Abschnitt 1

III. Das Schloß zu Gadebusch.

Gadebusch ist seit den frühesten Zeiten der meklenburgischen Geschichte wohl ununterbrochen abwechselnd Residenz und Nebenresidenz der Fürsten und Herzoge von Meklenburg, ja vielleicht die älteste städtische Residenz derselben gewesen bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts. Alle alten Bauten bis zu dieser Zeit sind jedoch spurlos verschwunden. Dagegen steht in einer angenehmen sanften Landschaft auf einer durch Natur und Kunst erhöheten und umwalleten Terrasse zwischen der Stadt und dem Flüßchen Radegast ein mächtiges Gebäude, welches der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts seinen Ursprung verdankt und mit den Schlössern Wismar und Schwerin demselben besondern Baustyl angehört, also schon deshalb noch heute eine gewisse architektonische Bedeutsamkeit hat.


Nachdem der Herzog Christoph von Meklenburg im J. 1569 nach vielen Leiden und Opfern von dem erzbischöflichen Stuhle Lieflands gestiegen war 1), kehrte er wieder nach seinem Vaterlande zurück und erhielt hier (27. Jan. 1570), nachdem er von seinem Bisthum Ratzeburg Besitz genommen hatte, zu seinem bessern Auskommen die Aemter Gadebusch und Tempzin. Mit gebildetem Geiste und mildem Sinne 2) wandte er sich auf seinen Gütern wissenschaftlichen und künstlerischen Beschäftigungen zu 3). Eine dieser Beschäftigungen war die Erbauung des Schlosses zu Gadebusch, das noch jetzt in seinem Aeußern vollkommen erhalten ist und als Amtshaus benutzt wird.

Der Bau ward schon im J. 1570 begonnen und im J. 1571 vollendet. Es fehlt auch über diesen Bau fast ganz an Acten. Das einzige Actenstück ist ein Contract des Herzogs Christoph mit dem Maurermeister Christoph Haubitz vom 2. April 1571:

"Als nemlich ehr Unß inwendich sechs Monats frist Vnser zu Gadebusch angelegt steinern Haus dreier gemecher hoch, sowoll die Kuchen vnd backhauß von steinen fertigen solle vnd wolle".

In den Inventarien von 1597 bis 1610 wird das Haus beständig das
"Neu gemauerte Haus drei gemecher hoch"
genannt.

Der Bau stammt also ohne Zweifel von Christoph Haubitz, welcher seit dem J. 1549 unter dem Herzoge Johann Albrecht I. als Maurermeister diente und nach dem Abgange der Baumeister Brüder Parr (1572) desselben Baumeister ward 4). Haubitzens Jugend fällt in die Zeit, wo der Fürstenhof zu Wismar mit den Verzierungen aus gebranntem Thon aufgeführt ward, und daher läßt es sich erklären, daß noch im J. 1571 dieser Styl sich im Schlosse zu Gadebusch wiederholte 5). - Nach dem Tode des Herzogs Johann Albrecht ward Christoph Haubitz Baumeister des Herzogs Christoph und kommt als solcher noch im J. 1584 vor.

In den Jahren 1590 und 1591 lebte "des Herzogs "Christoph Baumeister Bartholomäus Gories zu Gadebusch", der noch für Bezahlung von Schloßbaurechnungen zu sorgen hatte. - Den Wall ließ der Herzog vom Wallsetzer Hans von Kassel neu aufführen; zu diesem Walle hatten einige Bürger "hinter der Vestung" Scheuren und andere Gebäude abbrechen müssen. "Lusts halber" ließ der Herzog den Wall mit Wein bepflanzen, wie es der Herzog Ulrich auf dem Walle zu Güstrow gethan hatte. Außer einer neuen Küche und einem neuen Backhause ward für den Fürsten auch ein "Diestelier-Gemach" in einem eigenen Gebäude eingerichtet, um hier alchymistische Versuche anzustellen.

Bald nach Vollendung des Schlosses vermählte sich der Herzog (27. October 1573) mit der dänischen Prinzessin Dorothea, welcher er die Aemter Gadebusch und Tempzin zum Leibgedinge verschrieb. Nach dem Tode dieser Fürstin (am 11. Novbr. 1575) schloß der Fürst eine zweite Ehe mit des Königs Gustav I. von Schweden Tochter Elisabeth (14. Mai 1581), welche dieselben Aemter zum Leibgedinge 6) erhielt. Als der Herzog am 3. März 1592 starb und seine nachbleibende Gemahlin ( † 20. Novbr. 1597) mit ihrer Tochter nach Schweden ging, fielen die Aemter wieder an das meklenburgische Fürstenhaus zurück. Die nach dem Tode dieser Fürstin und bei der bald darauf erfolgenden Landestheilung wiederholt aufgenommenen Inventarien (aus dem Zeitraum von 1597 bis 1610) sind die vorzüglichsten Quellen für die Geschichte des Schlosses zu Gadebusch.

Das Schloß zu Gadebusch ist das dritte in der Reihe derjenigen Schlösser Meklenburgs aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, welche in einem eigenthümlichen Styl mit Ornamenten aus gebranntem Thon verziert sind. Das Schloß zu Wismar hat unter denselben eine vollkommene architektonische Einheit; das Schloß zu Schwerin ist in den verzierten Theilen mit den thönernen Ornamenten vom Bau zu Wismar nur mehr aufgeputzt; nach dem Muster des schweriner Schlosses, durch einen alten Baumeister, in dem noch der Geist dieses Styls wohnte, ist das gadebuscher Schloß aufgebauet, wenn auch mit etwas mehr Geschmack, da es, wie das wismarsche, ein Längsgebäude ist, während das schweriner Schloß aus Giebelhäusern besteht, zu dem in den Giebeln die viereckigen Thonstücke nicht recht passen wollen.

Das Schloß zu Gadebusch ist ein Oblongum von bedeutender Länge und in drei Stockwerken massiv aufgebauet. Zwischen dem ersten und zweiten, und zwischen dem zweiten und dritten Stock laufen Gesimse von denselben thönernen Medaillons mit den fürstlichen Brustbildern, wie sie am wismarschen Schlosse zwischen dem zweiten und dritten Stock stehen und auch am schweriner Schlosse häufig vorkommen; jedoch fehlen hier, wie zu Wismar, die Medaillons mit den antiken Brustbildern und Thiergestalten, wie sie zu Schwerin häufig vorkommen. Die Fenster sind durch senkrechte Leisten aus Thonverzierungen, jedoch ebenfalls, wie zu Schwerin, nicht in regelmäßigen Entfernungen, geschieden; diese bestehen aus den ursprünglich zu Fenster- und Thürornamenten bestimmten Verzierungen. Mit denselben Verzierungen und mit kleinen Medaillons ist der westliche Giebel stadtwärts geschmückt. Auf dem Hofe am Ende des Gebäudes nach der Auffahrt hin ist ein viereckiges, gewölbtes Treppenhaus (Windelstein) angebauet, der einzige Eingang zum Schlosse. Die Formen der Verzierungen am Hauptgebäude sind den Schlössern zu Wismar und Schwerin entnommen; das Portal zum Windelstein hat aber mehrere eigenthümliche Verzierungen aus gebranntem Thon. Es fehlen hier durchaus Wappen und Inschriften, kurz alle directen historischen Zeugnisse; dagegen sind über dem Portale drei Reliefs aus Thon angebracht, den Sündenfall, die Kreuzigung und die Erlösung darstellend. - An der Hinterseite sind nach beiden Enden hin im Styl des Gebäudes zwei Secrete angebauet; diese finden sich sonst an den alten Schlössern nicht.

Im Innern ist, mit Ausnahme einiger Thürverzierungen an den Hauptthüren, alles modernisirt und durchgebauet. Nach den Inventarien hatte:

"Auffem Hause vnd binnen Walles, Das neu gemeurte Haus, drei gemecher hoch,"

folgende Einrichtung:

Unter dem Hause war ein gewölbter Keller 7).
Am Ende des Hauptgebäudes stand ein massiver gewölbter Windelstein mit einer Windeltreppe.




1) Vgl. v. Lützow III, S. 62 - 64 und v. Rudloff III, 1, S. 209 u. 210.
2) Vgl. Masch Bisth. Ratzeburg S. 517.
3) Vgl. Masch a. a. O., v. Lützow, III, S. 64, v. Rudloff III, 2, S. 67.
4) Vgl. oben: Ueber die Baumeister, bei der Geschichte des Schlosses von Wismar, S. 30.
5) Im J. 1578 hatte der Herzog Christoph auch das bischöflich-ratzeburgische Schloß ("Stiftshaus") zu Schönberg abbrechen lassen und die Wiederaufbauung desselben begonnen. Ueber diesen Bau fehlt es aber ganz an Acten, so wie von dem Gebäude nichts mehr vorhanden ist. Wir wissen nur, daß der Herzog bei seinem Bruder Carl sich eine abschlägliche Antwort holte, als er denselben um Hülfleistung ansprach, indem er zur Ausführung des Baues allein zu schwach sei.
6) Vgl. v. Rudloff III, 2, S. 67 und v. Lützow III, S. 134. [Anm. Fußnote 2 wurde im Text nicht angegeben]
7) In diesem Keller werden noch Spuren von Schmelzöfen gezeigt, welche zu der ehemaligen Münze zu Gadebusch gehören sollen. Daß in Gadebusch viel gemünzt ist, beweisen die noch vorhandenen Münzen und die Münzmeister zu Gadebusch. Der Münzmeister Bernhard Jüngling, welcher sicher 1542 - 1563 zu Gadebusch lebte und hier auch während der Reformation erster Provisor der geistlichen Stiftungen war, kann in diesem Keller nicht gemünzt haben, da das Schloß noch nicht stand. Seit 1606 und 1612 münzten hier jedoch die Münzmeister Claus Isebein und Christoph Lüdemann (vgl. Evers I, S. 208). Kurz vor 1606 stand die Münzpresse noch in dem chemischen Laboratorium des Herzogs Christoph.