Die Regierungstätigkeit der Söhne Heinrich Borwin I.

Was nun die Regierungstätigkeit der Söhne H. Borwin I. anbetrifft, so ließen sich dieselben besonders die Hebung und Begünstigung der geistlichen Stiftungen angelegen sein; das lebhafteste Interesse bewiesen sie für das Kloster Doberan, welches sie schon im Jahre 1219 mit den umfangreichsten Privilegien versahen und demselben Schutz für alle seine Besitzungen und Rechte zusagten. Schwer und drückend lastete auf den Fürsten die dänische Lehnspflicht; es mochte ihnen schwer werden, anstatt als freie Reichsfürsten unter dem römischen Kaiser zu stehen, nun dem oft mit großer Willkür und Rücksichtslosigkeit auftretenden Dänenkönige zu gehorchen, und zur äußeren Anerkennung der dänischen Oberhoheit ein „regnante Waldemaro Danorum rege“ an den Schluss urkundlicher Bestimmungen zu stellen, statt des späteren „regnante Friderico, glorioso Romanorum imperatore.“ Gleichwohl trugen die Beziehungen zum dänischen Reich dazu bei, die Aufnahme und das Wachstum der Stadt zu befördern, sowie die Handelsverbindungen zu erweitern. Auch an Umfang wuchs die Stadt; gerade in diesen ersten Dezennien des 13. Jahrhunderts gewann die Neustadt einen blühenden Aufschwung und fing an die Altstadt an Größe und Bedeutung zu überflügeln. Einzelne Familien zeichneten sich besonders dadurch aus, dass sie rüstig Hand ans Werk legten, von ihnen tragen noch heute die Koßfelder-, Wokrenter-, Schnickmanns-, Lagerstraße*) ihren Namen.

*) Erwähnt findet sich die Lagestrata zuerst 1266 April 5. – P. Lindebergii chron. 147: Lagestraden, Ab hac familia, (Lagestraten) in qua Lutbertus circa annum verbi incarnati 1280 ... claruit, vicus, quem ipse colo, ut eiusdem appelationis notio et annales (?) edocent, nomen suum induit. Lutbertus (Lubbert) de oder in Langentrata wird in dieser Zeit als Ratmann vielfach in den Urkunden genannt (vgl. Personenregister unter Lubbert). Auf die Familie Lage oder Lawe ist die Benennung der Straße schwerlich zurückzuführen, da keiner ihrer Vertreter als Bewohner der Lagerstraße genannt wird.


Mit großer Freude begrüßten Fürst und Stadt jenes Ereignis, die kühne Tat des Grafen Heinrich von Schwerin, der durch die Gefangennehmung des Königs Waldemar die dänische Lehnshoheit gewaltig erschüttert und zum großen Teil schon gebrochen hatte*) bis ihr durch den Tag von Bornhövd (22. Juli 1227) der Todesstoß gegeben wurde. Obgleich Borwin I. diesen Tag des Sieges nicht mehr erlebte (er starb schon am 28. Januar des Jahres 1227), so war es ihm doch vergönnt, die Befreiung aus der dänischen Abhängigkeit zu erleben und die alte Freiheit und Reichsunmittelbarkeit zu begrüßen. Dennoch sollte ihm, den ein langes Leben hindurch das Schicksal in so mannigfaltiger Weise geprüft hatte, noch der Abend seines Lebens durch Trauer und Unglück verbittert werden: seine beiden tatkräftigen Söhne Nicolaus und Heinrich Borwin II., die ihm Jahrelang tätig zur Seite gestanden, sanken vor ihm ins Grab, so dass er selbst noch einmal ein Jahr lang die Regierung in die Hand nehmen musste, unterstützt freilich von seinen Enkeln, den vier Söhnen Borwins II. Johannes, Borwin III., Nicolaus und Pribislav. Am 28. September des Jahres 1225 verlor Borwin I. seinen Sohn Nicolaus, der durch einen Unglücksfall, wahrscheinlich den Sturz mit dem Pferde, bei Gadebusch umkam**); im folgenden Jahre, 1226, am 5. Juni starb sein Sohn Borwin II., die treue Stütze seines Alters. Borwin I. selbst starb erst im folgenden Jahre 1227. am 28. Januar und wurde zu Doberan begraben. Ihm folgte aus der Zahl seiner oben genannten Enkel: Heinrich Borwin III.

*) Borwin unterlies nicht, dem wichtigen Ereignis urkundlichen Ausdruck zu geben; wiederholt findet sich nach der Datierung die Notiz: rege Danorum Woldemaro captiunato. 289. 299. – Vgl. E. Boll.
**) Urk. 316. – Doberaner Necrologium, Jahrb. I. 13; XIX, 358: cecidit in castro Gadebus et fractis ceruicibus expirauit. Kirchberg 765: Nycola der Fürste Junge, viel sich haben zu Gadehus, zu Tode mit dem Lugenhus.


Zwar ist das Jahr 1226 nicht angegeben, es lässt sich aber aus Urk. 336, d nachweisen, dass Borwin II. vor seinem Vater Borwin I. gestorben ist; denn es heißt ausdrücklich: Heinricus Borwinus I. sei im Jahr 1227 gestorben mit Hinterlassung, nicht seiner eigenen Söhne, sondern seiner Enkel, der Söhne H. Borwins II., der also notwendiger Weise damals schon gestorben sein musste: relictis post se quatuor filii sui Heinrici filiis, scilicet Johanne, Nicolao, Borewino et Pribizlawo.

Bei E. Boll, Geschichte Mecklenburgs 103 wird der Tod Heinrich Borwins, des Sohnes, nach dem 11. August 1226 gesetzt, wohl in Rücksicht darauf, dass in der Urkunde vom 10. August 1226 in welcher der Vater die von seinem Sohn am 3. Juni 1226 zu Güstrow beurkundete Stiftung des Dom-Collegiat-Stifts zu Güstrow bestätigt, dessen am 5. Juni erfolgter Tod nicht erwähnt wird. Da kein Grund vorliegt, die Richtigkeit des Datums zu bezweifeln, bleibt nur die im Urkdb. n. 331 gegebene Annahme übrig, dass dasselbe später hinzugefügt ist.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahre 1300