Geschichte der deutschen Volksstämme aus dem Gesichtspunkte der Nationalität

Die Stämme niederdeutscher Zunge und die Hessen
Autor: Wachsmuth, Wilhelm Dr. (1784-1866) Prof. Historiker, Publizist und Rektor der Universität Leipzig, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: deutsche Volksstämme, Kulturgeschichte, Sitten- und Sozialgeschichte, Friesen, Sachsen, Ostfalen, Westfalen, Nordthüringer, Altmärker, Franken, Hessen, Brandenburger, Mecklenburger, Preußen, Pomeraner, Niederländer, Belgier, Kurländer, Lievländer
...Dass nächst dem Geburtsort, der oft nur das Wochenbett abgibt, die Bildungs- und Leistungsstätten, zwei Größen von gewichtigster Bedeutung, meistens hoher in Anschlag kommen, als jene, und überdies elterliche, insbesondere mütterliche Einflüsse, Gunst oder Ungunst äußerer Lebensstellung in jugendlichem Alter, endlich individuelle Begabtheit die Bedeutung des Geburtsortes gar sehr abschwächen, ist allgemein bekannte Tatsache. Auf alle diese Punkte einzugehen, musste ich mir versagen; dazu bedarf es eines besondern Werks, wie unsere Literaturgeschichte noch keins hat. Dies also wird mir schwerlich als Unterlassungssünde angerechnet werden. Eher trifft dies die von mir gegebenen anspruchslosen Notizen über den Punkt, den ich allein berücksichtigt habe, das Maß der Produktivität einzelner Land- und Ortschaften und die Bedeutung daraus erwachsener Persönlichkeiten für Literatur und Kunst. ...

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Inhaltsverzeichnis
  1. Erstes Buch. Friesen und Sachsen
    1. Die Friesen
      1. Altertum und Zeit des Frankentums
      2. Die Zeit friesischer Freiheit
      3. Die neuere Zeit
    2. Die Sachsen
      1. Begriff einer sächsischen Gesamtheit
      2. Die freien heidnischen Sachsen
      3. Die Sachsen im Frankenreich und das Herzogtum Sachsen bis 1180
      4. Gebietsgestaltung in Sachsen seit 1180
      5. Das sächsisch-niederdeutsche Volkstum seit dem Zerfallen des Herzogtums
  2. Zweites Buch. Die Zweige des Sachsenstamms insbesondere
    1. Engern und Ostfalen des chaukischen Küstenlands
      1. Das Mittelalter
      2. Die Stadt Bremen im Mittelalter
      3. Die neuere Zeit
    2. Westfalen und südwestliche Engern
      1. Die ältere Zeit
        1. Das mittelalterliche Westfalen
      2. Die neuere Zeit
        1. Das neunzehnte Jahrhundert
    3. Ostfalen im altsächsischen Mittellande
      1. Land und Volk überhaupt
      2. Das ostfälische Mittelalter seit 1180
      3. Die neuere Zeit
        1. Staat und Kirche
        2. Das Volksleben
    4. Sachsen mit Nordthüringern und Sueven
      1. Magdeburg, Halberstadt, der Unterharz, Mansfeld
      2. Askanische Nordthüringer und der wendische Anwuchs
    5. Altmärker
    6. Nordalbinger mit Wagriern, Polabern und Dänen
      1. Lübeck, Hamburg
  3. Drittes Buch. Östliche Absenker vom Sachsenstamm; niederrheinische-Franken, Niederländer, Hessen.
    1. Östliche Absenker vom Sachsenstamm
      1. Mecklenburger
      2. Brandenburger
      3. Pomeraner
      4. Deutsche in Preußen, Pommerellen, Lievland und Kurland
    2. Niederrheinische Franken, Niederländer, Hessen
      1. Niederrheinische Franken
      2. Niederländer
        1. Die Niederländer insgesamt
        2. Die Belgier
        3. Die Holländer
      3. Die Hessen
Das an der Nordsee gelegene deutsche Küstenland ist, wenn irgend eine Naturgestaltung, geeignet, Zeugnis zu geben von dem Einfluss der Macht äußerer landschaftlicher Bedingungen auf menschliches Wohnen, Leben und Treiben, von der Beharrlichkeit und Widerstandskraft des Menschen im Kampfe gegen die Ungunst jener. Da sehen wir einen durchweg flachen und niedrigen Saum längs dem Meer, die Scheidung von Land und Wasser unvollständig, was hart am Meer liegt, der regelmäßigen Flut unterworfen (die Wat), in einiger Entfernung davon Hügel, die von der Flut nicht überschwemmt werden und notdürftige Bergestätten darbieten, binnenwärts Moorboden, mit Wasser getränkt und ohne Festigkeit und Fruchtbarkeit. So lernte Plinius diesen Teil Altgermaniens kennen. Seine Beschreibung ist naturgetreu, doch mangelte ihm, wie es scheint, die Kunde von den entsetzlichen Sturmfluten, welche die räuberische Nordsee im Verein mit den Wassermassen des Kanals einmal über das andere ausgesandt hat, große Stücke festgewordenen Landes mit ihren Bewohnern zu verschlingen. In solcher Natur Wohnsitze zu nehmen, konnte nur einem Menschengeschlecht zusagen, das, nach seinem physiologischen Grundwerk zu einer Art Amphibienleben bestimmt, mit solcher Naturbeschaffenheit von seiner Kindheit an sich vertraut gemacht hatte. Die Anfänge der Ansiedlung — an Autochthonen wird schwerlich Jemand denken — liegen jenseits historischer Überlieferung. Ist nun dabei weniger an Wahl und freien Entschluss als an instinktartigen Naturtrieb zu denken, so tritt doch in der Folge mehr und mehr die Macht freien Wollens hervor in der Beharrlichkeit, die ursprünglich unsicheren und kümmerlichen Niederlassungen gegen das Meer abzugrenzen und zu schützen, das Moorwasser abzudämmen, dem Boden Frucht abzugewinnen und andererseits auf dem Meer in kühner Fahrt sich zu Raub und Handelsverkehr zu versuchen. Die Willensstärke, welche in jener Trotzbietung gegen die Wassermächte liegt, in der mühsamen und langwierigen Arbeit, materielle Grundlage zur Existenz zu schaffen und zu wahren, ist nicht ohne den belebenden und kräftigenden Atem einer freiheitskühnen Brust zu denken. So wird denn auch der gegen die Naturstürme gerichteten Widerstandskraft eine mutvolle und trotzige Erhebung gegen ungebührliche Zumutungen menschlicher Gewalt schwesterlich zur Seite stehen.

Mit solchen Eigenschaften, in dem weitesten Abstand von einer Stumpfheit und Apathie der Pescheräs und ihnen ähnlicher Bastarde der Menschheit, traten die Friesen 1) ein in die Geschichte. Auf sie, die anfänglich wohl nur den Küstensaum von Nordholland bis zur Ems bewohnten, passt auch was Plinius von ihren östlichen Nachbarn und nächstverwandten Stammvettern, den Chauken, berichtet. Nach der Zeichnung der Armseligkeit des Lebens jener Küstenbewohner ruft er, bei noch frischem Andenken der Empörung der Friesen gegen Rom und Herstellung ihrer Freiheit, mit einer Art Verwunderung: „Und diese Völker, wenn heute vom römischen Volke besiegt, sagen, sie dienen.“ Plinius hatte aber nur die Unwirtlichkeit der deutschen Nordküste kennen gelernt, und wusste er auch mehr, so hat er doch nur von dem notdürftigen Anbau des Küstenvolkes auf den Hügeln (Worden, Würten, Wursten) 4) des Geestlands und von ihrer Benutzung des Torfs zum Brennmaterial berichtet. Ob damals Friesen und Chauken schon ihren Mehrkampf gegen das Meer durch Aufführung von Deichen begonnen, ist sehr zweifelhaft, wohl aber ist die erste Bildung der Marsch in das Uraltertum hinaufzurücken. Ihr Entstehungsprozess mag der ersten Gestaltung der Nordküste sich unmittelbar angeknüpft haben. Der Niederschlag aus der Zersetzung erdiger und vegetabilischer Stoffe, in der Mischung von salzigem und süßem Wasser, der Schlick, das daraus hervorgegangene üppig fruchtbare Klei 5) mochte in Plinius' Zeit schon weit vorgeschritten sein. Der sinnende Verstand gab die Fingerzeige, sich der Naturgaben zu bemächtigen und sie auszubeuten. Es war schon so weit gekommen, dass die Friesen in Augustus' Zeit Rindviehzucht hatten, wovon die Römer einen Tribut in Ochsenhäuten begehrten 6); dass sie aber Schafherden hatten, lässt sich aus dem hohen Altertum der Friesröcke schließen 7). Die Insel Burchana in der Emsmündung, das heutige Borkum, die Drusus nach einer Belagerung einnahm, hatte Bohnenpflanzungen, daher ihr römischer Beiname Fabaria. Das war auch dem Plinius bekannt. Wie dringend nun den Friesen als erste und nächste Lebensbedingung sich empfahl, landschaftlichen Boden zu gewinnen und gegen das Meer zu verbollwerken, so war das nur eine Hälfte ihres Dichtens und Trachtens; die andere erfüllte sich auf dem Meer selbst in Schifffahrt, Fischfang, auch wohl Seeraub, dem sich an der Küste Strandrecht zugesellte. [Aus: Die Friesen: Altertum und Zeit des Frankenreichs]

1) Alte Form des Namens ist Fresena, Fresa, Frisa. Dessen Bedeutung (kühn, frei) S. 6. Grimm, Gesch. d. d. Spr. 465.
4) Dasselbe Wort wie Wörth von den Donauinseln bei Regensburg und in Donauwörth. Davon der Name des Landes Wührden und der Wursaten.
5) v. Wersebe in Spangenbergs vaterl. Arch. 1830. Bd. 1. S. 14 f., 227 f., 478 f. v. Halem, Gesch. Oldenb. 1, 32 f. Arends, Ostfr. und Jever, 1, 22 f. Almers, Marschenbuch, 1 f.
6) Tac. Ann. 4, 72.
7) Von der Auffindung altfriesischer Bekleidung — Rock von gewalktem Tuch ohne Knöpfe und Naht, mit Arm- und Halslöchern, Beinkleider desselben Stoffes, Schuhe von haarichtem Leder — in der Tiefe eines Torfmoors, das die Verwesung abhielt, s. Arends a. a. O. 1, 15. Vgl, oben Th. 1, l4. N. 25.

Wachsmuth, Wilhelm Dr. (1784-1866) Prof. Historiker, Publizist und Rektor der Universität Leipzig

Wachsmuth, Wilhelm Dr. (1784-1866) Prof. Historiker, Publizist und Rektor der Universität Leipzig

Braunschweig Stadtansicht

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Bremen Marktplatz

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Greifswald Stadtansicht

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Goslar Stadtansicht

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Elbing Stadtansicht

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Berlin und Kölln

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Lübeck Das Holstentor

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Lüneburg Stadtansicht

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Magdeburg Stadtansicht

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Rostock Stadtansicht

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Stettin, das Alte Schloss

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Stralsund Stadtansicht

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Wismar, Stadtansicht

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Hamburg, Blick auf die Unterelbe

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Hamburg, Flet in der Altstadt

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Bremen - Einfamilienhäuser in der Olbersstraße

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Bremen - Freihafen

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Danzig - Frauengasse

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Holland - Leeuchwarden, Hauptstraße

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Holland - Mühle

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Holland - Rotterdam

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Holland - Utrecht

Holland - Utrecht

Holland - Fischerboot

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