Abschnitt 2

Zwischen dem ersten und zweiten Stock läuft ein Relief aus Sandstein, dem Anschein nach zwei Fuß hoch, gedrängt voll Figuren, muthmaßlich die Darstellung einer und derselben Begebenheit in ihrem Fortgange, vielleicht aus der biblischen Geschichte 6).

Zwischen dem zweiten und dritten Stock läuft eine Reihe von Verzierungen aus gebranntem Thon, bestehend aus viereckigen Werkstücken, welche in einem Kranze, wie in einem Medaillon, Brustbilder im Relief zeigen, wie sie auch am Schlosse zu Schwerin vorkommen.


Die in geschwungenen Linien gewölbte Auffahrt ist an beiden Seiten mit Karyatiden aus Sandstein, Satyrn darstellend, geschmückt, jedoch in einem reineren Styl, als die am Portale zu Schwerin. Im Gesimse über der Pforte steht die oben erwähnte Inschrift, über der Inschrift das meklenburgische Wappen (mit zwei Greifen als Schildhaltern).

Die vier Pforten zum Gebäude sind alle auf dem Hofe. Sie sind gewölbt und mit Ornamenten aus gebranntem Thon verziert. Im Gesimse stehen immer vier von den Medaillons mit den menschlichen Köpfen, zwei männliche und zwei weibliche, je paarweise bei einander. In jedem Dreieck unter dem Gesimse neben den Pilastercapitälen steht ein kleineres Medaillon mit Männerköpfen,wie es am Schlosse zu Schwerin nicht vorkommt 7). Ueber dem Gesimse steht eine Krönung in Form eines Halbkreises (ein abgerundeter Giebel) aus gebranntem Thon. Das Giebelfeld ist von einer halben Rosette im Relief gefüllt umher steht im Halbkreise die Inschrift:

IS. GOT. MIT. VNS. WOL. KAN. WIDDER. VNS.

Dieselben Werkstücke finden sich auch am Schlosse zu Schwerin 8).

Die Fenster sind mit Ornamenten ausgebranntem Thon bekleidet. Verzierungen mit Laubwerk fassen die Fenster ein; an den Seiten stehen flache Karyatiden, welche dreieckige Giebel tragen. Alles zeigt hier weise Berechnung: die Karyatiden am Mitteltheile des Gebändes haben Kapitäler, die am Obertheile nicht.


Die Ornamente aus gebranntem Thon 9) (die "gedruckten Steine ") fertigte schon seit der zweiten Hälfte des Jahres 1552 der Steinbrenner Statius von Düren 10) auf der Ziegelei zu Schwerin; noch im J. 1557 stand er in herzoglichen Diensten 11). Neben ihm lebte im J. 1557 zu Schwerin noch ein "alter Ziegelbrenner". Zu derselben Zeit arbeiteten auch holländische Ziegelbrenner zu Dömitz, und auch in Wismar arbeiteten Ziegelbrenner auf fürstliche Rechnung.

Die Deckenverzierungen für die Säle in den Schlössern zu Wismar und Schwerin malte im Jahre 1554 der Meister Jacob Strauß zu Berlin: auf Leinwand mit vergoldeten Rosen; die Decken wurden in Berlin gemalt und nachher angeschlagen.

Die Oberaufsicht und die Geldberechnung über den wismarschen Schloßbau von 1554 führte der Rentmeister Andreas Bessel 12).





6) Diese Reliefs verdienen wohl ein aufmerksames Studium.
7) An dem wismarschen Schlosse scheinen nach dieser Stellung die Köpfe gewisse Bedeutungen zu haben; vielleicht sind es Portraits der Aeltern und Schwiegerältern des Herzogs Johann Albrecht und standen in Beziehung zu seiner Vermählung. Dies läßt sich jedoch erst nach Gründung einer Gallerie von Bildern der Landesherren erforschen.
8) Eine ähnliche Thür ward im J. 1830 unter dem Abputz und der neuern Verkleidung des Schlosses zu Berlin, als Ueberrest von dem alten Bau von 1538, entdeckt und ist in v. Ledebur's Allgem. Archiv, VIII. S. 65 als etwas Ausgezeichnetes beschrieben.
9) Wie das Mittelalter hindurch das Schnitzen und Graviren (vertiefte Arbeit) in Holz und Messing die höchste Ausbildung der bildenden Kunst in Norddeutschland in sich faßt, so offenbart sich hier im Reformationszeitalter um die Mitte des 16. Jahrh. die höchste Kunstausbildung im Modelliren in Thon (erhöheter Arbeit). Die großherzoglichen Schlösser und das Alterthums-Cabinet zu Schwerin bewahren eine Reihe von Ziegeln und Ofenkacheln, welche eine Gallerie wahrer Meisterwerke von Reliefs enthalten. Zu keiner andern Zeit hat sich diese Kunst in Meklenburg in einer so großen Vollendung entfaltet, daß ihre Erzeugnisse für jede Zeit zum Muster dienen können. Zwar haben wir aus dem 15. Jahrh. viele Reste von Thonreliefs und Thongeschirren, welche sehr hübsch und im höchsten Grade gediegen in der Masse gearbeitet sind, aber sie sind einfach, flach und entbehren jener künstlerischen Ausbildung, welche die Reliefs aus der Mitte des 16. Jahrh. haben. Mit dieser Ausbildung des Reliefs entsteht auch die vielfarbige Glasur auf den Thongeschirren. Leider dauert dieser Kunststyl nur wenige Jahrzehende: mit dem Ende des 16. Jahrh. erlischt der letzte Schimmer der mittelalterlichen Kunsttüchtigkeit.
10) Nach einer Quittung des Maurermeisters Caspar Behm wohnte der "Ziegelmeister Statius von Düren" nach Vollendung der Schloßbauten, welche die Ornamente aus gebranntem Thon tragen, zu Lübeck. C. Behm kaufte von ihm für den Herzog Ulrich von Güstrow einige thönerne Werkstücke und bezahlte für ein "grotes Stück biltwerk" 5 ßl., für ein kleines Stück 2 ßl. In Lübeck steht in der Holstenstraße Nr. 276. noch ein Haus, welches mit antiken Köpfen in einem Kranze auf Werkstücken ausgebranntem Thon verziert ist. Wenn diese Verzierungen auch flacher und schlechter gearbeitet sind, als die wismarschen, so haben sie doch mit diesen viel Aehnlichkeit. Vielleicht können die lübecker Stadtbücher die Geschichte dieses Hauses aufklären.
11) Der Herzog Ulrich hielt sich zu seinem Schloßbau zu Güstrow sicher von 1559 - 1564 den "Formschneider" und "Bildschnitzer" Hans Ferber.
12) Der Rentmeister Andreas Bessel war bis zum J. 1548 Kammermeister des Herzogs Heinrich von Braunschweig, der aber ihn und mehrere Andere hart behandelte und ihnen ihre Güter nahm. Bessel ging deshalb aus Braunschweig und verklagte den Herzog beim Reichskammergericht. Im J. 1550 trat der Canzler Johann von Lucka mit ihm wegen Eintritts in meklenburgische Dienste in Unterhandlungen, welche auch bald realisirt wurden. Am 1. Mai 1554 stellte ihn der Herzog Johann Albrecht I. auf Lebenszeit an, weil er ihm "viel getreue, angenehme und nutzbare Dienste geleistet", und schenkte ihm 1000 Thaler und ein Haus. Ueber seinen Tod schreibt der Herzog eigenhändig in seinem Tagebuche:
"1560. Merz 1. ist Andreas Bessel mein getrewer Diener zu Schwerin gestorben