Notizen über die Rostocker Mühlenverhältnisse

Über die Rostocker Mühlenverhältnisse sind uns mannigfache Notizen erhalten. Am sogenannten Mühlendamm (die Lage desselben scheint bis auf den heutigen Tag nicht wesentlich verändert zu sein) lag eine ganze Reihe von Mühlen, wir finden zahlreiche Kaufverträge und Pfandverschreibungen über verschiedene derselben in den Urkunden, außerdem lagen mehrere Kornspeicher (granaria) am Mühlendamm. Ein anderer Hauptsammelplatz für Mühlen war vor dem Kröpeliner Tore, dort lag die Pfeffermühle (Pepermole), die Konenmühle, die Mühle bei dem Judenkirchhof, zeitweise nach ihrem Besitzer Baumannsmühle genannt, seit dem Jahre 1301 im Besitz des Johannes Vöge*) und andere.

*) Urk. 1626; im Jahre 1284 gewann Bumann nur einen halben Anteil an der Mühle, da er aber im Jahre 1301 die ganze Mühle verkaufte, wird die im Jahre 1300 genannte Bumansmole (Urk. 2590) wohl die obige sein. — Vor dem Bramower Tor hatte Lambert eine Mühle, die er 1293 dem h. Geist-Hospitale verkaufte. Urk. 2229.


Ob im dreizehnten Jahrhundert schon Windmühlen bei Rostock vorhanden gewesen sind, ist nicht wahrscheinlich, weil man auf allen Seiten Wasser genug zur günstigen Anlage und zum Betriebe der Mühlen hatte; auch lässt die Notiz, die wir oft finden, molendinum duarum rotarum, ja selbst ein molendinum quatuor rotarum nur auf Wassermühlen schließen; Windmühlen, molendina quae vento reguntur, und Pferdemühleu, mol. quae equis circumducuntur, finden wir überhaupt erst gegen Ende des Jahrhunderts.

Wie Borwin I. seinen herangewachsenen Sohn zum Mitregenten erhoben hatte, weniger um sich selbst die Mühen der Regierung zu erleichtern, als um den jungen Borwin II. in der Schule seiner eigenen reichen Erfahrung heranzubilden, wie dann dieser wiederum seine Söhne zur Regierung heranzog, so übertrug auch Borwin III. im Jahre 1266 seinem Sohne Waldemar den größten Teil der Regierungsgeschäfte*). Nach vierzigjähriger Regierung scheint sich Borwin III. im Jahre 1266 ganz zurückgezogen zu haben, nur tritt er noch einmal im November des Jahres 1276 zusammen mit seinem Sohne als dominus de Rostoc auf. In dieser Urkunde, vom 11. November, verleihen die beiden Fürsten den Geistlichen des Landes Rostock das Recht der Testamentserrichtung und verheißen zur Ausführung der testamentarischen Bestimmungen ihren Schutz, um das Vermögen der Verstorbenen gegen Willkür und Usurpation sicher zu stellen; zugleich wird den Geistlichen das Recht des Gnadenjahres zuerkannt, und zwar so, dass die Einkünfte ihrer Stelle zur Deckung der hinterlassenen Schulden nach wie vor dem Vermögen zustießen. Dieselbe Verleihung ist an demselben Tage noch einmal von Waldemar als dominus de Rostoc ausgestellt worden. Zunächst wäre man versucht, die Waldemarsche Urkunde als eine Bestätigung und Erneuerung des von Borwin III. erlassenen Privilegiums aufzufassen, so wie etwa die Söhne Borwin II. die von ihrem Vater dem Kloster Doberan verliehenen Freiheiten bestätigten. Unterzieht man indes die beiden Urkunden einer näheren Vergleichung, so sieht man zwar, dass die Waldemarsche Urkunde dem Inhalte nach ein reines Exzerpt aus der vorausgehenden ist, auch der Form nach merkwürdige Assonanzen aufzuweisen hat, dennoch aber wird man bald folgende Anhaltspunkte gewinnen, die zur Aufklärung dieser Verhältnisse fuhren können:

1) die Verordnungen der Urkunde 1411 gelten den Klerikern in nostro districtu videlicet Rostoc et ubilibet ecclesiastica beneficia obtinentibus, die Bestimmungen der Urkunde 1412 den clericis in nostro dominio ecclesiastica beneficia obtinentibus. Der districtus Rostochiensis ist ein allgemeinerer Begriff als das dominium Rostochiense; unter dem districtus R. sind die Lande Rostock zu verstehen, alles Gebiet, welches die Fürsten teils zu Lehn genommen, teils sonst zu eigen hatten, und die Stadt Rostock dominium nostrum mit dem Stadt- und Kämmereigebiete bleibt ausgenommen; zu dem districtus gehören die Klöster und Kirchen, welche die Fürsten gestiftet oder dotiert hatten und die in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse zu ihnen standen, wie z. B. Dargun, Doberan, Bützow u. a.;

2) in der Urk. 1411 ist ausdrücklich hingewiesen auf eine von Seiten des Schweriner Bischofs zu erwartende Bestätigung cujus ad hoc auctoritas potissimum requirenda! wie diese Bestätigung des Bischof Hermann von Schwerin ja auch nicht auf sich warten ließ*). In Urkunde 1412 findet sich jedoch keine Insinuierung dieser Art, darum bezieht sich dieselbe nur auf die Kirchenverhältnisse der Stadt Rostock und des unmittelbaren Stadtgebietes, welches dominium Waldemar bei Lebzeiten seines Vaters selbstständig verwaltete;

3) in Urk. 1411 heißt es: „Wer vom Teufel getrieben diese Satzungen verletzt, gegen den soll der Schweriner Bischof mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln (d. h. dem Banne) verfahren.“ In 1412: „Wer gegen diese Privilegien verstößt, der wisse, dass er den Fluch Gottes auf sich geladen und von Unserm fürstlichen Zorne harte Strafe zu gewärtigen hat“;

4) die Zeugenregister stimmen in beiden Urkunden wörtlich überein, nur dass in Urk. 1412 außer den in Urk. 1411 aufgeführten Zeugen noch die Pfarrer der drei Rostocker Hauptkirchen als Zeugen auftreten, zusammen mit den Geistlichen der Kirchen zu Kröpelin, Ribnitz und Sülz, weil hier die speziellen Interessen der Geistlichen in Rostock, dem Stadtgebiete, sowie in den Klöstern und Stiftungen berührt werden, die unter dem Patronate Waldemars stehen und zu seinem Dominium d. h. seinem Regierungskrise gehören, wie Kröpelin, Ribnitz, Sülz und Neu-Kalen.

Diese vier Beweisgründe sprechen augenscheinlich genug dafür, dass die Urk. 1412 nicht als leere und rein formelle Wiederholung der Urk. 1411 anzusehen ist, vielmehr durch das verschiedenartige Verhältnis bedingt ist, in welchem die Kirchenverwaltung des districtus und des dominium zu der Autorität des Schweriner Bischofs stand.

Die Urkunde 1411 ist zugleich das letzte Lebenszeichen, welches wir von Borwin III. besitzen, seitdem verlieren wir ihn ganz aus den Augen, so dass wir auch sein Todesjahr nicht mit voller Bestimmtheit angeben können; jedenfalls ist er vor seinem Sohne in der Zeit von 1278—1280 gestorben*).

*) Am 2. Dez. 1277 lebte er noch, da er sein Siegel von Waldemar an die an diesem Tage von ihm gegebene Urkunde anhängen ließ. Urt. 1444. In der Urk. vom 4. April 1278 tat er das nicht mehr und auch weiterhin nicht. Innerhalb dieser Zeit wird Borwin gestorben sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahre 1300