Erstes Kapitel


Paschalis II. Tod Wiberts. Neue Gegenpäpste. Der rebellische Adel. Ursprung des Geschlechts Colonna. Aufstand der Corsi. Maginolf Gegenpapst. Graf Werner von Ancona zieht nach Rom. Unterhandlungen Paschalis' II. mit Heinrich V. Konzil in Guastalla. Der Papst reist nach Frankreich. Neue Empörung des Kirchenstaats.

Rainer aus Bleda in Tuszien, ein cluniazensischer Mönch, welchen Gregor VII. zum Kardinal von S. Clemente gemacht hatte, wurde der Nachfolger Urbans II. Man erwählte ihn in jener Kirche und weihte ihn am 14. August 1099 als Paschalis II. Ungewöhnliche Ereignisse sollten seine stürmische Regierung auszeichnen. Noch dauerte das Schisma, und Clemens III., welcher drei berühmte Päpste, seine Gegner, überlebt hatte, verzagte nicht, auch den vierten zu bestreiten. Er nahm Wohnung in Albano unter dem Schutz der Campagna–Grafen. Aber bald konnte ihn Paschalis mit normannischen Truppen von dort vertreiben. Wibert floh nach Civita Castellana, wo er schon im Herbst 1100 starb. Seine ausgezeichneten Eigenschaften wie die Festigkeit im Unglück mußten selbst seine Feinde anerkennen; seine Freunde aber beweinten in ihm einen Heiligen, und an seinem Grabe gelangen schismatische Wunder so gut wie katholische an der Gruft Gregors VII. oder Leos IX.


Die kaiserliche Partei fuhr auch jetzt noch fort, Gegenpäpste aufzustellen und dies in Rom selbst, wo sie den St. Peter behauptete. Doch diese Eintagsidole, Theodor von S. Rufina, dann der sabinische Bischof Albert, fielen schnell vom angemaßten Thron. So rasche Erfolge verdankte Paschalis normannischen Schwertern und dem unwiderstehlichen Golde, aber der ewige kleine Krieg mit kleinen Empörern zersplitterte seine Kraft. Die damaligen Päpste mußten wie alle anderen Bischöfe ihr irdisches Dominium tausend gierigen Feinden abkämpfen, und wenn der sanft geartete Mönch Paschalis über die Figur nachdachte, die das heilige Oberhaupt der Kirche in solchem beständigen Streit um weltliche Güter machte, so durfte er nach den apostolischen Zeiten seufzen, wo die Bischöfe nur den Himmel auf Erden besessen hatten.

Wir nennen weder alle Burgen noch die Barone, die der Papst bekriegte; aber mit Petrus Colonna tritt das berühmteste Adelsgeschlecht des mittelalterlichen Rom im Jahre 1101 zum ersten Male geschichtlich auf. Sein Name schreibt sich nicht von der berühmten Säule Trajans in seinem Wappen, sondern von einem Kastell her, welches sich noch heute auf dem Lateinergebirge über der Labikanischen Straße erhebt. Diese kleine Burg lag nur fünf Millien von Tusculum entfernt, gehörte seit alters den dortigen Grafen und gab einem Zweige ihres Geschlechts den Namen de Columpna oder Colonna. Wahrscheinlich war Petrus ein Sohn Gregors von Tusculum, des Bruders Benedikts IX. Der Ahnherr Martins V. machte sich als ein lateinischer Baron bemerkbar, welcher Päpste und Bischöfe plünderte und an den Wegen lagerte. Weder in Schlachten noch auf dem richterlichen Tribunal erwarben die Stifter mittelalterlicher Patrizierhäuser Ruhm und Macht, sondern sie lebten wie Falken in Türmen, mordeten und raubten wie sie und beteten ab und zu mit den reich beschenkten Mönchen, um des Paradieses im Himmel nicht verlustig zu gehen. Petrus de Colonna besaß auch Monte Porzio und Zagarolo, und weit in jene schönen Gebiete Latiums suchte er seinen Besitz auszudehnen. Verwandtschaft mit den letzten Herren Palestrinas vom Geschlecht der Senatrix Stephania konnte ihm Ansprüche auf diese Stadt geben; aber die Rechte des Papsts waren älter, und er wußte sie mit den Waffen durchzusetzen.

So mühte sich Paschalis jahrelang, den wilden Adel zu zähmen. In Rom trotzten ihm die Corsi, einst Freunde, jetzt Widersacher der Kirche. Dies Geschlecht nistete noch in den Ruinen am Kapitol. Als Paschalis ihre Türme einreißen ließ, bemächtigte sich Stefan Corso der Festung bei St. Paul, und von hier aus unternahm er wie ein Sarazen Raubzüge gegen Rom. Endlich vertrieben, setzte er sich in der oberen Maritima fest, wo er päpstliche Städte bewältigte. Im Mittelalter hätte ein Sallust täglich seinen Catilina gefunden; denn Rom war nichts als eine finstere Trümmer–Katakombe, worin sich Adel und Volk zum Sturz eines Staates verschworen, in welchem Herrscher zu sein der dürftigste Militär–Tribun des Altertums sich vielleicht würde geweigert haben.

Der Trotz der Corsi stand mit der Erhebung eines dritten Gegenpapsts in Verbindung, welchen die hartnäckigen Wibertisten erwählten. Das Geschlecht der Normanni, deren Haupt ein anderer Stefan war, die Baruncii und Romani, die von S. Eustachio, die Berizo von S. Maria in Aquiro zogen in ihren Plan den Markgrafen Werner, den damaligen Gebieter Spoletos und Anconas. Ein schwäbischer Graf, einst Hauptmann Leos IX. bei Civitate, hatte sich am adriatischen Meer eine schöne Herrschaft erabenteuert; er konnte die Pentapolis, jetzt nach seinem Namen die Mark Werners genannt, sogar seinen Nachkommen vererben. Heinrich IV. begünstigte sein Glück; denn wie seine Vorfahren die Macht Tedalds begründet hatten, erhob er die Familie Werners, ihm zur Stütze im Kampf mit Mathilde zu dienen, und er verlieh wohl dem Sohne des ersten Markgrafen von Ancona auch die Reichslehen Spoleto und Camerino, die einst das Haus der großen Gräfin besessen hatte.

Werner kam im November 1105 mit deutschen Truppen nach Rom, von den Verschworenen gerufen, welche einen Erzpriester Maginolf im Pantheon zum Papst gewählt hatten, worauf Paschalis nach der Tiberinsel flüchtete. Das zitternde Idol Silvester IV. wurde mit Waffengewalt im Lateran eingesetzt; die Päpstlichen unter dem Präfekten Petrus bestürmten, die Kaiserlichen verteidigten ihn mit Werners Hilfe, geführt vom Milizenkapitän Berto. Man schlug sich auf dem Coelius, am Septizonium, selbst im Circus Maximus. Aber Maginolf hatte kein Geld und sah sich nach wenig Tagen verlassen; er floh nach Tivoli, wo Werner lagerte, und der erfolglos heimkehrende Markgraf nahm ihn mit sich nach Osimo.

Paschalis, von solchen Gegenpäpsten nur beunruhigt, nicht verdrängt, konnte schon am Ende November 1105 in den Lateran wieder einziehen. Ein Teil des Adels war zu ihm übergegangen, aber seine Lage blieb unerträglich. Wenn je ein Herrscherthron dem, der ihn besaß, verhängnisvoll gewesen ist, so war es der marmorne Stuhl Petri, auf welchem die Päpste saßen, das Kreuz in der Hand, welches niemals zum Zepter hätte werden sollen, und wo sie unter altersgrauen Trümmern und gleich grau gewordenen Kirchen ein unzähmbares Volk regieren wollten, welches stolzer und wilder war als die Ahnen zur Zeit des Sulla und Marius. Die weltliche Geschichte der Päpste seit Gregor VII. bietet daher ein wundersam verworrenes Gemälde vom höchsten tragischen Stile dar, worin sich ewig wiederholen die Wutausbrüche des Volks, die Flucht, das Exil der Päpste, ihre triumphartigen Heimzüge, ihr neuer tragischer Fall und ihre ewige Wiederkehr. Paschalis verließ das schreckliche Rom und begab sich in den Schutz der Gräfin Mathilde, ein Konzil zu versammeln. Vorgänge in Deutschland machten gerade die Beilegung des Schisma wahrscheinlich; denn der Kaiser war durch die Empörung seines zweiten Sohnes entthront worden, und Heinrich V. heuchelte Nachgiebigkeit gegen die päpstlichen Investiturverbote. Die römischen Legaten unterstützten deshalb seine Empörung, der Papst selbst löste ihn von dem Eide, den er einst zu Aachen geschworen hatte, dem Vater Treue zu halten und niemals gleich Konrad nach seiner Krone zu trachten. Nun hatte der Mainzer Reichstag im Januar 1106 Paschalis nach Deutschland eingeladen, wo die Kirchenspaltung beigelegt werden sollte, und der Tod des unglücklichen Heinrich IV. schien die Wege zur Versöhnung zu ebnen. Aber Paschalis konnte auf dem Konzil zu Guastalla (im Oktober 1106) aus dem festen Auftreten der deutschen Boten erkennen, daß er vom neuen Könige den Verzicht auf die Investitur nimmer erlangen werde. Sobald Heinrich V. seinen Thron befestigt sah, trat er mit den Kronrechten entschieden hervor, und der Papst, welcher den Kaiser nicht hatte vom Banne lösen wollen, erntete sehr bald als verdienten Lohn die gleiche Behandlung, die Heinrich IV. vom frevelhaften Sohn erfahren hatte.

Die Dekrete von Guastalla bestätigten die Investitur–Verbote; die unkanonisch geweihten Bischöfe, die Wibertisten, wurden jedoch voll Schonung anerkannt, wenn sie sich aufrichtig mit der Kirche versöhnten; und diese Nachgiebigkeit konnten die strengen Gregorianer Paschalis nicht vergeben. Der schwebende Streit um die Investitur sollte sodann nach dem Wunsche Heinrichs V. auf einer Weihnachts–Synode in Augsburg verglichen werden; aber der Papst, der sich dorthin hatte begeben wollen, fürchtete Verrat. Er ging nach Frankreich, die Vermittlung des Königs Philipp und seines Sohnes Ludwig anzurufen. Unterhandlungen mit den Gesandten Heinrichs, welche den Papst im folgenden Jahr zu Châlons trafen, blieben ohne Erfolg; der König bestand auf der Investitur, und Paschalis erneuerte das Verbot der Belehnung durch Laienhand auf dem Maikonzil in Troyes. Unzufrieden mit den Erfolgen seiner Reise beschloß er endlich, nach Italien zurückzukehren; schon im September 1107 befand er sich in Fiesole bei Florenz.

Während seiner Abwesenheit hatten der Präfekt Petrus, die Pierleoni und Frangipani und sein eigener Neffe Walfred mit Mühe einen Schein der Regierung in Rom aufrechterhalten. Der römische Adel kannte nur eine Leidenschaft: auf Kosten der Kirche seine Hausmacht zu mehren; jeden heimkehrenden Papst erwartete daher dieselbe elende Aufgabe: Vasallen und Söldner gegen die Räuber des Kirchenguts in den Kampf zu führen. Kaum heimgekommen, mußte Paschalis Stefan Corso in der tuszischen Maritima bekriegen, wo dieser Römer in Montalto verschanzt lag; nichts richtete der Papst aus, und Rom blieb nach dem Geständnis seines Biographen die Höhle täglicher Rebellion.

Es wäre eine trostlose Aufgabe, wollten wir Paschalis durch das fortgesetzte Elend der Empörungen begleiten, die er erfuhr. Als er im Jahre 1108 nach Benevent ging, übertrug er die Regierung der Stadt den Konsuln Pierleone und Leo Frangipani, den Oberbefehl der Truppen dem Walfred, die Bewachung der Campagna dem Ptolemäus von Tusculum. Und so kamen durch die Not der Zeiten die römischen Adelsgeschlechter, welche jetzt die herrschende Oligarchie bildeten, in den Besitz der politischen Gewalt. Die Entfernung des Papsts in Apulien benutzten sie sofort zum Aufstande; die Sabina und Latium fielen ab, der gewissenlose Ptolemäus pflanzte im Bunde mit dem Abt Berald von Farfa und mit Petrus Colonna in Tusculum selbst die Fahne der Empörung auf. Da kam Paschalis mit normannischen Lanzen, welche ihm Richard von Aquila, der damalige Herzog der Gaëtaner, geliehen hatte; er zog in Rom ein, eroberte aufständische Burgen, und selbst Tivoli, der alte Sitz der Wibertisten, ergab sich ihm nach hartnäckiger Belagerung, während Furcht und Gold die Stadt Rom entwaffneten. In Person begab sich Paschalis aufs Kapitol, wo der Adelssenat sich zu versammeln pflegte; er forderte dies Parlament auf, über Stefan Corso die Acht auszusprechen, und die römischen Milizen zwangen endlich im zerstörten Montalto die Corsi zur Unterwerfung. Im August 1109 belagerte Paschalis Pontia und Affile, uralte römische Kolonien in der Diözese Subiaco; er verlieh sie dieser Abtei. Um dieselbe Zeit mochte er Ninfa bei Velletri erstürmt haben. Die Dienstbarkeit solcher Orte gegen die Kirche bestand in vertragsmäßigen Leistungen, und die Verpflichtung, Bewaffnete zu stellen, sooft es der Papst gebot, wird besonders bemerkt; denn wie alle anderen Bischöfe zogen auch die Päpste ihre Mannen nur aus den Orten, die zum Heerbann gesetzlich verpflichtet waren.