Erweiterung der Stadtrechte durch die Privilegien der Jahre 1252 und 1284.

Im Jahre 1252 erließ Borwin III., Fürst von Rostock, mit Bestätigung und auf Grund des ersten Rostocker Stadtprivilegiums vom Jahre 1218 einen neuen Freiheitsbrief. Die von seinem Großvater ausgestellte Urkunde ist wörtlich wiederholt; die Lübecksche Gerichts- und Rechtsverfassung soll in ihrer vollen Integrität bestehen bleiben. Dann tritt Borwin III. der Stadt zur Vergrößerung ihres Territorialbestandes die Rostocker Haide kaufweise ab, jedoch mit dem Vorbehalt der Schweinemast, und 8 Hufen beim Zarnezstrom*) ausgenommen, welche dem Doberaner Kloster verliehen sind.

*) Der Zarnezstrom ist ein Bach, der bei dem Dorfe Willershagen vorbei in Richtung Gelbensande fließt, sich bei Klockenhagen zur Flussbreite erweitert und sich dann bei dem Ribnitzer Kämmerreidorf Köckwitz in den Ribnitzer Binnensee ergießt. – Unter dem Pons aquaticus (Urk. 686 proximus ecclessie santi Petri) ist die Brücke zu verstehen, welche unmittelbar vom Petritor über die Warnow führt, durch welche noch heute die Kommunikation mit dem Petridamme und dem platten Lande hergestellt ist. Im Ortsregister des Urkundenbuches fehlt die Angabe.


Über die Rostocker Haide und die in derselben gelegenen Ortschaften finden sich in der Verleihungs-Urkunde interessante Nachrichten und Angaben von Lokalverhältnissen. Die genannten Ortschaften, die also im Jahre 1252 Eigentum der Stadt wurden, sind noch jetzt ohne Ausnahme vorhanden. Das Gebiet, welches der Stadt abgetreten wurde, erstreckt sich von der villa Heinrici (Heinrichsdorf) bis zur indago*) Monachorum (Münchhagen) von da usque ad indaginem Volquiui (Volkenshagen), dann mit der Ribnitzer Landstraße als Scheide bis zu dem Orte, wo einst ein gewisser Wilhelm Vulebresme ermordet worden war; dann am Zarnezstrom bis an die Seeküste und dieselbe abwärts bis nach Warnemünde.

Ferner verzichtet Borwin auf seine Rechte an den im Hafen der Rostocker gestrandeten Schiffen, verheißt Schutz und Freiheit für Handel, Aus- und Einfuhr, bestätigt die Fischereigerechtigkeit auf der Unterwarnow und auf freier See und dehnt endlich die Stadtgerechtigkeit oder die Geltung des Rostocker Stadtrechtes auf das ganze innerhalb der Markscheide Rostocks gelegene Gebiet aus.

Aus der Bestimmung über das Strandrecht, welches Borwin I. im Jahre 1220 aufgehoben hatte, ersieht man, dass seine Nachkommen, weit entfernt diese Verordnung zu wahren, oder deren Übertretung auch nur zu conniviren, vielmehr das alte Recht wieder geltend gemacht hatten**). Obwohl nun Borwin III. auf dasselbe und zwar keineswegs mit Übertragung desselben auf die Stadt Rostock verzichtete***), war die Unsitte noch nicht entwurzelt, wenigstens hat Fürst Waldemar von Rostock den Lübeckern, als er ihnen am 17. Juli 1267 Befreiung von Zoll und Ungeld erteilte, in einem Zusatz ausdrücklich zugestanden, dass sie bei Schiffbrüchen an den Küsten seines Landes ihre Habe retten und behalten durften.

*) Indago, dem altdeutschen hagan und mittelhochdeutsch hagen entsprechend, bezeichnet ursprünglich einen Verhau, Gebüsch, namentlich Nadel- und Haidewaldung, wie sich in dieser ganzen Gegend bis Ribnitz und Damgarten hinauf eine ganze Reihe Dörfer mit dieser Namenbildung finden, wie Rövershagen, Willershagen, Klockenhagen, Volkenshagen, Vogethagen, Bartelshageu u. s. w. Über den Wilhelm Vulebresme, der in der Rostocker Haide erschlagen wurde, fehlen alle näheren Nachrichten. In einigen Dörfern in der Nähe von Ribnitz sind mehrere Familien mit dem Namen Wullenbreke vorhanden, z. B. in Willershagen; sollte dies nicht derselbe Name in einer durch die Jahrhunderte veränderten Gestalt sein?
**) In der Urkunde vom 2. Aug. 1220 erklärt Borwin: Igitur ne tam abhominanda consuetudo in posteros quasi hereditario iure radicem figat, ipsam radicitus decreuimus extirpari.
***) Am 4. November 1249 hatte Papst Innocenz IV. den Bischof und den Propst zu Ratzeburg aufgefordert, die Abschaffung des gegen Lübecker Kaufleute ausgeübte Standrechtes zu bewirken. ...

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahre 1300