli, der auch am Hofe Salaheddins tätig war, und eine Medizinische Topographie von Alexandrien verfasste, ferner Ebn al Sedid und Abu'1-Barakat. Nach Maimonides wirkten in Ägypten dessen Sohn, der Leibarzt beim Vater des regierenden Sultans war, auch am Hospital in Kairo seine Kunst ausübte und etwa 1236 gestorben ist. Auch dessen Sohn, der Enkel des großen Mahnonides, war Arzt in Kairo bis zum Jahre 1300. Er ist bekannt unter dem Namen Rabbi David, und auch seine beiden Söhne, Abraham und Salomon, blieben dem ärztlichen Berufe treu. Ein Schüler von Maimonides war Jussuf al Sebti, der, ehe er nach Ägypten kam, in der afrikanischen Küstenstadt Sebta, seinem Geburtsorte, praktiziert hatte, bis ihn Judenverfolgungen von dort vertrieben; er starb als Leibarzt des Sultans Al Dhahir von Aleppo, im Jahre 1226. Der berühmte Dichter Charizi 12) besingt diesen Arzt als Arzt, Mathematiker und Philosophen. Mit ihm lebten in Aleppo Hanania ben Bezaleel, Jehuda und Rabbi Finchas als geachtete Ärzte.

Im Anschluss an diese ägyptischen Ärzte will ich noch einige Zeitgenossen der jüngsten unter ihnen erwähnen. In Marokko lebte nämlich in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts in hohen Ehren am Hofe Jussufs der jüdische Arzt Abu Bekr Mohamed Ebn-Zohar (gestorben 1199), dessen Sohn als letzter Arzt der Familie Ebn-Zohar gilt. Im dreizehnten Jahrhunderte errangen sich dann einige Ärzte aus der Sekte der Samaritaner, welche nur die fünf Bücher Moses anerkannten und streng auf Erhaltung ihrer Religion und ihrer heiligen Sprache hielten, ähnliche Ehrenstellen. So ward der aus Ägypten gebürtige Muheddib-Eddin nicht nur Leibarzt, sondern sogar Vezir des Sultans Alm elik al Amdj ad-Eddin ; er war aber unklug genug, seine hohe Stellung durch Bevorzugung seiner Sekte zu missbrauchen und sich die Gunst des Herrschers und seines Volkes zu verscherzen. Nach langer Haft verließ er das Land, lebte in Damaskus als Arzt und starb dort 1227. Lieblingsarzt des Sultans Almelik al Aschraf Musa wurde der Samaritaner Sadaka, der auch einige Medizinische Schriften verfasst hat und 1223 gestorben ist. Aus Damaskus stammte der Samaritaner Abu'l Hassan, der bereits mit 18 Jahren fähig war, die ärztliche Praxis aufzunehmen; als er Leibarzt des Sultans al Amdj ad geworden war, trat er zum Islam über. Dieser Übertritt brachte ihm wenig Glück ; denn er endete schließlich durch einen unnatürlichen Tod im Jahre 1251 in der Zitadelle von Kairo. Er war ein fleißiger Büchersammler und hinterließ eine Bibliothek von 10.000 Bänden.

12) Lebte zu dieser Zeit in Spanien; Reiselust trieb ihn weit in der damals bekannten Welt herum.

Mit Maimonides hatten wir Spanien verlassen und haben an seinem Wirkungsorte und dessen Umgebung in der zeitlichen Folge bereits das Jahr 1200 überschritten. Es ist Zeit, nach Spanien zurückzukehren. Denn auch in Spanien selbst finden sich unter den hervorragenden Ärzten des dreizehnten Jahrhunderts Juden. In Toledo wirkte Jacob, in Arragonien Josef Constantini, der durch seine Beredsamkeit berühmte Jehuda ben Isaak in Barcelona und zu Saragossa Bechai ben Moseh, der neben seinem ärztlichen Berufe noch das Amt eines Oberrabbiners in seinem Wohnort bekleidete. Arzt Ferdinands des Dritten von Castilien war Salomon ben David. Außer Josef Constantini lebte damals in Spanien auch ein Moses Constantini, dessen Sohn und Enkelsohn gleichfalls zu Ärzten sich heranbildeten, und neben dem Oberrabbiner von Saragossa wirkte auch dessen Bruder Salomon in dieser Stadt als Arzt. Sie alle überstrahlte an Gelehrsamkeit und Ruhm Moses ben Nachman, der 1194 oder 1198 zu Gerona in Catalonien geboren ward und sich in jugendlichem Alter nach Frankreich zu wissenschaftlicher Ausbildung begeben hatte. Wenngleich er wesentlich theologischen und philosophischen Studien oblag und vor allem in diesen Wissenschaften sich Unsterblichkeit verdient hat, so ist er doch auch unter den jüdischen Ärzten zu nennen: denn er hatte den Medizinischen Unterricht Jehudas, der Professor an der Medizinischen Falkultät von Montpellier war, genossen. Freilich hat er späterhin seine ärztlichen Kenntnisse kaum verwendet; es kann sogar sein, dass er infolge seiner theologischen Neigungen als Arzt den alten unwissenschaftlichen, kabalistischen Anschauungen huldigte. Der Nachmanide starb in Jerusalem 1267.

König Ferdinands Nachfolger, Alphonse der Weise. (1251—1284) war ein Freund der Künste und Wissenschaften und sammelte um sich eine auserlesene Schaar gelehrter Männer. Unter seinem milden Szepter gedieh darum die Medizin unter den Juden seines Landes. Er hatte selbst einen jüdischen Leibarzt, Jehuda Mosca, der in der Heilkunde sowohl, als in Astronomie und in Sprachen wohl bewandert war. Mosca übersetzte für Alphonse ein sehr altes anonymes Werk aus dem Arabischen in das Castilische; darin sind 360 Arten von Steinen, eingeteilt in zwölf Klassen, nach ihren Eigenschaften charakterisiert. Diese Übersetzung bewahrt die königliche Bibliothek zu Rom auf. Mescholam ben Jona ist als Übersetzer des Arabers Khalaf Ebn Abbas Abu'lkasem, (auch al Zaharabi genannt) zu nennen; er übertrug dessen „gesamte Heilkunde“ welche die Medizin in einem theoretischen und einem praktischen Hauptabschnitt erörtert, als Sefer Chefez hascholaum in das Hebräische. Sowohl als Arzt, als auch als Dichter glänzte Ibrahim ben Sahl; um seiner erotischen Gedichte willen zog; er sich den Hass seiner Glaubensgenossen zu und soll sogar von Anverwandten aus diesem Grunde vergiftet worden sein. Endlich ist aus den letzten Regierungsjahren Alphonse des Weisen und den ersten seines Nachfolgers Nathaniel ben Josef Almali zu nennen, der in Saragossa lebte.

Überhaupt regierten die Nachfolger des weisen Alphonse, Sancho IV., Ferdinand IV. und Alphonse XL, in seinem Geiste weiter. Unter ihrem Schutze lebte und wirkte Jakob ben Soschan und Abraham ben Schem-Tow, der ein Werk über spezielle Pathologie und Therapie geschrieben hat. In Toledo war der aus Sevilla gebürtige Josef Ebn Sason bis zu seinem Tode (1336) als Arzt hochgeachtet. Sein Zeitgenosse war Abner von Burgos, auch Alphonse von Valladolid genannt, weil er hier bis zu seinem Tode im Jahre 1346 als Arzt praktizierte, während er aus Burgos gebürtig war. Er war ein sehr gelehrter Freigeist, welcher mehr zum Christentum als zu seiner durch Geburt erworbenen Religion neigte. Der schwärmerische Kabalist Todros Abulafia war Leibarzt und Schatzmeister Königs Sancho IV. bis 1295, und dieselbe Ehrenstelle wurde von Alphonse XI. (1312—1350) mit dem jüdischen Arzte Samuel Abenhuer besetzt, der aber seines Fürsten Gunst so verlor, dass er im Kerker endete. Samuels Zeitgenossen waren Meier Ebn Soschan und sein Sohn Isaak, der freilich schon als 25 jähriger Jüngling starb (zu Toledo 1349), Abraham Ebn Makhir u. a. m. Als dann Peter der Grausame zur Herrschaft kam, ernannte er Abraham ihn Zarzal 13) zum Leibarzt, und neben diesem lebte am castilischen Königshofe Josef Ebn Makhir, des eben genannten Abraham Sohn, der zu Toledo geboren war und hier 1362 starb. Pedros Nachfolger, Heinrich III. (1390 — 1406), hasste die Juden, und sie, die so lange in diesem

13) Carmoly nennt Pedros jüdischen Leibarzt Abdal-Hakhan; meine Angabe entnehme ich Münz, der sich auf Bédarride, les Juifs en France, en Italie et en Espagne beruft.

Lande glücklich gelebt hatten, erfuhren nun harte Bedrückungen. Die Grafen von Burgos hatten schon früher das Anwachsen des jüdischen Ansehens und Einflusses missgünstig bemerkt; aber auf ihren Wunsch, den Juden möge die Ausübung der Medizin verboten werden, war ihnen geantwortet worden, man könne ihnen nicht eine Wissenschaft verbieten, in welcher sie sich der Menschheit nützlich erwiesen hätten. Die Achtung vor den jüdischen Ärzten muss sich Heinrich III. trotz seiner judenfeindlichen Gesinnungen bewahrt haben; denn er ernannte einen Juden, Don Meier Alguadez, zu seinem Leibarzte. Dieser übersetzte die Ethik des Aristoteles aus einem arabischen Text in das Hebräische (1405). Als freilich sein königlicher Gönner gestorben war, beschuldigten ihn die Dominikanermönche (besonders Paul de Burgos, genannt Santa Maria,) der Hostienentweihung; die grausamsten Folterqualen, die damals im Namen der Gerechtigkeit üblich waren, erpressten dem unglücklichen Gelehrten ein falsches Geständnis, und Don Meier Alguadez wurde gevierteilt.

Wie in Castilien, gab es in Arragonien zu jener Zeit hochberühmte jüdische Ärzte. So lies sich in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts Graf Alphonse von Poitou, ein Bruder Ludwigs IX., zur Heilung seines Augenleidens einen Juden aus Arragonien kommen. Um das Jahr 1300 lebte in Saragossa Samuel Benvenaste, der die Abhandlung des Maimonides über Asthma und seine Behandlung in die hebräische Sprache übertragen hat; später scheint er in Tarragona wohnhaft gewesen zu sein. In dieser Stadt wirkte in hohen Ehren als Arzt auch Schem Tow Sprot, welcher das Licht der Welt zu Tudela in Navarra erblickt hatte. Er hatte eine öffentliche Disputation mit dem Kardinal Peter von Lima im Jahre 1375, deren Protokoll als Sefer Havikhuach sich erhalten hat. Etwa 1385 schrieb er einen Kommentar zum Kanon Avicennas.

In Catalonien zeichnete sich in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts Abraham ben David Caslari aus, der aus einem kleinen Städtchen dieses Landes, Besalu, stammte. Er schrieb unter anderen Medizinischen Abhandlungen eine Arbeit über pestartige Fieber, deren Entstehung in das ganz Spanien verheerende Pestjahr 1349 fallen dürfte. Sein Zeitgenosse war Don Elieser Cohen Ebn Ardot. In Barcelona, wo auch in dieser Zeit noch die Rabbiner sich dem ärztlichen Berufe ergaben war in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts der Oberrabbiner Nissini ben Ruben Girundi ein gesuchter Praktiker; noch größeren Ruhms erfreute er sich allerdings als Theologe durch seine Arbeiten über den Talmud u. a.

Endlich treten in dieser Blütezeit jüdischer Ärzte auf der pyrennäischen Halbinsel auch Portugiesen auf. Portugal war anfangs eine kastilische Grafschaft, bis sich der burgundische Graf Heinrich, der sie von Alphonse XI. als erbliches Lehen empfangen hatte, nach dem Tode seines Königs 1109 als selbstständig erklärte. Unter Dinis dem Gerechten (1279—1325) und Alphonse dem Kühnen, der nach ihm bis 1357 herrschte, erhob sich Portugal zu bedeutender Macht. Von dieser Zeit an finden sich auch in Portugal Juden und unter diesen Ärzte. Noch unter Dinis war in Portugal Don Ghedalja Ebn Jahya geboren worden und ward dessen Leibarzt; später gewann er das Vertrauen und das „Wohlwollen König Ferdinands des Vierten von Castilien und lebte als dessen Leibarzt, bis er zu Toledo, wo sein Sohn David Rabbiner war, starb. Ein anderer jüdischer Arzt von Ansehen war Salomon ben Moseh Scholom, welcher eine Abhandlung über Fieber aus der Feder Antons von Padua in das Hebräische übersetzte. Eines ganz besonderen Einflusses konnte sich Don Moseh als Leibarzt Ferdinands I. und des Nachfolgers dieses Königs, Johanns I. (1365 — 1433), rühmen. Als Papst Bonifaz IX. 1389 eine Bulle gegen die Bedrückung der Juden erlassen hatte, in der er den Christen verbot, die Juden in der Ausübung ihrer Religion zu stören, ihre Gräber zu beschädigen und ihnen besondere Steuern aufzuerlegen, bestimmte der jüdische Leibarzt König Johann, auch in seinem Lande eine Verordnung zum Schutze der Juden zu erlassen (1392). Don Moses ähnlich an Eifer, seine Glaubensgenossen vor Verfolgungen zu schützen, zu welchen Fernando Martinez, von Ort zu Ort ziehend und Judenhass mit flammenden Worten predigend, um das Jahr 1400 aufreizte, war der jüdische Arzt Profiat Duran, Efodi genannt. Freilich war er weniger glücklich, als jener, und die scharfe Befehdung Fernandos hatte für ihn selbst zur Folge, dass man ihn zur Annahme des Christentums zwang. Da wanderte er nach Palästina aus und warf den aufgedrungenen Glauben fort, um unbehindert seinem alten Gotte zu dienen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der jüdischen Ärzte