Die ersten fünfzehn Jahre des Friedens

Man hatte nun alle Ursache, auf bessere Tage zu hoffen, denn es geschah manches, wodurch die materiellen Interessen eine vorteilhafte Umgestaltung erhielten, und Preußen ging hierin andern Staaten rühmlich voran. Schon am 29. Mai 1816 war die Verordnung erschienen, nach welcher die im Jahre 1811 gegebenen Kulturgesetze, ohne Unterschied der Art des Besitztums, in Kraft treten und auf das nun in Größe verdoppelte Königreich ausgedehnt werden sollten; desgleichen folgte eine Verordnung wegen Gemeinheitsteilung, Ablösung von Diensten, Naturalabgaben und Zinsen am 7. Juni 1821 nach. Ferner diente Preußen, durch eine vortreffliche Organisation des Postwesens, andern Staaten als Muster, und bald erfreute man sich in ganz Deutschland einer so raschen, sichern und, gegen frühere Zeiten, so billigen Beförderung der Briefe, wie man früher es kaum für möglich gehalten hätte. Ebenso wetteiferten alle deutschen Staaten miteinander in Bau von Chausseen; bald war ein Netz von Kunststraßen vollendet, das sich über alle Teile des Vaterlandes, sogar durch die unwirtlichsten Gebirge erstreckte und den Verkehr in so hohem Grade erleichterte, dass nun der Transport, gegen frühere Zeiten, mit einer fast fabelhaften Schnelligkeit ausgeführt wurde. Auch Kornfrüchte gingen jetzt, bei Bedarf, auf der Achse größere Strecken weit, sodass man hoffen konnte, es würden in Jahren der Teuerung nicht wieder so große Differenzen der Fruchtpreise verschiedener Marktplätze erscheinen, wie man sie früher erlebt hatte. 26)

Selbst in intellektueller Beziehung setzte Preußen seine Verbesserungen fort. Das Schulwesen, in welchem es früher namentlich Sachsen, Thüringen und Württemberg sehr nachgestanden hatte, erhob sich nun in ungleich besserer Gestalt. Die Universität Berlin war schon 1810 gegründet worden, die Universität Bonn erstand 1818, Gymnasien wurden reorganisiert oder neu errichtet, Volksschulen durch gute Seminarien mit tüchtigen Lehrern versorgt. Also waren in Preußen auch wieder in dieser Weise alle Wege eröffnet, die zur Blüte des Ganzen zu führen versprachen. Überschaut man alles, was in Preußen nach dem Kriege zum Wohle des Ganzen geschah, so muss man bekennen, dass Großes vollbracht ward, und darf sich nicht wundern, dass sich das Volk, in verjüngter Kraft, bald wieder zum Wohlstand erhob.


Unter den kleinern Staaten findet man, in Landwirtschaftlicher Beziehung, nach den Kriegsjahren in Württemberg den bedeutendsten Aufschwung. Die ökonomischen Angelegenheiten lagen dort schon früher, als Württemberg noch ein Herzogtum von 150 Quadratmeilen war, nicht ungünstig, denn die Bauernschaft, obschon mit Feudallasten bedrückt, besaß fast das ganze Land, hatte Sitz und Stimme auf dem Landtage, und wenn man auch in einigen Gegenden einen außerordentlich zersplitterten Grundbesitz fand, so fehlte es dennoch nicht an wohlhabenden Bauern. Das Schulwesen war trefflich organisiert; Württemberg konnte sich rühmen, das ganze Gut der eingezogenen Klöster und Stifter auf Bildungsanstalten verwendet zu haben, und deshalb stand auch das Volk in allgemeiner Bildung keinem andern deutschen Staate nach, wohl aber vielen voran. Als Württemberg 1802 und 1805 mit 210 Quadratmeilen aus mehr als 60 Reichsländern vergrößert worden war, hatte es neue Untertanen von sehr verschiedener Stufe des Wohlstandes und der Bildung empfangen, denn ein Teil derselben war sogar noch leibeigen. 27) Schon Friedrich I. machte einige Anfänge zur Entlastung der Bauern, doch kann man erst mit den Regierungsjahren Wilhelms I., dieses für die Landwirtschaft so hochverdienten Königs, das ernstere Eingehen zur Befreiung des Landmannes und zur Hebung der Ökonomie datieren. Schon 1817 fiel die Leibeigenschaft, 1821 und 1824 erschienen Gesetze über Ablösungen verschiedener Feudallasten, welche zwar wegen der höhern Ablösungssummen nicht ganz ihren Zwecken entsprachen 28), dennoch aber den Weg zur spätern Befreiung angebahnt haben. König Wilhelm glaubte auch in anderer Weise noch die Landwirtschaft unterstützen zu müssen und deshalb gründete er Viehzüchtereien, um die Rassen aller Arten von Haustieren zu veredeln; er stiftete 1818 die höhere Landwirtschaftliche Lehranstalt Hohenheim und gab ihr den in der Ökonomie berühmten Schwerz zum Direktor; er traf für Verbesserung der Obst- und Weinkultur und für Flachsbau geeignete Anstalten, und seine neuerrichteten Ackerbauschulen dienten zur weitern Ausbildung der fleißigen Württemberger Bauern.

In den übrigen deutschen Staaten war die Tätigkeit der Regierung für Entlastung des Bauernstandes und Hebung der Landwirtschaft sehr ungleich. Bayern erfreute sich schon seit 1799, dem Regierungsantritte seines Königs Max, einer Reihe Verordnungen, die auf Entlastung der Bauern und Aufschwung der Landwirtschaft gerichtet waren 29), aber anfangs wenigstens nicht den Wünschen entsprachen; doch war die Leibeigenschaft beseitigt und seit 1818 zu Schleißheim auch eine Lehranstalt errichtet worden, welche die höhere Bildung der jungen Landwirte bezweckte. Baden und Nassau hatten mit Reformen begonnen, die Leibeigenschaft aufgehoben 30) und einige andere Verbesserungen getroffen, die aber nur als ein Anfang bezeichnet werden konnten. Holstein und sämmtliche dänische Besitzungen waren schon 1804 von der Leibeigenschaft befreit und auf eine dem Wohle des Ganzen sehr entsprechende Art. Um die armen, besitzlosen Leute in Bauern umwandeln zu können, wurden die Domänen parzelliert und die vormaligen Leibeigenen auf den Parzellen als Erbpächter eingesetzt. Weit weniger glücklich war man bei der Aufhebung der Leibeigenschaft in Preußen 1810 und in Mecklenburg 1824; die meisten der Leibeigenen besaßen kein Land, wohnten als Taglöhner am Gute in ärmlichen Hütten, Katen genannt 31), und der Gutsherr hatte zwar das Recht, das die Herrschaft über Leibeigenschaft gibt, doch auch die Pflicht, diese Leute zu unterhalten. Als nun die Leibeigenschaft fiel, wurde der Katenmann zwar persönlich frei, blieb aber nach wie vor nur Taglöhner und in Abhängigkeit von seinem Herrn. In gewisser Hinsicht war er nun übler daran als früher, denn jetzt stand es dem Herrn frei, ihn nach Willkür zu entlassen. Darum wurde die Freiheit für diese Leute ein zweideutiges Geschenk und von ihnen auch keineswegs mit Jubel begrüßt.

Die beiden Hessen, Hannover und Braunschweig verharrten in ihren alten Zuständen, obschon die Servitute der Bauern keineswegs unerheblich genannt werden konnten 32); alles, was hier zu Gunsten der Bauern getan worden war, hatte die westfälische Regierung unter Jérôme vollbracht. Auch in den thüringischen Staaten war alles beim alten geblieben, doch Leibeigenschaft gab es hier nicht und die Servitute waren gewöhnlich nicht drückend. Fronen kamen zwar häufig vor, doch fast immer mit einer Gegenverpflichtung des Herrn, welche nicht selten erheblicher war als die Dienstleistung selbst, sodass die Fronarbeit von den betreffenden Bauern nicht als Servitut, sondern als Privilegium angesehen wurde 34); nur über den Schaden der Jagd führte man Klage. Am wenigsten konnte sich Sachsen rühmen, etwas für den Bauer getan zu haben, denn hier dauerte das Mittelalter, mit allen Banden, ja sogar mit seiner Leibeigenschaft, trotz der allgemeinern Bildung dieses Volksstammes, fort. Sein Nachbar, der preußisch-sächsische Bauer, welcher von allem Jammer des Feudalwesens befreit worden war, bot ihm einen für seine Regierung sehr ungünstigen Vergleich.

Ungeachtet der Hemmungen, die dem Aufkommen der Bauern stellenweise immer noch hindernd entgegenstanden, musste sich dennoch, nach einer so langjährigen und fast durchgängigen Verbesserung des Betriebs, die Produktionsmasse durch den nun eingetretenen Frieden sichtlich vermehren und das Bedürfnis einer damals noch geringen Bevölkerung weit übersteigen, zumal deren Wachstum durch zehnjährige Kriege fortwährend gehemmt worden war. Daher erklärt sich nun, warum nach jenem Missjahre von 1817 die Fruchtpreise sich auffallend schnell erniedrigten und schon 1819 eine bedeutende Tiefe erreichten; man hatte zwar, für die Tage der Ruhe, auf eine gesteigerte Fruchtmasse gehofft, doch keineswegs sie in solchem Grade erwartet. Die Anstauung der Produktion würde auch nicht in dem Maße erfolgt sein, wenn nicht unglücklicherweise noch zwei Umstände hinzugetreten wären, die sie beförderten und eine Wohlfeilheit erzeugten, die nach dem Nominalpreise der Früchte seit 1735 nicht gewesen war, nach dem Realpreise aber sich seit dem Westfälischen Frieden nicht ereignet hatte. 35)

Das erste ungünstige Ereignis für die deutschen Fruchtmärkte war die Kornbill in England. Durch die Continentalsperre Napoleons wurde England genötigt, sich selbst mit Getreide zu versorgen; die dortigen Landwirte sahen sich veranlasst, ihre Güter auf einen umfangreichen Getreidebau einzurichten, und konnten jetzt, nach dem Sturze Napoleons, mit den Preisen des ausländischen Getreides nicht Konkurrenz halten. Daher gelang es im Jahre 1815, die Kornbill durchzusetzen, ein Ereignis, wodurch der Abfluss des Getreides gerade in unsern menschenärmsten Gegenden längs der Ostsee, die nur von produzierenden Einwohnern bevölkert sind, versperrt wurde und deren stauender Überfluss bis in das Innere Deutschlands einwirkte.

Ein zweites ungünstiges Ereignis für den Produktenabsatz war die Absperrung Preußens durch eine Zolllinie. Sie galt zwar nur den Fabrikaten, veranlagte aber eine große Störung des Handels und dadurch eine langsamere Entwickelung unserer Industrie. Der Markt für die sächsischen, thüringischen, württembergischen, badischen und fränkischen Fabriken war nach Preußen völlig versperrt oder bedeutend verkümmert, langsam nur erhob sich die Blüte derselben, und deshalb nahm auch die Population weniger rasch zu. Zudem hatte das vorige Jahrhundert dem unserigen noch eine Masse verschiedener Münzsorten, mancherlei Zölle und Abgaben wunderlicher Art 36) vererbt, die, gleich Wegelagerern, den Gang der Waren aufhielten und dem Aufschwunge des Handels hinderlich wurden.

Bei so beispiellos niedrigen Preisen sah sich der Landwirt, der die Verwüstungen des Krieges noch nicht einmal völlig überwunden hatte, in neue Verlegenheit versetzt, zumal zu erwarten stand, dass es noch vieler Jahre bedürfe, bevor die Bevölkerung die Produktionsmasse im Wachstum eingeholt haben würde. Der Westen Deutschlands half sich leichter durch den Export von Schlachtvieh, welches nach Frankreich ging: auch sanken die Preise durch den Kornabsatz nach Holland und der Schweiz weniger tief herab; je weiter aber nach Osten, um so massenhafter staute die Frucht, um so eiliger bedurste der Landwirt eines Rettungsankers bei der wachsenden Not.

Dieser bot sich ihm zunächst in der Schafzucht dar. Seitdem der Handel mit seinen Electoralwollen nach Belgien und Frankreich eröffnet worden war, hatte die hochfeine und veredelte Schafzucht sich nicht allein auf Sachsens Grenzen beschränkt, sondern auch in Schlesien, Brandenburg, Pommern, Mecklenburg, Anhalt und in der Provinz Sachsen nebst Thüringen große Verbreitung gewonnen und überall einen größeren Umfang erreicht. Als nun 1815 mit dem Falle der Kontinentalsperre auch die Engländer wieder die deutschen Wollmärkte bezogen, war eine Vermehrung der Nachfrage, daher auch ein Steigen der Wollpreise natürliche Folge. Da nun dieser günstige Umstand gerade zur Zeit der schnellen Erniedrigung der Fruchtpreise recht in Wirksamkeit trat, so erklärt sich hieraus der große Enthusiasmus, der sich unter den Gutsbesitzern mit den zwanziger Jahren für hochfeine Schafzucht erhob. Man machte jetzt rasche Fortschritte in der Kenntnis der Wolle, in der Entdeckung der Gesetze der Anzucht und wurde sich der Mittel über das zu erstrebende Ziel immer klarer bewusst. Weil aber Thaer auch diesen Gegenstand mit scharfem Auge durchdrang und die Abhilfe noch vorhandener Mängel nachwies, so war es auch sehr erklärlich, dass er durch seine Lehre über die feine Wolle, jetzt das Losungswort der Ökonomen, den Gipfel des Ruhmes erstieg.

Doch die Schafzucht allein konnte dem großen Gutsbesitzer, besonders in menschenärmern Gegenden, den Ausfall der Einnahmen nicht decken, der durch die Wohlfeilheit der Fruchtpreise erzeugt worden war. Wenn er auch seiner Schäferei die möglichste Ausdehnung gab, so durfte dennoch das zur Wirtschaft nötige Stroh nicht fehlen, und darum musste er immer wieder auf höhere Verwertung der Körner bedacht sein. Ein Mittel dafür hatte er schon seit mehreren Jahrzehnten in der Branntweinbrennerei gefunden und seitdem in Preußen der Betrieb freigegeben worden war, hatten sich nach der Teuerung die Brennereien auch bedeutend vermehrt. Für die frühern Zeiten mochten diese kleinen Werke genügen, doch nicht jetzt, wo der Überfluss so bedeutend wurde. Daher fand das verbesserte Verfahren der Branntweinbereitung, welches Dorn 1819 und 1820 veröffentlichte 27), sehr großen Beifall und allgemeine Verbreitung, denn man war nun im Stande, das Geschäft ins Große zu treiben. Um diese Zeit wurde auch die Benutzung der Kartoffeln für Branntweinbrennereien zum zweiten mal entdeckt; Dorn wandte die Erfindung 38) schon 1823 im Großen an, und durch diesen Umstand bekam die Kartoffelkultur in Norddeutschland ein weit umfangreicheres Terrain, ja sie kam sogar 1824 nach Böhmen, wo die großen Grundbesitzer ansehnliche Brennereien besaßen, blieb anfangs nur Brennmaterial, bis sich zuletzt das Volk dazu verstand, sie auch als Speise zu benutzen. Ungleich wichtiger für den technischen Betrieb der Brennereien wurde jedoch der verbesserte Spiritusapparat, den Pistorius 1829 bekannt machte; nun erst gewannen die großen Brennereien einen mächtigen Aufschwung, lieferten ein wohlfeiles Fabrikat, brachten die kleinen zum völligen Stillstande und verschafften dem Branntwein durch seinen billigen Preis eine weit stärkere Konsumtion.

Dieser Verlauf der Ausbildung unserer Landwirtschaft, welcher durch ganz besondere Verhältnisse so eigentümlich geleitet worden war, griff nun in das Volksleben störend ein, denn der Genuss des Branntweins, als Hauptgetränk des Volks, griff immer mehr um sich, war schon nach Mitteldeutschland gedrungen und hatte sich in vielen Gegenden, vorzüglich in Städten, zu bedenklicher Höhe gesteigert. Man fürchtete den übeln Einfluss desselben auf den moralischen Zustand des Volks mit Recht und sann auf Mittel zur Abhilfe. Anfangs meinten viele den Dämon des Branntweins durch Mäßigkeitsvereine bannen zu können; indessen entsprach der Erfolg leider den Erwartungen nicht. Es war auch natürlich, dass dem Volke ein Ersatzmittel gegeben werden müsse, welches besser und billiger als der Branntwein sei, bevor man hoffen konnte, den Branntwein unschädlich zu machen, und das konnte kein anderes sein als gutes Bier.

Im Mittelalter war Deutschland durch seine guten Biere berühmt, sie bildeten einen wesentlichen Teil seines Exports und gingen sogar über See. Später sank das Brauwesen sehr tief herab, doch am meistern in Norddeutschland, dem frühern Sitze der guten Biere; denn Böhmen, Franken und Bayern, die Hopfenländer Deutschlands, hatten in Städten immer noch besseres Bier; daher konnte der Branntweinverbrauch auch dort keinen Anklang im Volke gewinnen. Als nun Max I. die Regierung antrat, hoben sich in Franken und Bayern durch zweckmäßige Brauordnungen die Brauereien so rasch empor, dass sie bald die Aufmerksamkeit Norddeutschlands auf sich zogen; man fing zuerst in Thüringen und Sachsen auf bayrische Weise zu brauen an, doch bald nachher amte auch Norddeutschland das neue Brauverfahren nach, und so gelang es, den übermäßigen Branntweingenuss immer mehr zu verdrängen. Nicht sowohl die Chemie als vielmehr die guten Brauordnungen hatten also hier den neuen Aufschwung bewirkt.

Wenn aber auch die technische Chemie im Brauwesen eine nur untergeordnete Rolle spielte, so zeigte sie in andern Zweigen einen um so mächtigern Einfluss. Nur durch ihre Hilfe waren die Brennereien vervollkommnet worden, und durch ihre Anleitung erhoben sich andere Betriebe. Sie erfand die Schnellessigfabrikation, die Bereitung der Stärke aus Kartoffeln und die Sirupbereitung. Sie war es auch, welche im Hauswesen bequemere Einrichtungen traf, die Wohnung des Bürgers behaglicher machte und der Kleidung die Schwerfälligkeit nahm. Sie gab fast allen Handwerkern Unterricht, erbaute den Fabrikanten Maschinen und entwickelte ihren Betrieb mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit. Unter den Männern, die sich für die landwirtschaftliche Technik große Verdienste erwarben, wurden damals Hermbstädt und Döbereiner mit besonderer Anerkennung genannt.

Auch auf die Art der landwirtschaftlichen Arbeiten übte die Technik merklichen Einfluss. Man führte Maschinen ein, die teils zur Förderung, teils auch zur Verbesserung der Landwirtschaftlichen Verrichtungen dienten, und deren Gebrauch besonders im Norden von Deutschland, wo es an Arbeitskraft fehlte, allgemeinern Beifall fand; man verbesserte Werkzeuge und Geräte, erfand neue dazu, und die besten derselben drangen sogar bis in die Hufengüter der Bauern hinein.

Bei der fortwährend gesteigerten Spannung des Betriebs gewann natürlich auch die Kartoffel eine immer, größere Bedeutung für Flur und Haus. Jetzt erst hatte man ihre vielseitige Anwendung recht schätzen gelernt, denn sie war ja nun nicht mehr für Speise und Futter allein, sondern auch für Brennereien, Stärke und Sirup brauchbar, und als man noch fand, dass sie sogar in rohem Zustande eine gesunde und nahrhafte Kost für Schafe sei, wurde sie als Stütze der Schafzucht und der Brennerei erklärt. Man dehnte das Bereich für ihre Kultur, besonders im Norden von Deutschland, auf Unkosten anderer Früchte weit über Gebühr aus 39) und achtete der Warnungen nicht, indem man sich auf die wenigjährigen guten Erfolge berief. Als nun später die Kartoffelkrankheit mit epidemischem Charakter eintrat, fand sie, bei so großer Abschwächung der Kartoffelvegetation, ein geeignetes Terrain für rasche Verbreitung, wie später erzählt werden soll; im Norden war sie jedoch um ein Jahr früher und trat auch bösartiger wie in Mittel- und Süddeutschland auf. Auf diese Weise hatte die Kartoffel in Deutschland das merkwürdige Schicksal gehabt, im Anfange des vorigen Jahrhunderts von den Medizinern als ein Giftgewächs gebrandmarkt und hundert Jahre später als des Landwirts Stütze gepriesen zu werden.

Die ersten fünfzehn Jahre des Friedens hatten sonach die Ökonomie bedeutend verändert, besonders den ökonomisch-technischen Gewerben eine ungleich wichtigere Stellung gegeben, aber dennoch vermochten diese nicht allen Landwirten gleiche Hilfe zu bieten, sondern nachdrücklichen Vorteil konnte sie meistenteils nur den großen Grundbesitzern und Pächtern bringen, während die mittlern und die kleinern, welche bloß in den Schäfereien einige Unterstützung fanden, noch auf andere Hilfe denken mussten, die ihnen der Anbau von Handelsgewächsen zu leisten versprach.

Seitdem man nämlich die Landwirtschaft intensiver zu treiben begann, hatte sich, durch die Vermehrung des Futters und Düngers, auch die Tragkraft der Felder bedeutend erhöht. Güter, welche in kräftigem Stande waren, vermochten einen Teil ihrer Felder, durch Nachdruck mit Düngkraft, den Handelsgewächsen einzuräumen, ohne dabei den Ausfall an Dünger befürchten zu müssen, der immer mit dieser Kulturart verbunden ist. Daher wanderte nun seit 1819 die Ölsaat und der Mohn, früher nur in den fruchtbarsten Gegenden nach und nach eingebürgert, von Land zu Land und galt schon 1830 als eine ziemlich allgemeine Kultur. Andere Arten von Handelsgewächsen bleiben mehr auf gewisse Länder oder Gegenden beschränkt, wie der Krappbau am Rhein und der Tabaksbau in der Pfalz und Franken, ja der Droguenbau fand sogar nur in einzelnen Fluren Aufnahme und Fortgang.

Bei der Aufzählung der verschiedenen Hilfsmittel des Landwirts dürfen wir den Leinbau nicht vergessen, der, bei dem Aufschwunge des Linnenhandels zu jener Zeit, vielen Gegenden eine wichtige Quelle des Wohlstandes wurde und für die fortwährende Ausbildung der Linnenmanufaktur die Basis bot.

Endlich muss noch bemerkt werden, dass auch die Landwirtschaft als Wissenschaft Fortschritte machte. Thaer war zwar am 26. Okt. 1828 zu Grabe gegangen, aber er lebte in seinen Schülern noch fort, die sich bemühten, den Bau, den er begonnen, zu erweitern und zu vervollkommnen. Dabei drang die immer mächtiger werdende Landwirtschaftliche Literatur allmählich in alle Volksschichten ein, neue Landwirtschaftliche Zeitschriften tauchten auf, wurden gern gelesen und regten zum Denken an. Ihrem Wirken haben wir es ganz besonders zu danken, dass die Zahl der ökonomischen Vereine mit jedem Jahre stieg und dass die Menge ihrer Mitglieder wuchs. Damals freilich waren sie nicht viel mehr als Gesellschaften steifer Form, in welchen man Abhandlungen über landwirtschaftliche Gegenstände anhören konnte; doch gab es auch Ausnahmen, die sich durch lebhafte Diskussion auszeichneten. Jede Art der Vereine regte jedoch durch geistige Berührung der Mitglieder an, das Bedürfnis wissenschaftlicher Ausbildung wurde dadurch geweckt, die Zahl der Lehranstalten vermehrt.

Im Jahre 1826 kam sogar eine neue Art Landwirtschaftlicher Bildungsanstalten zum Vorschein, denn Professor Schulze in Jena hatte sein neugegründetes ökonomisches Institut in enge Verbindung mit der dortigen Universität gebracht. Er wollte der wissenschaftlichen Ausbildung junger Landwirte eine höhere Weihe verleihen, mit dem Streben nach materiellem Gewinn die Veredlung ihres geistigen Wesens verbinden, und insofern war sein Streben mit Fellenbergs Wirken verwandt. Der Plan misslang keineswegs, es fanden sich Schüler, ihre Zahl mehrte sich bald, und dieses Institut wurde später ein Muster für andere. So war denn in den zwanziger Jahren schon für junge Landwirte, die nach höherer Bildung strebten, die Universität geöffnet und der Geist der wahren Humanität trat immer tiefer in die schon ansehnliche Schar intelligenter Ökonomen ein. Dennoch war die Wissenschaft noch nicht mächtig genug, um die Vorurteile zu zerstreuen, welche die Praxis gegen sie einnahm.

Gleichwohl darf man den raschen Aufschwung der Landwirtschaft und die höhere Stufe der Landwirte selbst nicht verkennen, die in so kurzer Zeit von 15 Jahren gewonnen war. In innigem Verkehr mit der aufblühenden Industrie war die Landwirtschaft, durch den Kampf gegen die Ungunst der Zeiten, zu bedeutendem Grade erstarkt; Landwirte und Techniker sahen durch die Wechselwirkung der wachsenden Geschäfte ihren Einfluss auf den Staat. Sie erkannten jetzt ihren Wert für das Ganze, sie fühlten sich als wesentliche Teile der Nation, sie richteten ihre Blicke auf alle materiellen Verhältnisse und hoben sie höher zu den geistigen Interessen empor. Es war natürlich, dass sie nach beiden Seiten in mehreren Staaten vieles entdecken mussten, deren Abhilfe zu wünschen war, und hier wie dort fand sich sogar noch manche drückende Last.