Juden in Rostock

Der Reichstag des Norddeutschen Bundes, der im Jahr 1867 den Juden auch die Tore Rostocks erschloss, hat sie eigentlich nur dahin zurückgeführt, denn im 13. Jahrhundert waren sie bereits, allerdings unter schweren Beschränkungen, jedoch auch vom Rate gegen Willkür gesichert, in Rostock angesessen. Um das Jahr 1270 liegt für die Ansässigkeit eines Juden in Rostock das erste Zeugnis vor. Im Jahr 1279 überließ die Stadt den Juden gegen einen jährlichen Zins von 1 Mark einen Begräbnisplatz vor dem Kröpeliner Tor*). Es ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Juden noch nicht lange vor dem Jahre 1279 in Rostock gewesen sind, da ein eigener Begräbnisplatz, sobald sie auch nur in geringer Anzahl auftraten, unbedingt erforderlich war, zumal in jener Zeit, wo man sich mit ganz besonderer Vorsicht von dem verachtetsten aller Stämme absperrte. Welche beschränkte Rechtsstellung die Juden einnahmen, zeigen folgende Bestimmungen. Wollte sich ein Jude in Rostock niederlassen, so musste er vorher die besondere Erlaubnis des Landesherrn dazu erhalten haben; es wurde ihm dann eine auf bestimmte Jahre geltende Duldungsfrist gesetzt, die er noch durch Geld und Abgaben aufwiegen musste; war diese Frist abgelaufen und konnte er sich mit der Regierung nicht über ein neues Duldungsprivileg einigen, so musste er abziehen und konnte nur, wenn er in Besitz eines Schutzbriefes war, sein erworbenes Hab und Gut mitnehmen. Eine andere Beurkundung zeigt, dass die Juden auch nur ein beschränktes Eigentumsrecht besaßen, indem sie keine liegenden Gründe, Häuser etc. im eigentlichen Sinn besitzen durften, so dass sie dieselben hätten wieder verkaufen oder nach Belieben darüber verfügen können; in ihren Häusern durften sie nur auf spezielle Erlaubnis wohnen bleiben, und in vielen anderen Dingen waren sie immer derselben Bevormundung unterworfen.

*) Urk. 1508. Über die Lage dieses Kirchhofes s. die gründlichen Nachweise zu Urk. 1626. Die in Urk. 1508 vorhandene Variante: quamdiu secundum voluntatem civitatis fuerint, gibt zwar einen ganz guten Sinn „so lange sie, nämlich die Juden (in Rostock), nach dem Willen der Stadt seien, d. h. geduldet werden“, aber nach Analogie des zweimal in Urk. 1684 vorkommenden: „quamdiu in voluntate fuerit civitatis“ ist fuerit vorzuziehen. Der Sinn ist: „die Juden sollen den Kirchhof behalten, so lange es der Stadt gefällt.


Dennoch war diese überaus drückende Lage nicht im Stande, den Juden den Aufenthalt zu verleiden. Schon im 13. Jahrhundert bilden auch in Rostock, wie in ganz Deutschland die Juden die Seele des Geldmarktes. Ich glaube, es hat in Rostock in der Zeit, welche wir behandeln, keinen reicheren und zuverlässigeren Bankier gegeben, als den gräflich schwerinschen Juden Salathiel. Dieser Jude kommt zuerst im Jahr 1283 vor, 1288 ist er nicht mehr in Rostock*). Während dieses seines Aufenthaltes (1283-1288) vergeht kein Jahr, dass der Rostocker Rat sich nicht genötigt sieht, mit schweren Anleihen bei diesem Juden einzufallen und zwar so, dass die alten Schulden noch stehen bleiben auf Zinses-Zins, während schon neue gemacht werden; ja, ihm werden sogar Exspectanzen auf die nächsten Schoß- und Steuerhebungen gegeben. So stand diesem von allen Seiten hart gedrückten Manne dennoch der größte Einfluss zu Gebote. — Judenverfolgungen haben in Rostock bis 1300 nicht stattgefunden.

*) Urk. 1981. Johann Muter verkauft das ehemals dem Juden Salathiel gehörige Haus.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahre 1300