Abschnitt 1

II. Das Schloß zu Schwerin.

C. Die Bildergallerie.


Zwischen der Kirche und dem Zeughause, auf dem Raume, wo jetzt die Küsterwohnung und darüber die Bildergallerie (C. 1.), die gewölbte Auffahrt(C. 4.) und der leere Platz mit den Ruinen (C. 2.) am Zeughause hinter den Gebäuden der Schloßwache (C. 5.) sich befinden, stand noch in den Jahren 1576, 1592 und 1610 eine Reihe von Gebäuden, welche zu den ältesten des Schlosses gehörte und, nach Erbauung der Kirche, früher den Schloßhof schlossen. Diese Gebäude, welche wohl zu den alten Häusern des castrum Zuerin gehört und vielleicht die letzten Reste des alten Schlosses gebildet haben, da sie vorzugsweise die Burg genannt wurden, waren:

1) des Herzogs Heinrich (1503-1552) "altes Haus", zunächst an der jetzigen Kirche, viereckig, drei Stock hoch, im Erdgeschosse gewölbt, noch im J. 1520 die Wohnung des Herzogs. Es enthielt in jedem Stock ein Gemach und einige Kammern; im ersten Stock waren die "Brief-Canzlei-Gewölbe" (Archiv), im zweiten des Herzogs, im dritten der Herzogin Gemächer. Vor dem Hause im Hofe stand ein Windelstein in Holz gemauert. Im J. 1576 war dieses Haus schon sehr wüst.

2) der neue Thurm über "dem Thor"(C. 2.), zunächst am Zeughause, stadtwärts, viereckig, vier Stock hoch über dem Thor. Das Thor war gewölbt; über dem Gewölbe waren vier Stockwerk, in Holz gemauert, aufgeführt; im Dache hing die Schlageuhr. Dieser Thurm war von dem Herzoge Johann Albrecht I. an der Stelle eines alten neu aufgebauet, jedoch im J. 1576 noch nicht vollendet; erst die Vormundschaft seiner Söhne (1576 - 1586) führte den Bau im Dache ganz aus. Die Auffahrt zum Schlosse, von der noch die Grundmauern stehen, hatte, nach der Lage dieses Thurms, ihre Richtung durch die jetzige Reitbahn grade in der Verlängerung der Schloßstraße. Nach dem Burgsee hin stand ein steinernes äußeres Pforthaus zum Eingange und die Auffahrt ging also durch zwei Gewölbe. Zwischen beiden stand ein großes Thor von gehauenen Steinen, in welchem Flügelthore, stark mit Eisen beschlagen, hingen; dieses Thor bauete im J. 1558 der Steinmetz Chriestoph Parr (man vgl. oben über die Baumeister). Im Aufgange war ein Thor mit Gitterflügeln mit starken Nägeln beschlagen und mit einer Sperrkette versehen; darüber stand das meklenburgische und das preußische Wappen 1). Alles dies scheint hiernach vom Herzoge Johann Albrecht I. gebauet zu sein, der seit dem J. 1558 durch den italiänischen Baumeister Francesco a Bornau das Schloß stark befestigen ließ. Am Wasser standen Blockhäuser; die Brücke hatte zwei Zugbrücken. Vor der Burg stand ein langer Stall.

Nach außen hin war neben dem neuen Thurme eine Anlehnung an das Zeughaus für die Pförtnerwohnung und zum Wachthause, vier Geschosse hoch, aufgeführt.

"Im Platze" stand am neuen Thurme das Pforthaus, auch die kleine Hofstube genannt, zwei Gemächer hoch, in jedem eine Stube und eine Kammer für das Gesinde, im J. 1576 sehr baufällig. In diesem Pforthause lag in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine beständige Wache von sechs "Lantzknechten".

3) Zwischen dem neuen Thurme und des Herzogs Heinrich altem Hause stand (C.3.), ungefähr an der Stelle der jetzigen Schloßwache (C. 5.), als Schlußstein, "das Häuslein mit dem spitzigen Dach" (oder: "Giebel"), vier Stock hoch, jedes mit einem Gemache. Dieses Gebäude enthielt 1520 die Canzlei; im J. 1576 war im ersten gewölbten Stock die Silberkammer, im zweiten des Rentmeisters Gemach, wo die Landregister und Briefe aufbewahrt wurden; damals war es sehr baufällig, ward aber gebessert.

Die meisten dieser alten Gebäude, an der Stelle von C. 1, 3, 4 und 5, sind in dem Zeitraume zwischen 1617 und 1622 2) eingegangen. - Der Herzog Adolph Friederich (1608 - 1658) entwarf bald nach dem Antritt seiner Regierung den Plan zu einer Restauration 3) und gleichmäßigen Einrichtung des ganzen Schlosses: im Innern sollte alles möglichst verbunden und in gleiche Höhe gelegt werden, das Aeußere sollte in allen Außenwänden eine gleiche Gestalt erhalten, wobei der innere Hof rund umher mit zwei "Gängen" 4) (d.h. nach der Zeichnung: mit zwei gewölbten und durch Säulen gestützten Colonnaden über einander) aus Werkstücken, bei welchen eine bequeme Verbindung die Absicht war, geschmückt werden sollte. Dabei wollte er an der Stelle der alten Gebäude (C.) ein neues aufbauen lassen.

Der Herzog beredete zu diesem neuen Bau und den übrigen Verschönerungen des Schlosses 5) schon im J. 1612 den Grundplan mit seinem holländischen Baumeister Capitain Evert Piloot 6) und ließ alsbald Zurüstungen zur Ausführung machen. Jedoch ward der Bau erst im J. 1617 mit dem Abbruch der alten Häuser begonnen; in einem von dem Hofmeister Samuel v. Behr geführten Protocoll der Verhandlungen des fürstlichen Geheimen-Raths vom 1. März 1617, zu welchen der Fürst auch den Piloot, weil die Bauten auf der Insel Pöl 7) zu Frage standen, zuzog, ward beschlossen:"wegen abbrechung Hauses zu Swerin soll von der Kirche abbrochen werden bis an den Thurm". Die vollständigen, noch vorhandenen, saubern Grundrisse und Ansichten wurden im J. 1619 von Piloot entworfen. Der Thurm (C.2.), dessen Ruinen, in ihrem Umfange noch erkennbar, noch jetzt auf dem Walle zwischen der Schloßwache (C. 5.) und dem Zeughause (B.) liegen, blieb also stehen und muß erst späterhin abgebrochen sein; auch in Piloots Grundriß des Schlosses vom J.1612 sind die Mauern dieses Thurmes aufgenommen, woraus hervorzugehen scheint, daß dessen Abtragung nicht im Plane des neuen Baues lag.




1) Noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts standen vor den beiden Schloßbrücken große Portale und noch im J. 1705 ward ein großes, aus Messing getriebenes und vergoldetes fürstliches Wappen über das Portal gesetzt.
2) Im J. 1626 lagen auf dem Schlosse 2500 Pfd. Tafelblei und 1820 Pfd. Kupferblech vorräthig, welche von "den alten Gebäuden" genommn waren.
3) Die Restauration war damals sehr nöthig. In einer Geheimenraths-Sitzung am 26. Sept. 1618 ward erkannt:
"Swerin ist weder zum Sommer- noch Winter-Lager itzo commode wegen dort nit unterzukommen, wirt noch lange zeitt vnd vile geldt dazu gehoren, ehr es commode zu machen".
4) Mit zwei " Gängen", d. h. einem zur ebenen Erde vor dem Erdgeschosse, gewölbt und hofwärts von Pfeilern getragen, dem andern vor dem Stockwerke zunächst über dem Erdgeschosse, von dem ersten getragen, ebenfalls mit einer, von Säulen gestützten, gewölbten Decke.
5) Im J. 1612 ward auch ein großartiges Project zur Bebauung des Alten Gartens, der Reitbahn und der Stelle, wo jetzt das Schauspielhaus, das Palais und das Collegiengebäude steht, gemacht. Hier sollte ein einziges großes Gebäude stehen, welches Ställe, Reitbahnen, Futtermagazine, Dienerwohnungen, u. dgl. m. enthalten sollte; die Straße sollte durch diese Gebäude gehen. Die Schloßseite sollte eine durchsichtige, freie Säulen-Colonnade zieren. Ein ähnlicher Plan wird seit 1838 in der Aufführung des großherzoglichen Marstalls auf der Wadewiese ausgeführt.
6) Der Baumeister "Ghert Evert Piloot, Bürger der Stadt Emden", trat Martini 1612 in herzogliche Dienste. Er war jedoch schon vorher in Meklenburg, da der Graf von Friesland ihn auf einige Zeit zurückerbat. Am 31. Jan. 1613 ward Piloot an die Rückreise nach Meklenburg gemahnt, weil es Zeit zum Bau werde. Er sollte auch gute niederländische Gesellen und allerlei Arbeiter mitbringen, denen die Reise bis Hamburg zur See anempfohlen ward. Noch im October 1622 bat der Graf Enno von Friesland den Herzog Adolph Friederich, ihm doch den Baumeister Gerd auf einige Zeit zu schicken, da er an seinem Hause zu Aurich ein Stück neu Gebäude anfangen wolle und der Baumeister auch Erläuterungen über einige Vermessungen geben könne, die er früher in Ost-Friesland ausgeführt habe.
7) Im Anfange des J. 1617 wohnte Piloot schon mit seiner Frau auf der Insel Pöl.