Abschnitt 1

Mit der Regierung des hochgebildeten Herzogs Johann Albrecht I. begann für Meklenburg eine neue, glänzende Zeit für Wissenschaft und Kunst. Die fürstlichen Schlösser waren alle klein, unwohnlich und verfallen; der junge Fürst richtete daher zuerst sein Augenmerk auf die Erbauung anständiger Fürstenhöfe und öffentlicher Gebäude. Er reis'te im J. 1550 nach Wismar, um die fürstlichen Gebäude zu besichtigen, und fand, daß sie alle einer wesentlichen Verbesserung bedurften. Er schlug daher dem Herzoge Heinrich, seinem Oheim, in einem Schreiben d. d. Wismar 30. Junius 1550 vor, das von demselben 151 2/3 erbauete Haus um ein Stockwerk zu erhöhen, weil darin kein "fürstlich Gelaß sei, um stattliche Gemächer einzurichten". Da man aber dann eine Zeit lang während des Baues gar nichts haben würde, so sei es seine Ansicht, daß man auf dem Platze daneben einige fürstliche Gemächer zurichte, damit es nicht so gar schimpflich stehe und ihnen zum Spott gereiche. Auf die dringenden Bitten des Herzogs Johann Albrecht um Beschleunigung des Baues erwiderte ihm am 15. Julius 1550 der Herzog Heinrich: er habe sich bei seinem Beilager (1513) mit seiner Gemahlin, der Pfalzgräfin, mit den vorhandenen Gebäuden beholfen und könne, namentlich bei bevorstehender Aernte, sich auf nichts weiter einlassen, als den Bau der Schnecke (des Treppenhauses) 1) an dem von ihm aufgeführten Gebäude vorzunehmen; jedoch wolle er an den Präceptor des Antonius-Klosters zu Tempzin schreiben, daß er Steine brennen lasse, und den Propst zu Neukloster auffordern, seine verfallene Ziegelei fordersamst wieder aufzurichten.

Kaum hatte der Herzog Johann Albrecht (1552) den Thron bestiegen und in den wichtigen Religionsangelegenheiten durch kriegerisch und reformirende Handlungen seine Stellung einigermaßen befestigt, als er auch ernstlich an die Einrichtung seines Hauses dachte. Zu seiner Vermählung mit der preußischen Prinzessin Anna Sophie (24. Februar 1555), welche wiederum zu Wismar gefeiert ward, ließ er den neuen Hof daselbst aufführen.


Der Bau ward im Sommer 1553 angefangen und im J. 1554 vollendet 2). Das Haus ward gegen Osten hin im rechten Winkel an den alten Hof Heinrichs angesetzt, wie es jetzt noch dasteht. Der Platz war nicht ganz frei, sondern war mit einigen Buden besetzt, welche die Stadt Wismar dem Fürsten zum Abbruch verehrt hatte 3).

Das "lange, neue Haus", wie es in den Inventarien immer heißt, war drei Stockwerk hoch. Du die Mitte des Gebäudes ging eine schön gewölbte Auffahrt auf den Hof; links vom Eingange war die Hofstube, rechts der Pförtner und anderer Diener Wohnungen; im zweiten Stock war der "lange Tanzsaal", im dritten Stock (von welchem man eine reizende Aussicht hat) der große Eßsaal, daneben der Herzogin Gemach und die Rathsstube. Auf dem Hofe an der östlichen Ecke stand angebauet ein viereckiger Windelstein (Treppenhaus), welcher zu den obern Gemächern führt; die Gemächer im Erdgeschosse haben Eingänge vom Hofe. Vor dem J. 1574 war das Gebäude mit einem "Schraubdache in Kalk" gedeckt und unterm Dache standen Giebel mit kleinen Gemächern; beide wurden 1574 abgebrochen, weil von der Last dieser Gemächer das ganze Gebäude gesunken war.

Mit Ausnahme der alten Giebel 4) steht noch heute das Gebäude in seinen Ringmauern, mit den Gewölben und mit den Verzierungen der Außenseite, so wie mit dem Windelstein, wie es erbauet ist.

Dieser neue Fürstenhof zu Wismar vom Jh. 1554 verdient von allen weltlichen Gebäuden Meklenburgs und vielleicht Norddeutschlands aus alter Zeit die größte Aufmerksamkeit, weil er in einem großartigen Style erbauet ist und alle architektonischen Ornamente nicht allein architektonische Zwecke zeigen, sondern auch noch in ihrer ursprünglichen Bestimmung erhalten sind 5).

Vor allen Dingen sind es die großartigen Verhältnisse und Dimensionen, welche die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Bei einer nicht unbedeutenden Länge und Höhe hat das Gebäude in jedem Stockwerk nur sieben Fenster Fronte. Pforten, Fenster und die Balkenlagen zwischen den Stockwerken sind mit Reliefs bekleidet, welche den Charakter der Berechnung für dieses Gebäude tragen. Diese Reliefs zieren beide Hauptseiten des Gebäudes, straßenwärts und hofwärts, den Windelstein mit eingerechnet.




1) Nach dieser Correspondenz scheint es, daß der "Windelstein" am alten Hofe Heinrichs und der dritte Stock mit den Erkern , welche in jüngern Inventarien aufgeführt werden, jetzt aber nicht mehr vorhanden sind, in spätern Zeiten erbauet wurden: 1550 und 1554.
2) Hiefür reden mehrere Zeugnisse. Zuerst spricht bestimmt ein Contract mit einem Maler vom 13. Jan. 1554: einige Decken zu malen
"in die gemach - - in dem newen gebew, so wir die Zeit über in unserm hoffe zur Wismar werden anrichten lassen."
Ferner sagt der vertraute Freund und Zeitgenosse des Herzogs, der Rath Andreas Mylius, in seinen Annalen (vgl. Gerdes Sammlungen S. 263):
"Es hat auch Hertzog Johann Albrecht in diesem Jahre (1555), gegen das Beilager zu Wismar, das Haus daselbsten erbauen lassen, wie dann auch die Häuser zu Schwerin fast den mehrern Theil um diese Zeit verfertiget worden."
In einer Verzierung von gebranntem Thon am äußersten Fenster der Fronte links im Erdgeschoß steht im Relief die Jahreszahl 1554. - Die Inschrift über dem Portal ist leider zur Hälfte verwittert; es ist nur noch zu lesen:
JOAN. ALBER. PRlNC - - -
SVMPTIBVSQVE. FRV - - -
Nach einem Briefe des Rentmeisters Andreas Bessel sollten am 14. Nov. 1554 die Kirchen vor den Thoren (zum heil. Kreuze vor dem altwismarschen und zu St. Jacob vor dem lübischen Thore) vollends abgebrochen und die Steine von denselben zu dem neuen Hofe verwandt werden, welcher am Ende des Monats November drei Stockwerk hoch unter Dach stehen sollte. Als die Stadt diese Abbrechung damals verweigerte, ward nach einem andern Briefe vom 15. Novbr. die wüste Kirche zu Nakenstorff bei Neukloster abgebrochen, von der viele Steine ebenfalls zum Schloßbau in Wismar verwandt wurden. Vgl. Dr. Burmeisters Nachricht von den wismarschen Kirchen in Jahrb. III, S. 59.
Vgl. Briefsammlung in Jahrbüchern des Vereins V, Nr. 15.
3) Am 4. Sept. 1554 bestätigte der Herzog Johann Albrecht die Privilegien der Stadt Wismar:
"nachdem die ehrsame bürgermeister, rathmanne und gemeine unsser stadt Wissmar zu verfertigung unsers neuen Gebäudes und hofes zur Wismar, auf unsser Erfordern, etliche buden übergeben und verehret"
Vgl. Senkenberg Sel. juris II, p. 510.
4) Bei einer etwanigen Restaurirung des Gebäudes verdienen diese Giebel alle Beachtung, wenn das Gebäude in dem ursprünglichen Geiste des Erbauers hergestellt werden soll.
5) Aehnliche Bauten aus derselben Zeit finden sich z. B. in den Schlössern zu Schwerin und Gadebusch; hier sind aber die Ornamente wie durch Zufall mehr regellos und ohne Geschmack untergebracht. Der Fürstenhof zu Wismar bleibt Urbild der Schloßbauten in Meklenburg aus der Zeit von 1550 bis 1570. Er hat sich auch bereits den Beifall großer Baukünstler, z. B. Schinkel´s, im hohen Grade erworben, wie es im J. 1834 die ganze Aufmerksamkeit des Königs Otto von Griechenland auf sich zog. In den Grundzügen hat dieser Baustyl Aehnlichkeit mit dem Styl der neuen Bauschule zu Berlin: einfache geometrische Construction, große Massen, große Verhältnisse und Abgrenzungen durch Thonverzierungen.