Zerstörende Feuersbrunst in Rostock 1262

Vermutlich im Jahre 1262 wurde Rostock, wie wenige Jahre später Wismar, von einer großen, zerstörenden Feuersbrunst heimgesucht, welche fast die ganze Stadt, mit Ausnahme der Marienkirche und einiger anderer Gebäude eingeäschert haben soll. Nähere Angaben über dieses Ereignis fehlen gänzlich, den einzigen sicheren Hinweis gibt die Schenkungsurkunde Borwins an die Stadt vom 12. Oktober 1264*). Um den schwer heimgesuchten Rostockern ihre Lage erträglicher zu machen, erteilt er ihnen im Jahre 1264 neue Freiheiten, er schenkt den Bürgern freie Fuhr zu den Mühlen am Damm, gestattet den Müllern am Damm sich des Stadtrechtes zu bedienen, erneuert die Verzichtleistung auf alle Zölle und Abgaben im Warnemünder Hafen und übergibt der Stadt den Bruch vor dem Petritore beim St. Clemens-Damm**) zu bleibendem Eigentum.

*) Urk. 1021: Schon aus dem Gebrauch der Präterita ist man berechtigt zu schließen, dass der Brand nicht in dei jüngst verflossene Zeit zu setzen ist, aber eben so wenig wird er nach Kirchberg in dem Jahre 1252 stattgefunden haben: Ist es denkbar, dass Borwin erst 12 Jahre nach dem Brande die Stadt für ihren Schaden mit dieser Gnadenerweisung bedacht haben sollte? Westphalen hat die betreffende Stelle auslassen. Herr Archivar Wigger ist der Überzeugung, dass Kirchberg seine später empfangene Nachricht dort einfügte, wohin sie nach der ihm überlieferten Jahreszahl gehörte, also in das Jahr 1252.
      Wenn die oben angeführten Gründe darauf hinführen, dass sich Kirchberg mit dieser Jahresangabe offenbar im Irrtum befand, der vielleicht nur auf dem Lesefehler LII für LXII beruhte, so fehlt es auch nicht an weiteren Umständen und Hinweisen, welche es wahrscheinlich machen, dass das Jahr 1262 das richtige ist. Dass der Rat im Jahre 1263 bauen ließ, die Marienkirche aber in der Lage gewesen war, ihm ein sehr ansehnliches Baumaterial abtreten zu können, erweist die Urk. 973, während die Urk. 902 vom 5. Sept. 1262 eine Anleihe bezeugt, welche der Rat bei Gese von Braunschweig und Ernst Simers gemacht hatte. Vielleicht hängt auch die der Stadt von Borwin am 18. Juni 1262 gewährte Verordnung, dass nur ein Rat und ein Gericht sein sollte, mit dem Brandunglück zusammen. Auffallen muss es jedenfalls, dass der Rat nicht sofort in der Weise von dieser Verwilligung Gebrauch machte, dass er die Verlegung offiziell bekannt machte. Dass man das Zentrum der Stadt, den Mittelmarkt, zum Sitz des Rates wählen würde, lag auf der Hand, hätte dort nach dem 18. Juni 1262 ein Rathaus bestanden, so ist nicht einzusehen, warum es nicht unverzüglich bezogen wurde. Erfolgte die Verlegung aber erst am 29. Juni 1265 (Urk. 10511, so liegt die Erklärung dafür wohl in dem Umstande, dass der Wiederaufbau, der, wie das in Wismar nach dem Brande von 1264 der Fall war (vgl. Gesch. Wismars S. 79), in soliderer Weise bewerkstelligt wurde, zumal bei der Geldnot, in welche die Stadt durch das Unglück geraten war, längere Zeit in Anspruch nehmen musste.


**) Der St. Clemensdamm „agger Sabcti Clementis“ führte vom Petritor über den oben erwähnten Pons aquaticus durch den auf dem rechten Warnowufer nach allen Seiten sich ausbreitenden Sumpf und Bruch. In dieser Gegend (des jetzigen Karlshof) lag auch die Kirche des heiligen Clemens, die eben durch jenen Damm mit der Stadt verbunden war: zugleich wird dieser agger St. Clementis die Kommunikation nach Ribnitz zu und mit der Rostocker Haide hergestellt haben, denn der Petridamm existierte damals noch nicht, wenigstens finden sich in den Urkunden keine Nachrichten darüber (der Name Petridamm taucht erst in dem ersten Viertel des 14. Jahrh. auf; Lisch u. Mann, Beitrag z. älteren Gesch. Rostocks. S. 32). Eben so wenig lässt sich über die Entstehung der St. Clemenskirche etwas feststellen, wir wissen nur, dass im J. 1293 (Urk. 2236) vom Rate der Stadt der Platz verkauft wurde, wo früher die St. Clemenskirche gestanden hatte (fuerat). Wir können indes mit Gewissheit annehmen, dass im Jahr 1264 die St. Clemenskirche nicht mehr vorhanden gewesen ist. Wenn sie noch vorhanden gewesen wäre, würde sie wohl in der Urkunde dieses Jahres, durch welche die ganze Gegend vor dem Petritore mit dem St. Clemensdamm abgetreten wird, nicht unerwähnt geblieben sein. Als weitere Beweise können zwei Testamente dienen, das der Wilset, Witwe des Reinold Germer, vom 4. Mai 1260 und das des Dietrich von Raven aus dem Jahre 1268 (Urkk. 8656. 1138): beide Testatoren bestimmen Vermächtnisse für sämtliche Kirchen, Klöster und Hospitäler Rostocks, auch für das vor der Stadt gelegene St. Georgshospital; die St. Clementiskirche wird aber nicht erwähnt. Nach ihrer Lage zu urteilen, wird sie für die christliche Bevölkerung unter den Wenden errichtet worden sein. Man hat es für wahrscheinlich gehalten, dass die Normannen die Verehrung des heiligen Clemens nach Rostock gebracht haben, indem man, gestützt aus E. v. Kirchberg, es für unzweifelhaft hielt, dass Woizlava, die Gemahlin des Pribislav, eine norwegische Königstochter war (vgl. Lisch u. Mann a. a. O., S. 10. 48) Die Unglaubwürdigkeit dieser Nachricht hat aber bereits Wigger (Bischof Berno S. 132 flg.) dargetan und damit fällt auch Alles, was man auf sie gestützt hat. Liegt es nicht, soweit es sich um den Namen Clemens handelt, viel näher, daran zu denken, dass man sich bei Gründung der ersten wendischen Kirche für den h. Clemens entschieden hat, da sie zur Zeit des Fürsten Nicolaus vermutlich unter dem Papst Clemens III. (1187—1191) gegründet wurde?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahre 1300