Regierung Waldemars. Entwicklung der lokalen Verhältnisse, der Straßen, Märkte usw

Waldemar begann seine Regierungstätigkeit damit, dass er im Jahre 1266 einen von seinem Vater beim Bramower Tore (jetzt grünes Tor) zum Zwecke der Erbauung einer Burg errichteten Wall gänzlich abtragen ließ*), mit der Bestimmung, dass dieses Befestigungswerk vor dem Bramower Tore nie wieder aufgeführt werden sollte. Man hat bisher dafür gehalten, dass die Fürsten frühzeitig die alte Burg bei St. Peter verlassen und eine neue, am jetzt sogenannten Burgwall errichtete, bezogen haben, wofür aber kein Beweis beizubringen ist. Waldemar musste sich begnügen, nach dem Jahr 1266 innerhalb der Stadt unweit des Bramower Tores einen unbefestigten Fürstenhof zu erbauen, wie ein solcher in Wismar, aber auch schon in Rostock selbst bestand, der fortab „der alte Fürstenhof“ genannt wurde und vielleicht bei der Marienkirche auf dem Wall lag, den man in jener Zeit den Burgwall bei St. Marien zum Unterschiede von dem bei St. Petri gelegenen genannt haben würde, wenn dort je eine fürstliche Burg gelegen hätte. Waldemar III. mochte gehofft haben, dass die Bürger, die er sich durch die Schenkungen und Übertragungen vom 12. Okt. 1264 zu wohlwollender Gesinnung verpflichtet zu haben glaubte, zum Beweise derselben der Errichtung einer Burg nichts in den Weg legen würden. Was die Bürger im Jahre 1266 verweigerten, werden sie überhaupt seit dem Jahre 1252 verweigert haben, da ihnen Borwin das Stadtrecht für die Markscheide übertrug**).

*) Urk. 1096; am 27. Okt., „vallem apud portam Bramow a dilecto patre nostro ad castrum edificandum inchoatam.“ Im Jahre 1280 verkauft Adelheid Halshagen ihr Erbe in vallo castri apud portam Bramow. Vgl. Lisch u. Mann a. a. O., 49.


**) Volumus insuper, ut in omnibus terminis suis, qui vulgariter markescedhe vocatur, iure gaudeant civitatis (Urk. 686). Von dem großen Brand, im Anfange der sechziger Jahre, der fast die halbe Stadt zu Grunde richtete, waren die Burg Borwins und die Marienkirche nicht berührt worden ; vgl. S. 16. Anm. 3. Man hat sich auf diese Stelle gestützt (Lisch u. Mann S. 49) um zu erweisen, dass diese die auf dem Burgwall bei St. Marien gelegene Burg gewesen sei; dagegen spricht aber 1) dass die alte Burg, das castrum bei St. Peter, noch in den Jahren 1265 und 1274 als bestehend genannt wird, vgl. S. 5 Anm., so dass entweder, wenn wirklich zur Zeit kurz nach dem Brande zwei Burgen bestanden, Kirchberg Irrtümliches berichtete, oder andernfalls die Burg Borwins nur die alte Burg sein kann; 2) spricht dagegen, dass, wie bereits hervorgehoben, die Urkunden der obigen Annahme gar keinen Anhalt geben. Sollte Borwin schon vor dem Jahre 1252 eine neue Fürstenburg errichtet haben, wozu er in dieser Zeit noch ein Recht besaß, so wird er sie, wie natürlich, an das Ende der Mittelstadt, in die mittlere Gegend des heiligen Burgwall verlegt haben, aber gerade diese wird in den Stadttuch-Eintragungen von 1270 bis 1288 (Fol. 35a, angefühlt bei Lisch und Mann S. 19; aber vom Urkb. nicht aufgenommen) nur vallum, nicht vallum castri genannt. — Die seit dem Jahr 1277 auftretenden urkundlichen Erwähnungen des von Waldemar erbauten Fürstenhofes unweit des Bramower Tores sind bereits bei Lisch u. Mann S. 50 und in der Note zu Urk. 1422 zusammengestellt, im Gegensatz zu diesem Fürstenhofe wird im Jahre 1315 (Urk. 3732) eine curia antiqua domini Magnopolensis erwähnt, die vermutlich auf dem vallum bei der Marienkirche gelegen hat und nach dem Jahr 1252 entstanden ist. Als im Juni 1265 Rat und Gemeinde Gericht und Rat nach dem Neumarkt verlegten, beschloss Borwin, in seiner Fürstenburg mehr und mehr von der Bürgerschaft eingeengt, seinen Sitz an das äußerste Ende der Stadt, nach dem Bramower Tor zu verlegen und machte den missglückten Versuch, eine neue Burg zu errichten. — Im Jahr 1268 wird eine Baustelle erwähnt, auf der die Lüttekenborg gestanden hat (Urk. 1139), sie wird auf der Altstadt gelegen haben, da hier die an dieser Stelle genannten Rabenow ansässig waren, die alte Fürstenburg kann sie aber nicht gewesen sein, da diese noch bestand.


Es ist bei dieser Gelegenheit von Interesse, den Aufschwung zu verfolgen, in dem Rostock fortwährend begriffen ist; wir sehen wie die Stadt mit wachsendem Ansehen und zunehmender Bedeutung nach außen hin in staunenswerter Geschwindigkeit auch an Umfang und Größe zunimmt. Erst nachdem Borwin I. im Jahre 1218 durch Gründung der städtischen Verfassung alle Kräfte zur Weiterentwicklung der Stadt in Bewegung gesetzt hatte, ging man ernstlich daran, die Neustadt zu bauen; Haus reihte sich an Haus, aus Häusern wurden Straßen, so dass bei der Lebhaftigkeit der herrschenden Baulust und des Gewerbefleißes schon im Jahre 1266, also nach kaum 50 Jahren, die Stadt in ihren Grundzügen, mit Haupt- und Strandstraßen, mit ihren Märkten in dem Umfange und mit dem Weichbilde fertig dasteht, wie sie noch jetzt vorhanden ist. Freilich mochten noch nicht alle Bauplätze besetzt und ausgefüllt sein, auch wurde der Raum nicht so dicht bebaut wie später, aber das eigentliche Straßennetz liegt vollendet vor uns.

Einen Hauptanhalt für den damaligen Umfang der Stadt gewährt uns die Nachricht von dem Vorhandensein des Bramower Tores im Jahr 1266, das überdies jedenfalls eine Reihe von Jahren gestanden hatte, wenn schon der Vater Waldemars Hand anlegte, dasselbe durch Bollwerke und Wälle zu befestigen. Dieses Bramower Tor bezeichnet noch jetzt die äußerste Ausdehnung der Stadt nach Westen, wenn man die Vorstädte abrechnet, die jedoch auch schon in gewissem Maße vorhanden waren. Denn wenn vor dem Kröpeliner Tore Mühlen lagen, so fehlten doch auch nicht andere industrielle Gebäude wie z. B. Ziegelhöfe*), Speicher, Mühlen; jedenfalls waren auch Wohnhäuser in der Nähe, so dass das Ganze schon damals den Namen einer Vorstadt verdiente. Das Kröpeliner Tor wird zuerst im Jahre 1280 genannt und hatte damals ohne Zweifel schon eine geraume Zeit gestanden. Das Steintor, die Ausdehnung nach Süden bezeichnend, war im Jahre 1274 vorhanden, zwar wird in dieser Urkunde nur das „alte Steintor“, am Herrenstall bei der Grube gelegen, erwähnt, aber wenn man von einem alten Steintor reden konnte, so mußte noch ein zweites existieren, und ist die Annahme berechtigt, dass dieses an dem Platze des jetzigen stand. Der vor demselben gelegene Rosengarten bestand schon vor dem Jahre 1288. In den neunziger Jahren wird das Schwaansche Tor erwähnt, desgleichen die Porta super quatuor rotas, welche, vereinfacht, schon im Jahre 1302 das Mühlentor heißt. Bereits im Jahre 1265 hatte Rostock seine drei Hauptmärkte: den alten Markt bei der Petrikirche, den neuen Markt bei der Marienkirche, auch Mittelmarkt (forum medium) genannt und endlich den Hopfenmarkt, forum lupuli oder humuli, auch Pferdemarkt, forum equorum genannt. Diese Notizen über die Rostocker Märkte schöpfen wir aus der wichtigen Urkunde vom 29. Juni 1265. Aus derselben ersehen wir zugleich, dass um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts die Neustadt der Altstadt gegenüber zu prävalieren begann, indem Handel und Wandel sich mehr in den neu angebauten Teilen der Stadt konzentrierte. Diese Erscheinung ist als Hauptmotiv zu dem Schritte zu betrachten, den der Not im Jahre 1265 tat, dass er, nachdem Fürst Borwin mit seinen Söhnen auf den Rat seines Bruders des Herrn Nicolaus von Werle und Heinrich des Jüngeren, Herrn von Mecklenburg bereits am 18. Juni 1262, vermutlich in Folge des Stadtbrandes, verordnet hatte, dass nur ein Rat und ein Gericht sein sollte, den Sitz des Gerichtes vom alten Markte, wo das frühere Rathaus stand*), nach dem neuen Markte verlegte. Zugleich wurde die Verkaufstelle des Hopfens vom alten Markte nach dem forum in parrochia Sancti Jacobi, nach dem heutigen Hopfenmarkt verlegt. Wichtig ist in der angeführten Urkunde noch die Bestimmung über die Aufbewahrung der Stadtprivilegien am alten Markte*), wahrscheinlich in dem nun verlassenen alten Rathause. Man mochte es der Altstadt als eine historische Berechtigung zuerkennen, das Stadtarchiv mit den Freiheitsbriefen und Privilegien zu behalten. Auf dem Mittelmarkte oder dem neuen Markte wurden die Wochenmärkte abgehalten, hier war der Zentralpunkt des Verkehrs: Kaufleute, Bäcker schlugen dort ihre Kauf- und Schaubuden auf**), auch die Fleischer hatten schon ihre Scharren in der Nähe des Mittelmarktes***).

*) Arbitrati sumus insuper, ut privilegia ciuitatis in parrochia sancti Petri in loco tuto sub custodia trium camerariorum reseruentur. Dass auch die Mittelstadt ihr eigenes Rathaus hatte (Lisch u. Mann S. 19) ist nicht zu erweisen.
**) Urk. 1447. Verordnung über die Verlosung der Kaufbuden.
***) Urkk. 1319. 2673 n., beide sind im Sachregister unberücksichtigt geblieben.


Über die Entstehung der einzelnen Straßen, wie über deren Alter lassen sich aus einzelnen Notizen zureichende Angaben machen. Die Erwähnung des Bramower Tores bedingt das Vorhandensein der „langen Straße“*) in ihrer ganzen Ausdehnung von der Grube an. Unter den von der langen Straße abwärts gehenden Strandstraßen wird die Lagerstraße zuerst im Jahr 1266, die Mönchenstraße im Jahre 1270, platea Monachorum oder Monekenstrate, auch Monescstrate genannt. Die Wokrentenstraße 1281, die Schnickmannsstraße 1288; ob die Eselpföterstraße bis zum Jahr 1300 schon unter diesem Namen dagewesen ist, lässt sich nicht nachweisen, obwohl die Familie der Eselesvot, Eselfoot, Eselesphot schon um das Jahr 1285 vorkommt. Die jetzt sogenannte „Harte Straße“ (eigentlich „Hirschstraße“, platea, Cervi) finden wir ebenfalls um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts. Heinrich vom Hart (Hirsch) ein Glied der Familie de Cervo, von der die Straße ihren Namen erhalten hat, legte auch, zunächst zu seiner persönlichen Bequemlichkeit, die kleine Querstraße an, die noch jetzt die Verbindung der Harten Straße mit der Fischbank bildet. Es ist dies eine bemerkenswerte, in den Annalen anderer Städte wohl kaum in dem Maße vorhandene Erscheinung, dass eine ganze Reihe von Straßen bei ihrer Entstehung den Namen hervorragender und um die Stadt verdienter Familien wie der Coßfelder, Wokrenter, Schnickmanns, Lagestraten, Eselpfoter, der von Hirsch u. A. angenommen haben**).

Die vier Hauptkirchen zu St. Petri, St. Nicolai, St. Maria und St. Jakobi waren im dreizehnten Jahrhundert nicht minder wie in unseren Tagen die Hauptzierden der Stadt. Genaue Angaben über das Alter und das Erbauungsjahr der einzelnen Kirchen lassen sich nicht geben. In den Urkunden wird die Marienkirche zuerst erwähnt im Jahre 1232, dann die Petrikirche im Jahre 1252 und alle vier Hauptkirchen zusammen im Jahre 1260***).

*) Im Jahr 1306 wird sie noch „platea Bramowe“, im Jahr 1309 „Longa platea“ genannt. Urk. 1521 n.
**) Vgl. S. 10 Anm. 3 Unter „Coßfelder-Straße“ fehlt im Ortsregister. Nr. 2385. – Vgl. Lisch u. Mann a. a. O. 16. 18. Die nach Gewerben benannten Straßen (Weißgärber-, Krämer-, Hutfilter-, Bäckerstraße) liegen in der Altstadt zunächst gelegenen Teil der Mittelstadt, und in der Altstadt. Genannt finden sich in diesem Jahrhundert nur: die Böttcherstraße (platea bodecarioorum) Küter (Schlächter-) Bruch (palus fartorum).
***) Urkk. 398. 686. 865. Das die älteste Geschichte der 4 Parochialkirchen Rostocks. – Der 1246 Febr. 19 (Urk. 591) genannte Johannes Plebanus in Rozstoch ist jedenfalls der 1252 (Urk. 686) genannte Pfarrer Johannes zu St. Peter. Trotz dieser späten urkundlichen Erwähnungen spricht doch für das Vorhandensein von Kirchen im letzten Viertel des 12. Jahrh. der Umstand, dass der bereits in diesem Jahre hervorragende dem Kloster Doberan benachbarte Handelsort christlich-germanischer Bevölkerung (vgl. S. 4) ohne Gotteshäuser nicht gedacht werden kann.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahre 1300