Hopfenbau und Brauereiverhältnisse

Die Rostocker Cerevisia hat eine große historische Vergangenheit und Bedeutung. Wenngleich wir noch nicht in der Zeit stehen, wo Rostock 250 Brauereien aufzuweisen hatte, in denen jährlich 250.000 Tonnen Bier produziert wurden, wo das Rostocker Bier unter den Bieren den Rang einnahm, wie der Rheinwein unter den Weinen, wie Lindeberg im 16. Jahrhundert rühmend berichtet, so ist es dennoch nicht ohne Interesse, uns ans den freilich vereinzelten urkundlichen Notizen ein Bild der damaligen Brauerei- und Bierverhaltnisse, der Hopfenkultur usw. zu entwerfen.

Der Hopfenbau wurde von Mitte des 13. Jahrhunderts an auf das Eifrigste in Rostock getrieben und gepflegt. In Rostock*) wurden von städtischem Grund und Boden ganze Felder und Äcker den Bürgern eigens zum Zwecke des Hopfenbaues ad excolendum humulum auf Grundzins und Erbpacht verliehen. So wurde das „Wendische Wik“ mit Hopfen angebaut. Außerdem zogen sich Hopfengärten rings um die Stadt; es kommt im Jahre 1288 ein Hopfengarten ortus humuli beim Rosengarten vor, ferner ein Hopfengarten, der nach meinem Dafürhalten in der Gegend des jetzigen Hädge'schen Gartens gelegen haben muss. Eine in derselben Urkunde enthaltene Andeutung kann uns über eine verkehrte Anschauung, mit der man vielleicht von vornherein an diese Verhältnisse herangeht, hinweghelfen. Es gibt nämlich in dieser Zeit noch keine solche Brauereien, die für den Bierbedarf der Stadt, der einzelnen Bürgerfamilien, für Gast- und Wirtshäuser sorgen, keine Bierbrauer von Profession, die certi zythepsi, wie Lindeberg sie nennt, finden sich noch gar nicht. Sondern wie der Goldschmied Johannes seinen Hopfengarten hattet, also auch für den Bedarf seiner Familie und seines Hausgesindes an Bier selbst Sorge trug, so hatte jeder Haushalt seine vollständige Braueinrichtung, Gast- und Schankwirte brauten sich ihr Bier selbst. Wir sehen dies zum Überfluss aus einer Urkunde, in welcher die Frau eines Schusters testamentarische Bestimmungen trifft über Haus, Inventarium, Vieh, Kleider und schließlich über die Braugerätschaften (omnia braxatoria). Es herrschte also damals dieselbe Sitte, der wir noch heute auf dem platten Lande begegnen, wo der Bauer das Bier aus reinem Hopfen und Malz noch selber braut, obwohl diese alte Sitte schon stark im Schwinden begriffen ist. — Wie beschränkt nun der Verkauf und Umsatz des Bieres, so ausgedehnt ist auf der andern Seite der Handel mit Hopfen, da sich natürlich nicht jede Familie einen Hopfengarten kultivieren konnte. Da gab es nun Hopfengärtner oder Hopfenbauer, humularii, die ganze Felder und Strecken mit Hopfen bepflanzten und die gewonnene Frucht zu Markte brachten, ja selbst nach Lübeck und anderswohin exportierten. Im Jahr 1275 erließ der Rostocker Rat unter anderen Marktverordnungen auch Bestimmungen über den Hopfenverkauf: jeder Hopfenbauer (quicunque voluerit humulum vendere assidue) sollte ein Fass (dolium) am Hopfenmarkte zum Verkaufsbetriebe seiner Ware stehen haben, von jedem Hopfenfasse am Markte wurde jedes Jahr eine Mark Steuer erhoben.


*) Für Wismar finden sich frühere Nachrichten über den Hopfenbau als für Rostock; in der Zeit von 1250-1260. Urkk. 665. 854.

Aus der im Geldbußenregister erhaltenen Überlieferung, dass mehrere Leute wegen verbotenen Hopfenkaufes in Strafe genommen werden, ist zu schließen, dass der Hopfenverkauf entweder auf gewisse Tageszeit oder auf bestimmte Markttage beschränkt war; auch führt das genannte Register die Verurteilung eines Bürgers auf, weil derselbe in der Nacht gebraut hatte, quod braxavit nocte! — Hopfen und Malz, besonders letzteres, spielt eine große Rolle in Naturalleistungen an Klöster, Geistliche, in fürstlichen und geistlichen Präbenden. Im Jahre 1270 vermachte eine Wittwe dem heiligen Geist-Hause eine ewige Mühlenhebung von 1/2 Last Hafermalz (bracium avenacium); im Jahre 1233 verkaufen die Söhne Waldemars mit ihrer Mutter Agnes eine Mühle mit Vorbehalt eines jährlichen Zinses von 2 Last Hafermalz und 2 Last Gerstenmalz (bracium ordeacium); auch machte man Stiftungen zu Seelenmessen in Bier, jedoch musste bei solchen Gelegenheiten melior cerevisia angewandt werden.

Im Jahre 1267 erteilte Waldemar den Lübeckern Freiheit von Zoll und Steuern in seinen Landen. Dieser Freiheitsbrief ist als eine Bestätigung und Erneuerung des im Jahre 1226 von seinem Vater und dessen Brüdern verliehenen anzusehen. Wie die Lübecker in Rostock, so genossen auch die Rostocker der unumschränkten Zollfreiheit in den Lübeckischen Landen, wie dasselbe zuerst in der Lübeckischen Zollrolle*) proklamiert war. Die Entstehung dieser Lübeckischen Zollrolle, die nicht auf ein bestimmtes Jahr angegeben und allgemein in die Jahre 1220—1226 verlegt wird, fällt jedenfalls in das Jahr 1225, wenn nicht 1226, da die Urkunde vom 15. Febr. dieses Jahres als unmittelbare Antwort auf jenes Statut anzusehen ist, und beide Aktenstücke unmöglich auf fünf oder sechs Jahre auseinander liegen können. Dieses zwischen Lübeck und Rostock bestehende friedliche Verhältnis; des gegenseitigen Entgegenkommens suchte Waldemar auf alle Weise aufrecht zu erhalten und zu befestigen, wie er denn in seiner Regierung höchst liberalen Grundsätzen folgte, den Rostockern in keiner Weise Freiheiten und Privilegien vorenthielt, die freie Entwicklung der Stadt überall zu befördern suchte; er selbst spricht diesen seinen Grundsatz offen aus in der Verleihung an die Lübecker vom Jahre 1276**): „Cum hominem ab initio sue creationis liberum natura formaverit, dare libertatem esse credimus officii pietatis.“ In demselben Sinne und von derselben Absicht geleitet (ad communem utilitatem civitatis) trat Waldemar, nachdem er am 11. Dezember 1275 mit Einwilligung seines Vaters Borwin der Stadt das Dorf Nemezow, den jenseits der Zingel liegenden Teil der Kröpelinertorvorstadt mit der Feldmark Lipe vor dem Steintor mit der Befugnis verkauft hatte, die Bauern darin zu legen***), im Jahre 1278 am 21. Dezember der Stadt Rostock das Gebiet****) ab, auf welchem seine Festung, die Hundsburg gestanden hatte, mit der Bestimmung, nach Belieben über dies bleibende Eigentum zu verfügen, jedoch keine Befestigungen wieder aufzuführen; er selbst verspricht für sich und seine Nachkommen, dass innerhalb einer slavischen Meile von Warnemünde aufwärts keine Burg oder irgend eine andere, den Verkehr hemmende oder beeinträchtigende Befestigung errichtet werden sollte. Den Bürgern lag sehr daran, die fürstlichen Burgen, besonders wenn dieselben an der Warnow oder am Hafen lagen, aus ihrer Nähe verschwinden zu sehen, denn sie wurden nicht selten von den auf den Kastellen eingesetzten Burgherren in arger Weise belästigt und geschädigt, wie beispielsweise von Nicolaus Glöde, den der Rat proscribierte, weil er den Rostocker Bürger Tidemann Hecht, als er in Kessin auf die Vogelbeize ging, gefangen nahm und auf die Hundesburg bringen ließ, auch den Hermann Lange verwundete*****).

*) Urk. 273, vgl. Anm. im Urkb. d. Stadt Lübeck I, S. 38. 39.
**) Urk. 1125. — In der Anmerkung muss es heißen: Landesfürst in Rostock Nr. 7, nicht Nr. 6.
***) Urk. 1381; vgl. Lisch u. Mann a. n. O., 26.
****) Urk. 1574. Nach der Inhaltsangabe, welche der Urk. 1474 vorangestellt ist, gewinnt es den Anschein, als ob Waldemar den Rostockern die noch vorhandene Burg verkauft habe. Aus dem Wortlaute der Urkunde geht aber hervor, dass Waldemar nur den Platz der früheren Burg ,,fundum castri nostri“ abgetreten hat. Die Burg selbst war also schon untergegangen, resp. niedergerissen. Hierfür spricht auch die weitere Bestimmung, „dass die Rostocker dieselbe nicht wieder aufbauen sollen“ absque structura alicujus municionis. Im Jahr 1270 bestand die Burg noch, vgl. Urk. 1198.
*****) Urk. 1152, aus den Jahren 1268-1270; Lisch u. Mann a. a. O. S. 50


Über die Lage der Hundesburg lässt sich nur so viel feststellen, dass sie am Ufer der Warnow lag und, mit einer Besatzung versehen, ursprünglich zum Schutze und zur Befestigung des Hafens diente, ob sie unmittelbar am Ausflusse der Warnow stand, oder an der Stelle, wo sich die Einfahrt aus dem Breitling in den plötzlich sich verengenden Fluss befindet, ist zwar nicht sicher zu entscheiden, es scheint jedoch das Letztere wahrscheinlicher zu sein, sowie die Natur des ganzen Terrains mehr den Vorstellungen, zu entsprechen, die man sich von der Lage solcher Burgen zu machen berechtigt ist.

Waldemar, Fürst von Rostock, starb am 9. November des Jahres 1282.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahre 1300