Zweites Kapitel



Romfahrt Heinrichs V. Hilflose Lage Paschalis' II. Schwierigkeit der Lösung des Investiturstreits. Der Papst faßt den Entschluß, die Bischöfe zur Rückgabe ihrer Krongüter zu zwingen. Unterhandlungen und Verträge. Einzug Heinrichs V. in die Leonina und sein kühner Staatsstreich.


Die Friedensfrist, welche sich Paschalis erkämpft hatte, dauerte nur bis zur Ankunft des deutschen Königs. Ein Komet ging ihm als schreckliches Phänomen vorauf und verkündigte den Frommen und Abergläubigen Krieg, Pest und Untergang. Die tief erniedrigte Reichsgewalt erhob sich jetzt im Sohne Heinrichs IV., ihre Niederlage zu rächen und das gregorianische Papsttum sich zu unterwerfen. Nach langem Unterhandeln hatte Heinrich V. im Jahre 1109 dies erreicht, daß ihm der geängstigte Papst die Kaiserkrone zusagte, ohne sie an andere Bedingungen als die Pietät gegen die Kirche zu knüpfen. Paschalis konnte den Romzug nicht aufhalten, welchen ein deutscher Reichstag beschlossen hatte, aber er erneuerte auf einem lateranischen Konzil am 7. März 1110 das Investiturverbot. Nur auf Grundlage dieses Prinzips sollte der Friede geschlossen werden. Er eilte sodann nach Monte Cassino und beschwor die normannischen Fürsten, ihm, wenn es nötig sei, gegen Heinrich V. zu Hilfe zu kommen; selbst die römischen Großen versammelte er nach seiner Rückkehr und verpflichtete sie durch feierlichen Schwur, ihm in der Gefahr beizustehen.

Der Romzug Heinrichs V. war das prachtvolle Schauspiel der Macht, zu welcher Deutschland trotz langen Bürgerkriegen gedeihen konnte, aber für Italien und das Papsttum eine schwere Demütigung. Dreißigtausend Ritter glänzten in diesem furchtbaren Heer, Vasallen aus hundert Provinzen deutscher, slawischer, romanischer Zunge, geführt von Bischöfen und Fürsten, die sich murrend oder willig um den König versammelten. Selbst gesetzeskundige Männer und Schreiber begleiteten ihn, seine Rechte zu erklären und seine Taten zu verewigen. Die Städte Oberitaliens, während der Investiturkämpfe zu republikanischer Verfassung emporgekommen, blickten mit Haß auf die fremden Scharen, die im Herbst 1110 die Alpen herabstiegen und denen sie Foderum, Herberge und Geschenke reichen sollten. Novara büßte seinen Ungehorsam in seiner eigenen Asche, und andere Kastelle wurden mit gleicher Wut zermalmt. Dies schreckte die Lombarden. Ihre Konsuln kamen mit Tributen, nur Mailand schickte weder Geschenke noch Gesandte überhaupt. In dieser blühenden Stadt hätten schwächere den Hort ihrer gemeinsamen Befreiung finden können, wenn nicht Parteihaß sie verfeindet hielt. Unter den italienischen Reichsvasallen war niemand, der nicht Heinrich huldigte, als er drei Wochen lang auf dem Ronkalischen Felde lagerte, wo er den gewöhnlichen Reichstag hielt und sein strahlendes Heer wie ein Xerxes voll Verachtung gegen die Städte musterte. Selbst die Gräfin Mathilde beugte sich seiner Macht; viele Fürsten aus dem Lager Heinrichs besuchten diese erlauchte Frau, den Ruhm ihres Zeitalters, und alle verließen sie voll Bewunderung. Aber sie erschien nicht in Person vor dem Sohne ihres Gegners; auf einer ihrer Burgen bei Canossa unterhandelte sie nur mit seinen Boten; sie schwor ihm Lehnspflicht, wo es die Feinde des Reiches galt, doch mit Ausnahme des Papsts, und der König wagte nicht zu fordern, daß die Beschützerin der Päpste ihre Vasallen mit seinem Heer nach Rom ziehen ließ.

Was konnte der Papst von einem jungen Fürsten erwarten, der die List vom überlisteten Vater geerbt hatte und mit weit mehr Willenskraft denselben Kampf für die Rechte der Krone durchzuführen entschlossen war, welchen das Schicksal Heinrichs IV. ihm als die Bedingung zum Fortbestehen des Reichs klar gemacht hatte? Heinrich V. näherte sich, das Investiturrecht, wie seine Boten schon in Châlons gedroht hatten, mit dem Schwerte durchzusetzen und den kühnen Bau Hildebrands zu zertrümmern. Die Lage Paschalis II. war schwieriger als jene Gregors; denn innere Schwächung und Furcht lähmten die Normannen; Mathilde war alt und blieb neutral; die religiösen Leidenschaften, einst so kräftige Mitstreiter für die Hierarchie, waren erkaltet, und die Christenheit forderte die Beilegung des Zwistes fast um jeden Preis.

Von Arezzo aus schrieb Heinrich den Römern: bisher gehindert, die Hauptstadt seines Reiches zu ehren, komme er jetzt; sie sollten ihm Gesandte entgegenschicken. Über die Krönung unterhandelten seine Boten in Rom, wo sie in S. Maria in Turri am St. Peter mit Pierleone, dem Bevollmächtigten des Papsts, zusammenkamen. Die Krönung sollte der Schlußakt eines Vergleiches sein, aber dies erste aller Konkordate zu entwerfen war schwer. Heinrich mußte auf der Investitur bestehen, wie alle seine Vorgänger sie ausgeübt hatten; der Papst mußte auf den Erlassen seiner Vorgänger bestehen, welche die Investitur durch Laienhand verboten, und diese Dekrete hatte er selbst feierlich bestätigt. Konnte der König die Einsetzung von Bischöfen dem Papst allein überlassen, wenn sie vom Reiche Fürstentümer zu Lehen trugen? Wenn diese mächtigen Bischöfe und Äbte, vom Staat vollends losgetrennt, nur investierte Vasallen der römischen Kirche wurden, wuchs dadurch nicht deren Gewalt ins Unendliche, und verschlang sie dann nicht, wie Gregor VII. es gewollt hatte, den Staat? Die Folgen der königlichen Investitur waren wiederum der Kirche verderblich; sie blieb die Vasallin der Krone. Aber dies unleugbare Übel konnte entfernt werden, sobald die Bischöfe der weltlichen Macht und aller politischen Stellung überhaupt entsagten.

Die Investiturfrage jener Zeit war ganz so schwierig, wie es heute die Frage vom Fortbestande des Dominium Temporale der Päpste, des letzten Rests vom mittelalterlichen Leibe der Kirche, innerhalb eines einigen Italiens geworden ist. Denn in beiden Fragen findet sich dieselbe Verkettung moralischer und politischer Dinge; beide wurden daher als ein gordischer Knoten zunächst durch das Schwert zerhauen. Es ist ewig denkwürdig, daß ein Papst des XII. Jahrhunderts mit großartigem Entschluß ein Prinzip aufstellte, dessen Ausführung der Kirche höhere sittliche Kraft würde verliehen, aber sie für die Epoche des Faustrechts zu ätherisch gemacht haben. Paschalis II. erkannte das sonnenklare Recht der Krone; er bejahte, daß ohne die Investitur das Reich nicht bestehen könne, nachdem es den Kirchen so unermeßliche Einkünfte geschenkt hatte. Als der junge, treulose Sohn Heinrichs IV. mit einem furchtbaren Heer auf Rom zog, hinter sich zertrümmerte Städte, konnte er dem bebenden Papst wie ein Raubtier erscheinen, dessen Grimm er durch Beute besänftigen müsse. In der äußersten Not warf er ihm die Güter der Kirche hin, ihr Leben und ihre Freiheit zu retten. Er schlug folgendes vor: die Bischöfe sollten alle ihre Krongüter dem Reiche zurückstatten und fortan von Zehnten leben; der König sollte auf die Investitur für immer verzichten, also der Kirche als unschätzbares Gegengeschenk die Freiheit vom Staate geben. Wenn Paschalis II. diesen reinen apostolischen Gedanken durchgesetzt hätte, so würde er ein größerer Mann als Gregor VII. und der wahre Reformator unter den Päpsten geworden sein. Das Urteil eines tugendhaften und der Weltlichkeit abgeneigten Mönchs auf dem Papstthron mußte erkennen, daß die Verderbnis des Klerus und die Sklaverei der Kirche nur die Folge ihrer unapostolischen Verweltlichung seien, aber Paschalis zeigte sich nicht als einen Mann von so viel Geist, daß man seinen Plan einer genialen reformatorischen Ansicht zuschreiben darf; er war ihm vielmehr von der Verzweiflung eingegeben worden. Das XII. Jahrhundert konnte für jene verfrühte Idee der Befreiung der Kirche nicht reif sein; diese heilige Anstalt, welche nur das körperlose Reich des Lichtes, der Liebe und der Tugend hätte sein sollen, fuhr fort, wie eine dunstige Sonne von irdischen Nebeln umhüllt zu sein, und vielleicht hätte ihr allzu reiner Strahl auf die Wildnis halbbarbarischer Zeiten entweder ohne Nutzen oder durchaus zerstörend gewirkt. Die feudalistische Verkettung weltlicher und geistlicher Macht lastete noch jahrhundertelang auf der Gesellschaft, und erst das XVI. Säkulum nahm den vielleicht nur naiven Gedanken Paschalis' II. mit gereiftem Bewußtsein und gewaltsam wieder auf.

Sein Vorschlag mußte dem an Macht und Glanz gewohnten Klerus als Entäußerung ohnegleichen erscheinen; unermeßliche Domänen, Städte, Zoll, Markt- und Münzrecht, Justiz, markgräfliche Gewaltherrschaft sollten die Prälaten niederlegen. Freilich wurden sie dadurch noch nicht arm wie die Apostel, denn jedes Bistum besaß noch ein eigenes Privatgut, und selbst Zehnten und Opfergaben würden noch reiche Quellen des Wohlstandes geblieben sein. Aber mit dem Verlust der Fürstenmacht wurden die Bischöfe schutzlos gegen die politische Gewalt und ihres Ansehens in der Welt beraubt, die nur die Macht ehrt, welche geben und nehmen und im Pomp Furcht verbreiten kann. Jeder Bischof würde sich geweigert haben, aus einem erlauchten Stande des Reichsparlaments ein freier und tugendhafter, aber unscheinbarer Diener des Herrn zu werden, und alle hätten Paschalis vorwerfen können, daß er auf fremde Kosten uneigennützig sei, da er selbst, der Papst, nicht daran denke, das Zepter seines Kirchenstaats niederzulegen, vielmehr dessen Herstellung im Umfange alter Schenkungen von Heinrich sich ausdrücklich vorbedinge. Wenn weltliche Herrlichkeit Bischöfen nicht eignete, sollte sie am Papst minder unziemlich sein? Wenn es einem Abt nicht anstand, gepanzert auf dem Schlachtroß seinen Vasallen voranzusprengen, mußte dann der Anblick des heiligen Vaters im Feldlager nicht um so unchristlicher sein? Der Besitz ihrer Kronlehen stürzte die Bischöfe in ewige Händel mit der Welt, aber was war die Geschichte des römischen Tempelstaats seit Jahrhunderten? Indes das Bestehen eines Kirchenstaates selbst in so elender Gestalt war damals eine wirkliche Bedingung für die geistliche Unabhängigkeit des Papsts. Die verhängnisvolle Ironie, welche seinem Prinzip angeheftet blieb, machte das Dominium Temporale zu gleicher Zeit zum Schild und zur Achillesferse des Papsts und ihn selbst zu gleicher Zeit zu einem König und Märtyrer, zu einem Besitzer im Exil. Der Staub von der kleinen, immer rebellischen Erdscholle Rom hing schwer genug an den Füßen des Oberpriesters der Christenheit, um ihn zu hindern, sich in allzu hohe Regionen aufzuschwingen, wo er als ein fast vergöttertes Wesen den Begriffen seiner Zeit oder als ein von weltlichen Händen unerreichbarer Tyrann der moralischen Welt ihren Forderungen sich würde entzogen haben. Paschalis richtete kaum an sich die Frage, ob die Verbindung des Priesters und Königs in ihm heilsam sei; und wenn ein boshafter Bischof das Prinzip des Staates Petri angezweifelt hätte, so würde er ihm mit um so mehr Grund geantwortet haben, was Pius IX. heute den theoretischen und praktischen Usurpatoren des Dominium Temporale antwortet; er würde außerdem erklärt haben, daß die Provinzen St. Peters nicht Reichslehen seien. Im Jahre 1862, wo eine der merkwürdigsten Revolutionen diesen alten, morschen Kirchenstaat zerstört, ist es anziehend, sich vorzustellen, daß die Anerkennung jenes Verzichts, welchen Paschalis so naiv von den Bischöfen forderte, auch die Aufhebung des päpstlichen Staates würde zur Folge gehabt haben. Und wohl darf man sich verwundern, daß so uralte Fragen noch 700 Jahre nach Paschalis mit gleicher Leidenschaft von ganz Europa erörtert werden müssen.

Wenn Heinrich V. den Vorschlag des Papstes annahm, so konnte er den Reichtum der Krone augenblicklich verdoppeln; ein habgieriger Monarch mußte daher eilig die Hand ausstrecken, aber ein besonnener konnte noch zögern. Der Verzicht auf die Investitur war auch der Verlust alles königlichen Einflusses auf die Kirche überhaupt, die größte Gewalt der damaligen Welt. Die eingezogenen Güter mußten doch wieder ausgeliehen werden und am Ende die Hausmacht erblicher Magnaten vermehren; die Städte, nur noch im losen Verband mit den Bistümern, wären völlig frei geworden. Vor allem: durfte Heinrich glauben, daß Bischöfe und Fürsten in den Vorschlag des Papstes willigen konnten? Daß die Einziehung so vieler Güter, welche wieder tausend Vasallen von den Kirchen zu Lehen trugen, überhaupt möglich war, ohne eine unabsehbare Umwälzung der Besitzesverhältnisse herbeizuführen?

Heinrich sehnte sich aufrichtig nach dem Frieden mit der Kirche; er nahm den Vergleich an: aber er rechnete nicht auf seine Ausführbarkeit.

Zwei Verträge wurden aufgesetzt: der Verzicht des Königs auf die Investitur, der Verzicht des Klerus auf die Krongüter durch päpstliches Dekret. Nach Auswechslung dieser Pergamente sollte Heinrich die Krone erhalten. Die ängstlichen Vorsichtsmaßregeln, welche man in die Verträge aufnahm, lassen König und Papst wie zwei unterhandelnde Feinde erscheinen, von denen jeder in dem andern nur einen Verräter oder Mörder sieht. Darf man nicht ein Zeitalter mit Recht barbarisch nennen, wo das weltliche Haupt des Abendlandes vertragsmäßig schwören mußte, den Oberpriester der Christenheit weder hinterlistig fangen, noch am Leibe verstümmeln, noch ermorden zu wollen? Die Gesandten eilten nach Sutri, wohin der König vorgerückt war. Er genehmigte die Urkunden, doch nur unter der Bedingung, daß alle Bischöfe und Fürsten des Reichs jener Verzichtleistung beistimmten, und der Chronist, welcher davon erzählt, bemerkt, daß man dies für unmöglich hielt. Am 9. Februar schworen Heinrich und seine Großen, die Herzöge und Grafen von Bayern, Sachsen und Kärnten, sein Kanzler Albert, sein Neffe Friedrich von Schwaben, der Bischof von Speyer, dem Papst Sicherheit und die Erfüllung des Vertrags, wenn er seinerseits ihn am nächsten Sonntag vollziehen würde; sodann brach das Heer nach Rom auf und lagerte sonnabends den 11. Februar am Monte Mario.

Heinrich V. stand vor der Leostadt und jener Engelsburg, in welcher sein Vater 27 Jahre früher den Urheber dieses furchtbaren Streites belagert gehalten hatte; der schwermütige Schatten Heinrichs IV. mußte einen solchen Sohn quälen und ihn auffordern, sein Rächer zu sein. Noch stand des Kaisers Leichnam unbegraben in einer ungeweihten Kapelle des Doms zu Speyer schon im sechsten Jahr; die Bitte, ihm die christliche Beerdigung zu gestatten, hatte Paschalis mit römischer Härte abgeschlagen. Man mag sich vorstellen, was die hochgemuten deutschen Ritter im Angesichte Roms empfanden; oder was die Römer fühlten, über denen diese Wolke des Verderbens hing; oder was der Papst bedachte, der sich nun im Netz eines meineidigen Feindes wußte, während seine Boten, wie einst jene Gregors VII., Kampanien durcheilten, einen neuen Guiscard aufzusuchen. Der morgende Tag verbarg ein großes Friedenswerk oder einen furchtbaren Sturz.

Gesandte der Römer kamen ins Lager Heinrichs und forderten, daß er die Gesetze Roms beschwöre; der römische König tat dies verächtlich in deutscher Sprache, worauf viele der Großen beleidigt in die Stadt zurückgingen. Die Legaten des Papstes erschienen; man wechselte die Geiseln aus, und Heinrich schwur nochmals dem Papst Sicherheit und Erhaltung des Kirchenstaats.

Tags darauf, am 12. Februar, sollte die Krönung stattfinden. Die Körperschaften Roms, die Richterkollegien, die Scholen des päpstlichen Hofs, die Milizen mit ihren Zeichen, Drachen, Wölfe, Löwen, Adler auf Lanzenstäben, das Volk mit Blumen und Palmzweigen holten den König am Monte Mario ein. Der Sohn Heinrichs IV. zog zu Roß unter dem aufrichtigen oder heuchlerischen Ruf von Tausenden: „König Heinrich hat St. Petrus erwählt“ mit seinem strahlenden Gefolge nach der Leostadt. Dem Herkommen gemäß beschwor er erst an einer kleinen Brücke, dann am Tor die Gesetze Roms; mit verächtlichem Lächeln vernahm er die Hymne der Juden und mit Herablassung den Zuruf der Griechenschule. Chöre der Mönche und der Nonnen mit brennenden Kerzen in den Händen, Prozessionen des Klerus empfingen ihn in der Leostadt mit demselben Ruf: „ Heinricum Regem Sanctus Petrus elegit“, und der prachtvolle Zug rückte langsam bis zur Peterstreppe vor. Mit größerer Spannung wurde nie ein erwählter Kaiser erwartet als der Sohn Heinrichs IV.; das feierliche Zeremoniell des Empfangs, der Huldigung, der Adoption durch den Papst konnte das tiefe Mißtrauen nur leicht verschleiern, und der vorsichtige Heinrich wollte den St. Peter nicht eher betreten, bis ihn seine Truppen besetzt hatten.

König und Papst hatten auf der porphyrnen Rota im festlichen Dome Platz genommen. Auf dieser Stelle sollte die große Friedenstat geschehen; die Verträge sollten beschworen und ausgewechselt werden. Die Schrift des Königs und die andere des Papstes wurden verlesen; aber das Murren der Bischöfe und Fürsten begleitete die päpstliche Urkunde, welche besagte: daß die politische Stellung des Klerus unkanonisch sei; daß der Dienst der Priester im Heer unstatthaft, weil von Totschlag und Raub unzertrennlich sei; daß die Diener des Altars nicht zugleich Diener des Hofes sein dürften, daß sie aber Höflinge werden müßten, sobald sie von der Krone Güter zu Lehen trügen. Daraus sei erwachsen, daß gewählte Bischöfe nur dann die Weihe erhielten, wenn sie die königliche Investitur erlangt hatten; diese aber hätten die Dekrete vieler Konzile untersagt. Er, Paschalis, verordne unter Strafe des Banns die Rückgabe aller Kronlehen der Bischöfe an den Kaiser Heinrich für alle Zeit und so viele deren seit Karl dem Großen an die Kirchen gekommen seien.

Ein Sturm des Unwillens brach los. Sollten sich die Bischöfe dem einfachen Dekret eines Papsts unterwerfen und ihn als den absoluten Gebieter der Kirche anerkennen? Der weltliche Ehrgeiz von Priestern, welche aus Friedensboten der Völker ihre Barone geworden waren, erhob sich gegen ein evangelisches Prinzip, und selbst die Stimme Christi würde, wenn er in dieser Versammlung erschienen wäre, seinen Stellvertreter mit seinem eigenen Spruch: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!“, zu unterstützen, von zornigem Geschrei übertönt worden sein. Darf man glauben, Paschalis habe die Zuversicht gehegt, daß Fürsten und Bischöfe sein Dekret annehmen würden? Es ist unmöglich. Er konnte nur hoffen, mit dem Kaiser augenblicklich zum Schluß zu kommen; das Weitere würde Gegenstand der Unterhandlungen und Synoden geworden sein. König und Papst, auf der porphyrnen Rota sitzend, jeder sein Pactum in der Hand, an dessen Ausführbarkeit keiner glaubte, erscheinen in dieser berühmten Szene als zwei Schauspieler eines großen Dramas, von denen der eine seine Rolle mit gewalttätiger Arglist, der andere sie mit verzweiflungsvoller Ergebung spielt. Aber neben Paschalis stand eine der Zeit vorauseilende Reform, während in Heinrich die Absicht auf einen Staatsstreich unverkennbar ist, welchen er sofort vollzog und der stets einer der gewaltsamsten und kühnsten der Geschichte bleiben wird.

Das Zugeständnis war so groß, daß Heinrich darin nur eine Schlinge des Papstes sah, sich in Besitz des Verzichts zu setzen und ihn dann dem Widerstande der Fürsten und Bischöfe zu überlassen. Indem er nochmals im St. Peter erklärte, daß der Plan, die Kirchen ihrer Güter zu berauben, nicht von ihm ausgehe, machte er den Papst allein verantwortlich, und die Vollziehung seines Vertrags hatte er schon in Sutri an die Genehmigung aller Reichsfürsten gebunden. Als nun der Papst den Investitur–Verzicht verlangte, zog sich der König zur Beratung mit den Bischöfen zurück. Seine Großen tobten: das Ansinnen des Papsts sei Ketzerei und Kirchenraub, und sie weigerten sich entschieden, den Vertrag anzuerkennen. Es wurde Abend. Paschalis forderte, der langen Beratung ein Ende zu machen; die Bischöfe schrien, daß der Vertrag unvollziehbar sei; der König verlangte die Krönung, der Papst verweigerte sie. Ein Ritter sprang zornflammend hervor: „Was bedarf es“, so rief er, „so vieler Reden! Mein Herr will ohne Umschweif gekrönt sein wie Ludwig und Karl!“ Ängstliche Kardinäle schlugen vor, den König zu krönen, den Abschluß des Konkordats auf morgen zu verschieben. Die Prälaten wollten nichts mehr von Verträgen hören. Einige Bischöfe, zumal Burchard von Münster und der Kanzler Albert, bliesen in den auflodernden Grimm des jungen Königs, und sie drängten ihn, wider den Eid sich der Person des Papstes zu bemächtigen. Bewaffnete umkreisten diesen und den Hochaltar. Kaum hatte er die Messe beendigt, so zwang man ihn, in der Tribüne Platz zu nehmen, unter den Schwertern ihn bewachender Ritter. Ein Tumult erhob sich; Norbert, Heinrichs Kaplan, warf sich weinend vor dem Papste nieder, und Konrad von Salzburg rief laut dem Könige zu, daß seine Tat ein gottloser Frevel sei. Gezückte Degen drangen auf den kühnen Bischof ein; das Hadern und Schreien von Geistlichen und Herren, Lärm der Waffen, Hilferuf, Flucht und Mißhandlung erschreckter Priester boten im schon dunklen Dom das Bild wildester Verwirrung dar, während der Papst und die Kardinäle zusammengedrängt unter den Hellebarden der Söldner bebten, während immer mehr rachgierige Scharen den St. Peter erfüllten und jenseits des Tiber die ganze Stadt schon in heftiger Bewegung war.

Bei einbrechender Nacht wurde Paschalis und sein Hof in ein Gebäude am St. Peter abgeführt und dem Patriarchen Udalrich von Aquileja zur Bewachung anvertraut. Seine Gefangennahme löste jede Disziplin; Priester und Laien ohne Unterschied wurden geplündert und mit Säbelhieben niedergestreckt; die goldenen Gefäße, der kirchliche Ornat wurden geraubt. Was fliehen konnte, stürzte schreiend in die Stadt.