Wirkungen der Französischen Revolution. Neuer Aufschwung in Deutschland. Albrecht Thaer

Während Deutschlands Fürsten sich also bemühten, das Aufkommen ihrer Untertanen zu fördern; während in mehreren Gegenden die Leibeigenschaft, in einigen sogar der Frondienst und in einem großen Teile von Deutschland das Hut- und Triftservitut fiel; während die bäuerlichen Verhältnisse sich hoben, der Kleinhandel an Bedeutung gewann, der Städter sich eines größeren Absatzes der Waaren erfreute und nebst der Volkszahl auch der Wohlstand des Ganzen stieg: geschah in Frankreich für den Bürger und Bauer nichts. Und doch lagen dort die mittelalterlichen Ketten weit drückender als in Deutschland auf dem Volke. Auch fehlte die wohltuende Humanität, mit welcher so manches deutsche Fürstenhaus seine Untertanen zu beglücken verstand. Die Missverhältnisse waren in Frankreich aufs höchste gespannt und daher begann dort im Jahre 1739 die große Revolution.

Als nun die Kunde davon zu uns herüber nach Deutschland drang, konnte die Revolution keinen Anklang finden; das Volk blieb ruhig. Im Rheinlande, an der Grenze von Frankreich, hatte man ja die Landwirtschaft zuerst zu reformieren begonnen und hier gerade waren die bessern Kulturverhältnisse, die dem Bauer und Bürger den Wohlstand brachten, in jenen Jahren am meisten verbreitet, man hatte also das damalige Bedürfnis der Zeit gelöst. Zwar hörte man noch mancherlei Klagen, auch fehlte es nicht an unruhigen Köpfen, welche auszuwiegeln suchten; aber es gelang ihnen nicht, denn die Reformation der materiellen Verhältnisse, für jene Zeit das wesentliche Bedürfnis des Volks, hatte die Revolution unmöglich gemacht.


Um recht anschaulich zu zeigen, wie segensreich das neue Kultursystem zunächst auf die Vermögensumstände des deutschen Bauern wirkte, mittelbar aber auch den Wohlstand des Bürgers hob, mag ein Bericht dienen, welchen der Inspektor Knecht seinem Landesherrn, dem Fürsten von Schwarzenberg, sandte und folgenderweise lautet: „Die Bauern im Stifte Zeitz haben, vermöge sicherer Nachrichten, durch Befolgung des Schubart'schen Kultursystems, in der kurzen Frist ihres angefangenen Kleebaues, ihrer vermehrten Viehzucht und ihres verbesserten Ackerbaues (also innerhalb zehn Jahren) über 150.000 Thlr. rückständige Steuern bezahlt, ihre Stallungen erweitert, die Scheunen vergrößert, ganz neue Gebäude aufgeführt, um den reichen Segen fassen zu können.“ Ähnliche Berichte gingen auch der badischen, pfälzischen und hessen-darmstädtischen Regierung zu und stimmen ganz mit den Ergebnissen der Vergleichung überein, welche Regierungsrat Rose über die Produktion der Flur von Else vor 1784 und jetzt angestellt hat.14)

Nun fragt man wohl billig, wer sollte denn eigentlich bei uns in Deutschland revoltieren, wenn der Bauer, die Hauptmasse des Volks, im westlichen Teile von Deutschland zufrieden gestellt war und der Bürger durch ihn sein Brot bekam? Man hat also wohl nicht nötig, andere Gründe, als: angeborene Pietät der Deutschen für das Fürstenhaus, oder langsame Erregbarkeit des deutschen Charakters, herbeizuziehen, um die geringe Sympathie der Deutschen für die Revolution von 1789 zu erklären. Ohne Einwirkung aus Deutschland konnte die Französische Revolution freilich nicht bleiben, denn die materiellen und geistigen Verbindungen waren zwischen Deutschland und Frankreich sehr bedeutend; diese erklären vielmehr den großen Einfluss, den das gewaltige Ereignis, sogleich bei seinem Beginn, in materieller und geistiger Beziehung aus Deutschland geäußert hat, wie gezeigt werden soll.

Bekanntlich begann die Französische Revolution in einem teueren Jahre, die Fruchtpreise blieben aber auch in den nächstfolgenden Jahren fortwährend sehr hoch, weil die Unruhen Leben und Eigentum unsicher machten. Man hatte wenig Lust, das Feld zu bebauen, der Acker wurde meist nur schlecht bestellt, ein großer Teil blieb sogar Brache. Frankreich bedurste daher einer bedeutenden Zufuhr an Frucht, und die hohen Preise ermöglichten für Deutschland einen starken Weizenexport. Früher hatte nur Niederrhein und Ostsriesland einigen Weizen nach Holland und England gesendet, jetzt aber fuhren aus allen nördlichen Strömen und aus allen deutschen Häfen Weizenschiffe der Grenze Frankreichs zu, sodass der Fruchthandel zur See eine hohe Bedeutung erhielt. Die starke Fruchtausfuhr wirkte aus alle norddeutschen und rheinischen Kornmarkte zurück, überall begann die Furcht im Preise zu steigen 15), ein Umstand, der wiederum die rasche Verbreitung des neuen Kultursystems sehr beförderte.

Das alles brachte nun neues Leben in den Verkehr; es stieg das Gewerbswesen, es hob sich der Handel, man baute Chausseen, errichtete neue Fabriken und die Volkszahl nahm merklich zu. Dass an dem Wachsen der Menschenmenge nicht der Friede, sondern die Vermehrung der Nahrungsmittel Ursache war, deren ungestörten Einfluss der Friede bloß begünstigte, ergibt sich schon aus den oben angedeuteten Folgen der bessern Bodenkultur; doch kann man die Richtigkeit dieser Behauptung deutlicher noch ersehen, wenn man die Volkszunahme zweier Länder, wie Baden und Oberlausitz, welche verschiedene Kulturzustände besaßen, miteinander vergleicht. In der Markgrafschaft Baden begann die bessere Kultur schon 1774 und breitete sich rasch aus. Daher zählte Baden auch schon im Jahre 1786 160.614 Einwohner, stieg aber, ungeachtet der Kriegsunruhen, bis 1799 auf 196.200 Menschen und hatte 1805, mit Abzug der dazugeschlagenen Landesteile, eine Bevölkerung von 235.000 Einwohnern. In die Oberlausitz drang die neue Kultur erst in den neunziger Jahren langsam ein. Sie hatte 1790 bloß 303.064 Einwohner und 1798, ungeachtet der ununterbrochenen Ruhe, doch noch nicht mehr als 308.341 Menschen; nun aber gewann auch dort die neue Kultur das Feld und daher wuchs die Bevölkerung innerhalb sechs Jahren, von 1799—1805, zu 345.184 Einwohnern an.

Also wirkte die Französische Revolution anfangs gar nicht ungünstig aus die materiellen Zustände Deutschlands zurück. Indessen zogen Mecklenburg und Schwedisch-Pommern, welche den größten Nutzen von der Getreideausfuhr haben sollten, gerade den allerwenigsten Vorteil davon. Bauern gibt es in beiden Ländern eine bloß unbedeutende Zahl, also kann, in Bezug aus landbesitzende Bevölkerung, dort fast nur von Gutsbesitzern die Rede sein. Diese, obgleich in geselliger Beziehung ziemlich gebildet, hatten damals dennoch im ganzen nur einen niedern Grad von Intelligenz. Sie benutzten allerdings den vorteilhaften Export recht gut, sahen sich auch bald im Besitze einer Menge von Geld, wendeten es aber nur zum größeren Glanze ihrer geselligen Verhältnisse an. Sie steigerten Auswand und Luxus bald über Vermögen, suchten den Ausfall durch Übertreibung der Weizenkultur zu decken, welche das Schubart'sche System ermöglichen sollte. Man rief nun sogenannte Schubartianer, nämlich Männer herbei, welche vorgaben, Schubarts Schüler zu sein, in der Tat aber nichts weiter als die Gutseinrichtung von Würchwitz kannten, welche sie für eine Schablone hielten, die sie jedem beliebigen Gute, ohne Rücksicht auf Boden, Klima und mereantilische Verhältnisse, aufdrücken könnten. Der Erfolg war natürlich sehr schlecht, die Güter verunkrauteten und gingen zurück, und Schubart, der Meister, kam durch diese Art Schüler bei den norddeutschen Gutsbesitzern in Misskredit. Diese jedoch gerieten durch ihre schlechten Ernten in arge Verlegenheit, und viele sahen sich endlich genötigt ihr Gut zu verkaufen.

Das alles geschah zu der Zeit, in welcher Napoleons steigende Macht der Ruhe Europas immer gefährlicher wurde. Vorsichtige Kapitalisten zogen ihr Vermögen allmählich aus den Papieren zurück, sahen sich nach Gütern um, in welchen ihr Geld eine sichere Anlage fände. Ihr Auge fiel auf Mecklenburg und Schwedisch-Pommern; dort waren viele Güter zu kaufen, und die entfernte Lage schien vor den Stürmen eines ausbrechenden Krieges hinlänglich sicher zu sein. Es drängten sich daher eine Menge von Kapitalisten zum Güterkaufe, bald fing man an in Landgütern zu spekulieren, die Preise derselben stiegen zu ganz enormer Höhe empor, sanken dann plötzlich 1806, beim Einbruch der Napoleonischen Armee in Norddeutschland, zu kaum erhörter Tiefe wieder herab und begruben in ihrem Sturze den Wohlstand vieler Familien. Das ist die Zeit, in welcher mancher wenig bemittelte Mann sich Güter erwarb, dessen Söhne und Enkel, im Wohlstande lebend, sich teilweise Verdienste um die Landwirtschaft erwarben.

Der übrige Teil von Deutschland befand sich aber, unter dem fortwährend lebendiger werdenden Verkehr, sehr wohl, zumal die Revolution auch in intellektueller Beziehung für Deutschland recht gute Früchte trug. Schon seit den siebziger Jahren war über Deutschland in Kunst und Wissenschaft ein neuer Geist gekommen; es wehte eine alles belebende Luft, zu deren Erregung die Landwirtschaft, schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, das Ihrige beigetragen hatte. Die geistige Aufregung, welche die Revolution veranlasste, gab dem frischen Geistesleben einen höhern Schwung, dasselbe erstreckte sich allmählich über alle Gebiete menschlicher Tätigkeit und so auch über die Ökonomie. Mit dem Ablauf des 18. und mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts standen in mehreren Teilen Deutschlands Männer auf, die sich über die empirische Auffassung der Landwirtschaft erhoben, welche erstrebten, ihre Regeln durch Gesetze zu begründen und die Landwirtschaft zu einer Wissenschaft zu erheben; doch ihnen allen ging Albrecht Thaer, der Medianer aus Celle, rühmlichst voran.

Albrecht Thaer begann seine ökonomische Laufbahn mit einem Schubartianer, der in dem lüneburgischen Sande bei Celle ein Würchwitz erschaffen wollte, und als der Versuch misslang, suchte Thaer in den Schätzen der englischen Landwirtschaft Zuflucht und Trost. Hier fand er, unter manchen andern preiswürdigen Dingen, eine rationellere Behandlung der Landwirtschaft und das Fruchtwechselsystem, von dem er glaubte, dass es der deutschen Ökonomie, vornehmlich auf größeren Gütern, aufhelfen könnte, sobald es nur mit Besonnenheit angewandt würde. Um nun keine Übereilung zu begehen, wandte er sich der Literatur deutscher Landwirtschaft wieder zu, durchdrang die reichen Schätze der Erfahrungen älterer und neuerer Zeit, schuf ein wissenschaftliches System und gab die richtige Methode für diese junge Erfahrungswissenschaft an.

Der Empirie, welche damals die Masse der Gutsbesitzer beherrschte, war weder mit einer Fruchtwechselwirtschaft noch mit einer rationellen Auffassung der Landwirtschaft gedient, und daher wurden anfangs Thaers Bestrebungen von der Menge wenig beachtet. Gleichwohl fehlte es nicht an Männern, die in Thaers Verfahren eine neue Epoche erkannten, welche die Landwirtschaft zu einer bedeutend höhern Stufe zu heben versprach. Wir zählen viele wackere Männer, die durch Schrift und Tat für die Verbreitung der Lehre Thaers ihre großen Verdienste haben 16), und unter ihnen ist Johannes Nepomuk Schwerz am meisten bekannt. Am Erfolgreichsten wirkte jedoch Thaer selbst, und seinem rastlosen Bemühen gelang es auch schon nach einem Jahrzehnt, der neuen Auffassung des Landwirtschaftlichen Betriebs allgemeine Geltung zu verschaffen. Wenn es nun ein großes Verdienst von Thaer ist, dass er den wissenschaftlichen Weg in der Landwirtschaft angebahnt hat, so gereicht ihm nicht minder zum Ruhme, dass er es war, der den Gedanken einer rationellen Auffassung des ökonomischen Betriebs, gleich einem Blitzstrahle, in die Masse der im mechanischen Treiben versunkenen Landwirte hineinwarf und auch so gut traf, dass er die Gemüter erweckte. Von nun an wollte doch wenigstens jeder nur einigermaßen gebildete Landwirt ein rationeller sein, denn Thaer hatte es bald dahin gebracht, dass man sich schämte, es zu verleugnen.

Um jedoch auch der Zukunft tüchtige Männer zu geben, die dereinst für weitere Hebung der Landwirtschaft arbeiten sollten, fasste er den Gedanken zur Gründung einer Schule, die er, nach Preußen berufen, 1806 zu Möglin in erweitertem Maßstabe erstehen ließ. Gewiss ist auch das ein großes Verdienst um die Landwirtschaft, denn dadurch gab er ein Vorbild zur Gründung anderer Landwirtschaftlichen Lehranstalten und der Landwirtschaft selbst viele vortreffliche Männer, unter welchen nur Koppe 17) Wulffen 18) und Thünen 19) hier genannt werden sollen. Wollte man nämlich alle Männer nennen, welche unmittelbar oder mittelbar zu den Schülern Thaers gehören, so käme man wegen der allzu langen Liste in Verlegenheit; denn wie groß ist die Zahl derer, welche die Landwirtschaft förderten und sich rühmen, Thaers Schüler zu sein!

Celle wurde indessen, wie schon oben angedeutet, nicht der einzige Ausgangspunkt einer neuen Landwirtschaftlichen Epoche, denn auch Jordan lehrte in Wien auf ähnliche Weise und fast gleichzeitig wie Thaer. Sein Schüler Trautmann gab schon 1810 den „Versuch einer wissenschaftlichen Anleitung zum Studium der Landwirtschaftslehre“ in Druck, und später folgten eine Reihe verdienter Männer, welche unmittelbar oder mittelbar zu Jordans Schülern gezählt werden können, und unter denen sich Bürger durch sein klassisches „Lehrbuch der Landwirtschaft“ allgemeine Hochachtung erworben hat. Einsam in seiner Wirkungsweise stand Immanuel von Fellenberg in Hofwyl, der pädagogische Ökonom. Allerdings stimmte auch Fellenbergs Ziel in Landwirtschaftlicher Beziehung mit dem Ziele Thaers überein, doch wurde von Fellenberg behauptet, dass die Bildung zum Landwirt mit der Jugenderziehung zu vereinigen sei. Einen ganzen Mann wollte er erziehen, tüchtig von Herz und Verstand, gewandt an Körper und Geist. Daher fand man in Hofwyl mehrere Schulen nebeneinander, je nach Alter der Schüler und Maßgabe des zu erstrebenden Ziels. Die Lehranstalt für Landwirte erstand schon 1804, und als der berühmteste ihrer Schüler darf Schübler genannt werden, welcher in der Ausbildung der Bodenlehre, durch Ermittelung der physikalischen Eigenschaften des Erdreichs, Epoche gemacht hat.

Außer diesen Reformen im großen Ganzen der Landwirtschaft wurden auch in einzelnen Zweigen der Ökonomie innerhalb vieler deutschen Länder wesentliche Fortschritte gemacht. Für die größeren Gutsbesitzer des Ostens von Deutschland, welcher weit umfangreichere Güter als der Westen von Deutschland besitzt und extensiver als das Rheinland wirtschaften muss, war von jeher die Schafzucht eine Hauptstütze der Ökonomie gewesen, und schon nach dem Siebenjährigen Kriege hatten sich die Fürsten dieser Länder für ihre Hebung bemüht. Nicht allein Kurfürst August von Sachsen, sondern auch Friedrich der Große, Maria Theresia und Joseph II. hatten, durch Einbringung spanischer Schafe, für Veredlung der Wolle gesorgt. Indessen bekamen die sächsischen Schafe, durch Reinerhaltung der Rasse, den meisten Ruf, man nannte sie Electoralschafe, rühmte die Feinheit, Elastizität und Konstanz ihrer Wolle. Doch über Züchtungsverfahren hatte man damals wenig Verständnis; man glaubte noch an eine Entartung der Wolle durch deutsches Klima und deutsche Weide, was den Wollhandel nicht aufkommen ließ. Im Jahre 1799 trat nun Graf Lasteyrie mit einer Schrift 20) hervor, welche die ersten haltbaren Prinzipien der Wollkunde enthält und das Vorurteil einer Entartung der Wolle gründlich beseitigt hat. Die Folge davon war der Beginn des Handels mit seiner Wolle aus Sachsen und Schlesien nach Frankreich, Belgien und England, welcher später so bedeutend geworden ist.

Da nun die Wollzucht für Deutschland immer wichtiger wurde, so brachte Petri im Auftrage 1804 neue spanische Schafe nach Österreich, deren Vliese jedoch weniger sein und minder elastisch, dagegen wollreicher als die der Electoralschafe waren. Man nannte sie Infantados, und ihre Wolle verarbeitete man meistens in Wien.

In Mittel- und Westdeutschland war die Dreifelderwirtschaft mit besömmerten Brachen und Stallfütterung der Rinder zur allgemeinen Geltung gekommen, und der Kartoffelbau breitete sich rasch über alle Fluren aus. Zufolge der reichen Dungkraft erweiterte sich am Rhein und in Thüringen nebst Harzland der Mohn- und Ölsaatbau, und in Baden wurde der Hanfbau bedeutend. In Rheinland, Schwaben, Franken und Thüringen nahm indessen auch der Obstbau an Wichtigkeit zu, besetzte alle Täler und Gründe und hüllte die Dörfer waldartig ein. Man begann die Arten der Früchte zu prüfen, holte neue Sorten aus Frankreich und Belgien herbei und machte die besten durch Beschreibung und Abbildung bekannt. Unter den Pomologen damaliger Zeit haben sich besonders Pfarrer Sickler aus Fahnern in Thüringen 21) und Hofrath Diel aus Dietz in Nassau 22) große Verdienste erworben.

Holstein dagegen hatte sich eine andere Aufgabe der Landwirtschaft gestellt. In dem weniger volkreichen Lande galt es, mit weniger Menschen die höchstmöglichen Erträge zu erzielen, und die Lösung der Aufgabe war bereits schon in der Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch die Einführung der Koppelwirtschaft gegeben worden. Die Ländereien wechselten nämlich, nach mehreren Getreideernten, mit einigen Weideschlägen ab, und das Muster dazu hatte die nahe Marsch gegeben, wo man mit Getreide- und Wiesenschlägen zu wechseln pflegt. Seitdem waren die Holsteiner, in weiterer Ausbildung ihres Systems, sehr tätig gewesen: sie hatten seit 1750 die Koppelweiden durch Ansaat mit weißem Klee begrünt, sie waren seit 1770 bemüht, die Fruchtbarkeit des Bodens durch Mergelung zu erhöhen, und der Herzog von Holstein-Beck hatte 1784 Schubarts Bekanntschaft in Würchwitz gemacht, um den neuen Kleebau kennen zu lernen. Das alles war bereits schon geschehen, als Thaers System auch nach Holstein drang. Der Herzog von Holstein-Beck stand damals in Holstein an der Spitze der Intelligenz und suchte nun Thaers Fruchtwechselsystem mit der Koppelwirtschaft zu vereinigen. Diese Verbesserung fand sehr vielen Beifall, wurde auch in Mecklenburg nachgeahmt, und weil man sich dort wegen der Schubartianer ohnedies in Verlegenheit befand, breitete sich die Koppelwirtschaft bald über ganz Mecklenburg aus. Später hat sie sich über Pommern, Ukermark, Neumark und alle nördlichen Gegenden mit ähnlichen Verhältnissen erstreckt.

Böhmen, Franken und Bayern nahmen nur stellenweise an den allgemeinen Fortschritten der Landwirtschaft Anteil, dessen ungeachtet zeichneten sie sich in einzelnen Zweigen des Landbaues aus. Kein deutsches Land erzeugte so trefflichen Hopfen als Böhmen und Franken, und nur die rheinische Pfalz tat es im Tabaksbaue den umfangreichen Tabakskulturen Mittelfrankens zuvor.

Wie anders hatte sich nun das ganze deutsche Landwirtschaftliche Wesen, in so kurzer Zeit, entwickelt und umgestaltet, und mit welchen Hoffnungen blickte man in das neue Jahrhundert hinein, welches das Gebäude ausbauen sollte, dessen Grundstein vom alten Jahrhundert so sorgfältig und mühsam gelegt ward! Freilich stand die Landwirtschaft als Wissenschaft noch recht einsam da, andere Wissenschaften sahen stolz auf sie herab, nur die Chemie reichte ihr freundlich die Hand. Einhof, dem ersten deutschen Agrikulturchemiker, folgten eine große Reihe bekannter und berühmter Männer, und das Eingehen in die Interessen der Landwirtschaft hat der Chemie selbst so großen Vorteil gebracht, dass sie in gegenwärtiger Zeit manche ihrer damals prunkenden Schwestern an Ehre und Ruhm weit überstrahlt. Aber zu jener Zeit stand der innern Entwickelung des deutschen Volkslebens noch eine harte Prüfung bevor.