Abschnitt 1

Die Baukünstler in Meklenburg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Höchst interessant wäre die Beantwortung der Frage, welche Künstler und Werkleute das Schloß zu Wismar geschaffen und den Styl desselben verbreitet haben; leider fließen, trotz alles Forschens, die Quellen für den Zeitraum von 1552 bis 1560 nur sehr spärlich. Außerdem ist in Beziehung auf den Schloßbau zu Wismar und die gleichzeitigen Bauten zu Schwerin auch überall nur wenig von bedeutenden Namen zu finden, indem diese Bauten wahrscheinlich von sogenannten Maurermeistern ausgeführt wurden. Im J. 1552 war Gabriel 1) von Aken als Maurermeister in des Herzogs Johann Albrecht I. Diensten. Dieser holte in den J. 1552 und 1553 (Fundament-)Steine zum Bau aus Dänemark 2), legte den Grund zu dem wismarschen Schlosse und vollendete das Fundament im J. 1553 mit Hülfe eines andern Meisters Michael und dessen Sohnes. Außer Gabriel von Aken lebte in Wismar noch ein zweiter Maurermeister Valentin von Lira. Die Meister Gabriel und Valentin standen nicht freundlich zu einander, und als den Bausteinen Valentins beim Ankaufe der Vorzug gegeben ward, verließ Gabriel von Aken plötzlich den fürstlichen Dienst und zog um Andreä (30. Nov.) 1553 nach Lübeck, von wo er dem Herzoge am 4. April 1554 einen Absagebrief schrieb. Da die Vollendung des Schlosses wegen der bevorstehenden Vermählung des Herzogs (im J. 1555) eilte, so ward die Weiterführung des Baues sogleich dem Maurermeister Valentin von Lira übertragen.


Es hatte aber sicher seine Schwierigkeiten, einen verlassenen großen Bau fortzuführen; daher wandte sich der Herzog Johann Albrecht 1. sogleich nach dem Abgange Gabriels von Aken an den Kurfürsten August von Sachsen mit der Bitte, ihm im Anfange des kommenden Jahres 1554 seinen Oberzeug- und Baumeister Caspar Voigt zu senden, um ihm "zu seinen vorhandenen Gebäuden räthlich zu sein". Der Kurfürst versagte zwar dem Herzoge die Erfüllung dieser Bitte nicht ganz, bemerkte aber in seinem Antwortsschreiben, d. d. Lochau am 19. December 1553, daß sein Baumeister noch mit dem Festungsbau von Dresden beschäftigt sei und den Befehl erhalten habe, gleich nach dem leipziger Weihnachtsmarkte das Fundament zum neuen Schlosse zu Leipzig (der Pleißenburg) abzustecken und die Erde ausgraben zu lassen, damit im nächsten Frühling mit dem Mauerwerke dieses Gebäudes der Anfang gemacht werden könne; wenn der Grund ausgegraben sei, wolle der Kurfürst dem Baumeister gerne auf einige Wochen Urlaub geben. Als der Baumeister Caspar Voigt aber nicht kam, bat der Herzog im April 1554 den Kurfürsten noch ein Mal, denselben zu ihm zu beurlauben, damit er des Herzogs "angefangenen Bau besichtigen und seinen Rath mittheilen" möge; der Kurfürst bedauerte jedoch am 28. April 1554, daß er wegen der vielen unternommenen Bauten seinen Baumeister im nächsten Sommer und Herbste nicht entbehren könne, übrigens denselben auch sonst täglich gebrauchen müsse 3). - Am Weihnacht des J. 1554 schickte der Herzog Johann Albrecht seinen "Maurer" nach Weimar an den Herzog Johann Friederich den Aeltern von Sachsen, um dessen Schloß Grimmenstein, namentlich die Schließung der Gewölbe unter dem Walle zu besichtigen; der Herzog erlaubte dies, wiewohl nur ungern und unter strenger Aufsicht, und gab dem Maurer einen erbetenen Polirer oder Meistersknecht mit nach Meklenburg "zu den vorhabenden Bauten".

Der Maurermeister Valentin von Lira führte während der Zeit den Bau zu Wismar im Jahre 1554 zu Ende und war noch im J. 1556 in herzoglichen Diensten; wahrscheinlich fiel er sich am Ende des Jahres 1556 beim Schloßbau zu Schwerin zu Tode 4).

Ohne Zweifel ist also der Schloßbau von Wismar von dem niederdeutschen Maurermeister Gabriel von Aken angelegt und von dem Maurermeister Valentin von Lira zu Ende geführt.

Alle Forschungen ergeben nun unbestreitbar daß in der Zeit von 1552 bis 1556 alle Schloßbauten in Meklenburg von Männern ausgeführt wurden, welche den Titel Maurermeister trugen; es kommt in dieser Zeit durchaus kein Baukünstler unter dem Titel eines Baumeisters vor 5).

Mit dem Anfange des Jahres 1557, seitdem die Herzoge Johann Albrecht und Ulrich die neuen Schloßbauten zu Schwerin, Dömitz und Güstrow und die Befestigung der Häuser Schwerin und Dömitz begannen, erscheint eine ganze Reihe von Baumeistern und andern Künstlern in Meklenburg und das Bauwesen nimmt hier eine ganz veränderte Richtung.

Zunächst tritt im Dienste der Herzoge eine ganze Künstlerfamilie auf, welche längere Zeit in Meklenburg wirkte: die der Par oder Parr (auch Pharr oder Pahr), dreier Brüder 6): Franz Parr, Johann Baptista Parr und Christoph Parr, welche entweder gleich als Baumeister auftraten, oder sich mit der Zeit zu Baumeistern emporschwangen.




1) Im J. 1536 kommt ein Baumeister Gabriel (Bühring) zu Boizenburg im Dienste des Herzogs Heinrich vor; vgl. Jahrb. II, S. 207; ein Gabriel war noch 1538 im Dienste des Herzogs, jedoch wird dieser immer Gabriel Wulf genannt.
Gabriel von Aken war nach einem eigenhändigen Briefe ein ächter Niederdeutscher. So schreibt er über seinen Abgang aus herzoglichen Diensten:"schalt so togân, so byn ick hyr langhe noch gewest, vnde sedde dar vp Andrewes gude nacht".
2) Nach des Königs von Dänemark Schreiben: "aus einem Steinbruche in "Schonen bei Kolla drei Meilen unter Helsingborg", wo die Leute Steine brechen ließen und verkauften.
3) Auch dem durch den Herzog erbetenen Rüstmeister Hans Leithner verweigerte der Kurfürst am 29. Octbr. 1554 den Urlaub.
4) So viel ist actenmäßig, daß sich am Ende des J. 1556 der (freilich nicht genannte) Maurermeister des Schloßbaues zu Schwerin todt fiel. Am 2. März 1557 wurden zu Schwerin 40 Thaler gezahlt für
"Valtin von Lira maurmeister auf seinen nachstehenden Rest".
Nach dieser Zeit kommt Valentin von Lira nicht weiter vor. - Späterhin (im J. 1563) ward auch ein (niederdeutscher) Maurermeister Caspar Behm, auch Meister Caspar genannt, von Wismar nach Schwerin gerufen, um hier Bauten am Schlosse zu übernehmen.
5) Unter der Regierung des Herzogs Heinrich des Friedfertigen erscheinen öfter Baumeister, wie Gabriel Wolf und Gabriel Bühring (ungefähr ums J. 1530). Noch im J. 1550 hatte der Herzog Heinrich einen Baumeister Erhart Moler; ungefähr um dieselbe Zeit empfahl sich "Erhart Altorffer Baumeister des Herzogs Heinrich" dem Herzoge Johann Albrecht durch ein Modell; wahrscheinlich ist dieser Erhart Altorffer mit dem Erhart Moler dieselbe Person, da in der ersten Hälfte des 16, Jahrh. ein " Erhart Alttorffer maler" fürstliche Wappen im Schlosse zu Stavenhagen malte und in fürstlichen Diensten stand.
6) Nach den bisherigen unzweifelhaften Nachrichten waren Johann Baptista und Christoph Parr Brüder; nach den später entdeckten güstrowschen Schloßbaurechnungen von 1558 bis 1565 waren aber auch Franz und Christoph Parr Brüder. Es ist also außer Frage, daß alle drei Parr Brüder waren.